
Das Internet macht’s möglich.
Wir kannten uns nur per mail, seit heute nun persönlich. Ich wollte Miriam Notten treffen, weil ich von ihrer Arbeit berichten und sie auf diese Weise unterstützen wollte.
Also hatten wir uns verabredet auf ein kleines Interview.
Im Café Maibach in Berlin.
Wir saßen in der Sonne und sprachen über Afghanistan, über Mevlana Rumi, über die ISAF und die etwa 20 Menschen, die jeden Tag ihr Leben verlieren…..
Immer politisch engagiert, bis sie merkte, daß all die vielen Interviews, Reden, die vielen Gespräche nicht wirklich etwas bewegen. „Ich wollte etwas Praktisches tun“ erzählt sie mir. Also ist sie über den Iran nach Afghanistan gereist, in ihre alte Heimat. Das war 2002. Seither fährt sie einmal im Jahr.
Eigentlich stammt Miriam Notten ja aus Kabul, „aber auch Nimroz ist meine Heimat“ sagt sie.
„Dem Taxifahrer hab ich gesagt: „Bringen Sie mich zur nächsten Schule!“ und dort bin ich zur Direktorin gegangen. Ja, so hat das angefangen“.
Über die Direktorin bekam sie Kontakt zum Gouverneur, der seither ihre Arbeit nach Kräften unterstützt. „Der Mann kam von der Nimroz-Front“ erzählt Frau Notten, das war die einzige nicht fundamentalistische Oppositionsgruppe dort.“
Sie hatte damals „gar nicht viel Geld“, nur etwa 13.000 Euro. Aber so eine Schule für 2.000 Schüler kostet etwa 23.000.
Also führte sie ein Grundprinzip ein: „Ich helfe euch, aber ihr müsst euch beteiligen.“
Der Gouverneur brachte das restliche benötigte Geld auf.
Die Schule wurde gebaut. Auch bei der zweiten Schule hat sich die regionale Regierung mit 50% an den Kosten beteiligt.
„Wissen Sie, nun wird die erste Generation unserer ersten Schule mit dem Abitur fertig. Sie glaube gar nicht, wie schön das für mich ist, das zu sehen!“
Im Juni 2012 wird Frau Notten wieder nach Nimroz fahren. Man kann sie begleiten, wenn man möchte! Die Tickets zahlt man selbst, aber um Unterbringung und Kontakte vor Ort kümmert sich Frau Notten. Ich habe sie gefragt, ob ich ihre e-mail-Adresse veröffentlichen dürfe. „Ja“ sagt sie, man kann mir ganz einfach eine mail schreiben. Die Adresse steht ja auch auf unserer Homepage.
„Wissen Sie, was mich geärgert hat?“ fragt sie und antwortet auch gleich:
„Als die Schule fertig war, kam die UNICEF und hat ein paar Spielgeräte für die Schule spendiert. Dafür hat sie aber ganz vorn im Eingangsbereich der Schule ein riesiges Schild errichten lassen, auf dem steht, daß die Spende von UNICEF ist. Nun denken die Leute, die ganze Schule sei von UNICEF…..“
Es ist nicht bei der Schule geblieben.
Mittlerweile ist die zweite Schule fertig. Bäckereien sind dazu gekommen, betrieben von Frauen – in der Schule zum Beispiel. „Da war eine Witwe, alleinstehend mit sechs Kindern. Ich hab ihr geholfen, in der Schule die Bäckerei einzurichten – nun kann sie nicht nur ihre Kinder ernähren, sondern kommt Schritt für Schritt über die Jahre zu einem kleinen bescheidenen Wohlstand.“
Andere Kleinprojekte sind dazugekommen: Mikrokredite zum Beispiel.
40 Familien unterstützt sie auf diese Weise. Alle kennt sie persönlich. Die Menschen verwenden die Kleinkredite zum Beispiel, um sich ein paar Kleintiere anzuschaffen, Ziegen oder Schafe etwa. Und dann kann eine kleine Herde wachsen. Frau Notten nimmt keine Zinsen auf den Kredit, der 2-3 Jahre „läuft“.
„Wie machen Sie das mit den Bürgschaften?“ will ich wissen.
„Ich spreche die Shoras an, die Provinzräte, die Autoritäten im Dorf; oder der Gouverneur muss bürgen, oder ein Dorfältester. Und das funktioniert. Denn die Menschen wollen ja nicht ihren guten Ruf riskieren. Das ist sehr zuverlässig.“
„Wenn ich noch mehr Geld zur Verfügung hätte, dann könnte ich helfen, daß die Menschen wieder Wasser haben. Durch die Provinz fließt ein großer Fluss, der größte Fluss Afghanistans, geteilt in zwei Arme. Und dazwischen gab es ein sehr feines Kanalsystem, das die Menschen zur Bewässerung ihrer Felder entwickelt hatten. Aber nun, nach dreißig Jahren Krieg, sind die Kanäle versandet.
Wenn ich nur einen Kanal wieder freilegen lassen könnte – dann würde das 200 Familien wieder Landwirtschaft ermöglichen!“ Und dann noch solar-Wasserpumpen dazu, um die Felder zu bewässern.
„Wissen Sie, Afghanistan hat ja eigentlich ausreichend Wasser, es kommt aus den Bergen. Aber es fließt eben nun ungenutzt in den Iran. Alle Flüsse Afghanistans fließen ins Ausland. Wenn wir einen Teil des Wassers wieder nutzbar machen könnten, das wäre eine große Sache!“
Nun, denke ich mir. Vielleicht kann ja das Internet ein wenig helfen.
Und die Netzwerke.
Deshalb hier nun dieser kleine Text.
Übrigens: daß Entwicklungszusammenarbeit in den Händen von Frauen besonders gut aufgehoben ist, kann man bei Miriam Notten sehr gut studieren!
Grade fand ich noch dies schöne Gedicht auf der Homepage von Miriam Notten:
Kinder der Freiheit
(Ein Gedicht von Azad) Afghanisches Kind
verwundetes Kind
afghanisches Kind
verbranntes Kind
schon gealtertes Kind
deine fragenden Augen
Menschen schweigen
deine schreienden Augen
die Menschen ignorieren es
afghanisches Kind
du streckst deine Hand aus
du liebst den Vogel
der Vogel explodiert
deine Hand reißt ab
die Welt ignoriert das
die Welt schläft
die Geschichte bleibt stehen
dein Blut, das fließt
verletzt die Erde
die Menschen ignorieren es
afghanisches Kind
Kind des Himmels
Afghanisches Kind
deine Augen erstarren
deine Augen fragen
die Menschen schweigen
die Menschen ignorieren das
afghanisches Kind
verlassenes Kind
freies Kind
afghanisches Kind
Kind der Freiheit