Der Tag war ermüdend. Nicht nur für diejenigen, die da von Berlin nach Aleppo gehen und kurz vor Prag angekommen sind.
Aber es geht voran.
Der Brief an den Präsidenten der EU-Kommission, der gestern via Amnesty Österreich die deutschen Rechner erreichte und den ich mit sehr guter Resonanz – mehr als 340 mal geteilt! verschickt hatte, hat mittlerweile 87% der angestrebten Unterschriftenzahl erreicht. Vermutlich kann das Projekt heute Nacht noch abgeschlossen werden. Das ist die gute Nachricht.
Eine weitere gute Nachricht: die Gruppe der Marschierenden wir immer internationaler. Man nutzt live-streaming, heute sogar mit einem arabisch-sprachigen Beitrag; man nutzt die Netzwerke, macht sehr gute Öffentlichkeitsarbeit, was der weiteren Vernetzung sehr dienlich ist. All das ist sicher nicht einfach zu bewerkstelligen, wenn man müde und „abgelaufen“ ist.
In Deutschland wird die Lage am Beginn des Wahljahres immer komplizierter. Heute entbrannte innerhalb der Partei der Grünen ein Streit zwischen Bundestagsfraktion und der Mehrheit der Landesverbände um die Frage der Abschiebung nach Afghanistan. Derzeit sieht es so aus, als würde sich auch die Mehrheit der grünen Landesverbände für eine solche Abschiebung aussprechen, zwar unter vom Bund leicht zu erfüllenden Bedingungen, aber eben doch.
Das ist insofern bedrückend, weil nun in allen Parteien ein Rechtsruck wahrnehmbar ist, der sich an der „Flüchtlingsfrage“ entzündet. Dieser in allen Parteien – bei den Linken ist es die Auseinandersetzung vor allem mit Sarah Wagenknecht – zu beobachtende Rechtsruck insbesondere in der „Flüchtlingsfrage“ führt bei nicht wenigen dazu, dass sie ratlos werden.
Ist denn unter diesen Umständen überhaupt noch eine Partei wählbar?
Diese Frage wird nun in den kommenden Monaten immer drängender werden.
Aber: der Weg geht weiter. Der Marsch nach Aleppo ebenso, wie der Weg, den wir hier in Deutschland zu gehen haben. Und zu den Erfahrungen auf diesen Wegen gehört eben auch: es gibt Tage, da gibt es nicht nur Fortschritte, selbst, wenn man weitergeht.
Übermorgen wird die Gruppe in Prag ankommen. Und man kann auf der Projektseite sehen, dass man dort von einer recht großen Zahl von Menschen erwartet wird.
Das ist die gute Nachricht des heutigen Tages.
Kategorie: Afghanistan
Und immer wieder Klemperer
Victor Klemperers „LTI – Sprache des Dritten Reiches“ (erschienen 1947) gehört zu den Büchern, die mein Leben maßgeblich geprägt haben. Immer und immer wieder ziehe ich es zu Rate. Nicht nur aus historischen Gründen, sondern, um die eigene Aufmerksamkeit zu trainieren. Ich kann mir mein politisches Leben ohne dieses Buch nicht vorstellen. Es ist zum Fundament meines Denkens geworden.
Was ist die Botschaft dieses Buches?
Achtet auf die Sprache! Denn an der Sprache zeigt sich, was kommen wird. An der Sprache kann man ein Beben erkennen, bevor es eingetreten ist. Sprache ist wie ein Seismograph. Ändert sich die Sprache, wird sich bald das Handeln ändern. Klemperer hat die Notizen zur Sprache des Nationalsozialismus in der Not geschrieben, um sich als Linguist, der er war, sinnvoll zu beschäftigen, trotz Arbeitsverbot.
Dieses Buch hat nicht nur mir geholfen, während der Zeit des DDR-Sozialismus die „offiziellen Verlautbarungen“, wie sie zum Beispiel im „Neuen Deutschland“ zu lesen waren, zu decodieren. Dieses Buch hat nicht nur mir die Augen geöffnet für die eigentlich gemeinte Wirklichkeit hinter der veröffentlichten Sprache.
Dieses Buch ist auch eine Anregung, mit der Gegenwartssprache aufmerksam zu sein.
Besonders wichtig ist die genaue Beobachtung der Sprache im Themenkomplex, der sich um die Worte „Flüchtlinge“, „Asyl“, „Asylrecht“ etc. abbildet.
Denn in kaum einem Politikfeld ist die Sprache so verschleiernd, so vernebelnd, so unklar wie in diesem Themenbereich. Und das hat Gründe.
Da ist zum Beispiel davon die Rede, Afghanistan sei „hinreichend sicher“, um Flüchtlinge dorthin „abzuschieben“. („Abschiebung“ übrigens ist ein Wort der LTI).
Es ist offenkundig, dass Afghanistan kein sicheres Land ist. Eher im Gegenteil. Die Unsicherheit im Lande nimmt Tag für Tag zu, die Belege dafür sind zahlreich. Dennoch hört man aus dem Bundesinnenministerium, das Land sei „hinreichend sicher„. Der Bundesinnenminister ist sich auch nicht zu schade, der Öffentlichkeit zu erklären, „ein Drittel“ der gestern von Frankfurt aus nach Afghanistan abgeschobenen Menschen sei „kriminell“ gewesen. Die Botschaft solcher öffentlichen Rede soll sein: „Im Grunde sind sie alle so“.
Die ZEIT hat in einem längeren Text die Genese solcher verschleiernden Begriffe aufgezeigt. Wer diesen Text aufmerksam liest, teilt vielleicht meine Erschütterung. In den Tiefen eines Bundesministeriums, in den Referaten und Abteilungen kommen solche „Wortdrechseleien“, solche verschleiernden Worte aufs Papier. Irgendein Referatsleiter denkt sich eine solche Formulierung aus, damit möglichst freundlich, möglichst elegant klingt, was nicht freundlich und schon gar nicht elegant ist. Der Minister achtet mit der gesamten Leitung des Ministeriums auf eine entsprechende „Sprachregelung„. Ich weiß, wovon ich rede.
Um zu verhindern, dass insbesondere aus Afrika Menschen zu uns kommen, schließt die Bundesregierung nun mit nicht wenigen Staaten Abkommen ab. Solche Abkommen sind im Munde der Bundeskanzlerin „Migrationspartnerschaften„. Gemeint aber sind politische Deals. Europa gibt Geld, damit afrikanische Regierungen dabei helfen, dass Afrikaner in Afrika bleiben und sich nicht auf den Weg nach Europa machen.
Alle diese verschleiernden Worte dienen der Abwehr von Flüchtlingen. Man muss keine Mauern bauen, um Flüchtlinge „abzuwehren“.
Worte genügen.
Dahinter tritt ein Denken zu Tage, das nur ein Ziel hat: die Abwehr.
Das Wort „Flüchtling“ ist auf diese Weise, Schritt für Schritt, Wort um Wort, Veröffentlichung um Veröffentlichung für nicht wenige Menschen zu einem Synonym für „Bedrohung“ geworden.
So entstehen Feindbilder.
Und wer auf Wilhelm Heitmeyer hört, der wird die Gefahr erkennen, die in solcher „gruppenbezogenen Fremdenfeindlichkeit“ liegt: am Ende richtet sich die Kraft einer Gesellschaft gegen die schon längst von der Sprache ausgemachten „Feinde“.
Stefan Zweig hat darauf hingewiesen, dass die Veränderungen, die am Ende zur Katastrophe führten, während der Zeit des Nationalsozialismus „Schritt für Schritt“ kamen. Es waren leise Veränderungen. Ein Raunen nur. Eine kaum merkliche Veränderung der Sprache. Kaum hatte man sich an eins dieser Wörter gewöhnt, kam die nächste Eskalation. Bis man sich auch daran gewöhnt hatte.
Heitmeyer spricht deshalb von „Gewöhnungsgewinnen„.
Diese Gewöhnung an die „neue Sprache“ – die ist eines der größten Probleme.
Wer sich anschaut, wie sich die veröffentlichte und mittlerweile öffentliche Sprache im Zusammenhang mit dem Thema Flucht und Migration seit dem öffentlichen Auftreten von AFD, von Pegida & Co verändert hat, der bekommt ein ungefähres Gefühl dafür, was da kommt.
Wenn auch die sogenannten etablierten Parteien mittlerweile völlig unverblümt von „Asylmissbrauch“ sprechen und damit „Abschiebungen“ begründen, dann sieht man, wie das gegangen ist: von ganz rechts außen kam das Wort. Und nun ist es mitten im alltäglichen Sprachgebrauch.
Die unterlegte, (noch) nicht ausgesprochene Grundthese dabei lautet: „die sind alle kriminell. Die missbrauchen alle unsere Großzügigkeit. Die gehören alle „abgeschoben““. Das genau ist die Absicht derjenigen, die ihre „gruppenbezogene Fremdenfeindlichkeit“ längst in Hass gewandelt haben.
Wenn aber die veröffentlichte Sprache solche Rede übernimmt, ohne zu reflektieren, was da eigentlich vor sich geht – dann zieht der Hass ein in die ganze Gesellschaft. Und dieser Hass richtet sich dann stets gegen die Schwächsten, gegen die, die Hilfe brauchen.
Es beginnt mit der Sprache.
Bombenstimmung im Advent
Das Tempo ist diesmal sehr besonders. Am 13. November 2015 gab es Terroranschläge in Paris. Und bereits am 4. Dezember 2015 beschließt der Bundestag , in den Krieg gegen den IS einzutreten. Es werde „sehr lange dauern“, ist zu erfahren und „gefährlich“ sei das auch. Das wars dann auch schon.
Das Mandat dazu ist überaus schwammig. Man bezieht sich auf die Bitte Frankreichs um Unterstützung und auf einen EU-Vertrag, der zum gegenseitigen Beistand verpflichtet. Ein Mandat des Weltsicherheitsrates gibt es nicht. Und das Mandat bedeutet im Kern einen blanko-Scheck fürs Militär: nicht nur über Syrien soll geflogen werden, sondern über einem Gebiet bis zum Persischen Golf und über dem Roten Meer – also fernab von Syrien.
Das eigentliche Ziel ist unklar, selbst Militärs wundern sich über die unprofessionelle Vorbereitung, denn es gibt nicht mal eindeutige Kommandostrukturen.
Die Regierungsfraktionen werden zustimmen (in der Probeabstimmung 1 Gegenstimme bei der Union, 13 Gegenstimmen bei der SPD); Linke lehnt ab, Grüne lehnen mehrheitlich ab.
Ich erinnere mich gut, wie wir nach den Anschlägen vom September 2001 um eine Position gerungen haben – Afghanistan betreffend. Nächtelang ging das. Tagelang. Freundschaften sind zerbrochen. Um Grundsätzliches wurde gestritten. Niemand hat es sich irgendwie leicht gemacht.
Auch damals ging es ja um den „Krieg gegen den Terror“. Völlig klar war uns: ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates würde gar nichts gehen.
Das ist diesmal alles sehr anders.
Deutschland hat sich an den Krieg gewöhnt.
Es gibt ihn zwar noch, den „Kampf um die Bedeutung der Worte“ – Frau von der Leyen, die derzeitige Verteidigungsministerin, weigert sich strikt, – ähnlich wie einer ihrer Vorgänger im Afghanistan-Krieg – von „Krieg“ zu sprechen, die Armee spricht „selbstverständlich“ von Krieg. Es hat auch rentenrechtliche Konsequenzen, das war schon beim Afghanistan-„Einsatz“ so. „Einsätze“ sind billiger als „Kriege“.
Der eigentliche, der zentrale Punkt aber – der kommt im Grunde gar nicht vor in der Debatte. Es geht um die Frage, die schon Erhard Eppler und andere in früheren Jahren nachdrücklich gestellt haben:
Was kann man tun gegen „privatisierte Gewalt“, die eben nicht von Staaten, sondern von Terrorgruppen oder terrorbereiten Einzelpersonen ausgeht?
Die Regierung vertritt eine „Doppelstrategie“ – einerseits der „Wiener Prozess“, andererseits das militärische Bündnis mit Frankreich („damit Europa nicht auseinanderbricht“ (Steinmeier)). Der „Wiener Prozess“ ist schon deshalb nötig, weil sich die Teilnehmer der „Allianz gegen den IS“ nicht einig sind. Man muss sich überhaupt erst mal über die Frage verständigen, wen man eigentlich zu bekämpfen gedenkt. Das kann dauern.
Solange wird gebombt. (Die Verteidigungsministerin hat gerade gestern und heute darauf hingewiesen, dass die Dauer des „Militäreinsatzes“ vom Erfolg des Wiener Prozesses abhinge).
Aber: kann man mit Bomben privatisierte Gewalt bekämpfen?
Nein, das kann man nicht.
Denn mit jeder Bombe, die das Haus eines Zivilisten trifft – und das wird reichlich geschehen – entsteht eine neue Terror-Zelle. Bomben vergrößern die Gefahr.
Wenn eine Staatengemeinschaft privatisierte Gewalt, wie sie in Terroranschlägen zum Ausdruck kommt, mit Krieg bekämpft, mit Flugzeugträgern, Fregatten, Tornados und Bomben – dann zeigt sie damit lediglich nur, dass sie der Logik der Gewalt folgt – und nicht der Logik des Rechtsstaates.
Denn: privatisierte Gewalt in Gestalt von Terroranschlägen ist nichts andres als ein Gewaltverbrechen.
Und ein zivilisiertes Land stellt Gewaltverbrecher vor Gericht.
Die mittlerweile beinahe „automatische“ Logik auf einen Terroranschlag, nun müsse eine „eindeutige Antwort“ – in Gestalt von Bomben – gegeben werden – das entspricht steinzeitlichem Denken. Haust du mich, hau ich dich. Sprengst du meine Leute in die Luft, spreng ich deine Leute in die Luft.
Mit Rechtsstaatlichkeit hat das jedoch gar nichts mehr zu tun.
Die Völkergemeinschaft wird eine neue Antwort auf die global grassierende privatisierte Gewalt entwickeln müssen.
Ich will mich nicht von der Hoffnung verabschieden, dass es der Völkergemeinschaft schon bald gelingen möge, nicht mehr der Logik der Gewalt, sondern der Logik der Rechtsstaatlichkeit zu folgen. Gewaltverbrecher gehören vor ein Gericht. Und das steht in Den Haag.
Das aber bedeutet: Weltinnenpolitik.
Willy Brandt hat schon 1979 auf die Notwendigkeit eines solchen neuen Denkens hingewiesen.
Die Völkergemeinschaft ist noch weit von diesem Ziel entfernt. Die USA haben bislang Den Haag noch nicht mal anerkannt – aus naheliegenden Gründen.
Aber:
wenn die internationale Staatengemeinschaft der privatisierten Gewalt in Gestalt von Terroranschlägen (die man niemals von der Erde wird verbannen können, sowenig wie man Gewaltverbrechen verhindern kann) wirklich fundamental etwas entgegensetzen will – dann wohl das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Und zu diesem Prinzip gehören Anklage und Verteidigung. Es genügt nicht, jemandem zum „Terroristen“ zu erklären und ihm Bomben auf den Kopf zu werfen. Denn das erzeugt nur neue Anschläge.
Das alte Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wurde abgelöst vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Das war ein gewaltiger zivilisatorischer Schritt.
Es war ein Ausdruck von hohen zivilisatorischen Standards, dass die Alliierten am Ende des Zweiten Weltkriegs die Täter nicht einfach abgeknallt haben.
Nein, man hat sie vor Gericht gestellt. Das war der Fortschritt. Wir dürfen nicht zurückfallen in altes Denken.
Das Gegenteil ist not-wendig.
Die Welt braucht mehr Rechtsstaatlichkeit, nicht noch mehr militärische Gewalt.
Alternativen zum Krieg (10) – Welthungerhilfe

Vor einiger Zeit hatte ich begonnen, Persönlichkeiten vorzustellen, die mit ihrer Arbeit „Alternativen zum Krieg“ entwickeln. Denn mir scheint eine Bereitschaft übergroß, sehr schnell und unreflektiert in allerlei Konfliktherden der Welt nach der militärischen Option zu rufen. Zuletzt konnte ich diese weit verbreitete Bereitschaft wieder im Zusammenhang mit den Prozessen in Nordafrika beobachten.
Zivile Arbeit, die sich den Ursachen von Konflikten zuwendet – und nicht selten ist der Hunger großer Bevölkerungsgruppen eine Ursache für politische Konflikte – erweist sich als dauerhaft tragfähiger als militärische Optionen. Ich habe mich deshalb per mail an Persönlichkeiten und Hilfsorganisationen gewandt und sie gebeten, mir ein paar kurze Fragen zu beantworten.
Dr. Jamann war so freundlich und hat mir nun seine Antworten geschickt:
Herr Dr. Jamann, seit wann unterstützt die Welthungerhilfe den Wiederaufbau Afghanistans?
Seit 1980 unterstützte die Welthungerhilfe afghanische Flüchtlinge in Pakistan durch Nothilfemaßnahmen (Versorgung von Flüchtlingscamps).
Seit 1993 ist die Welthungerhilfe durchgehend mit eigenen Projektstrukturen in Afghanistan tätig und unterstützt die Zivilbevölkerung, insbesondere
im ländlichen Raum. In den letzten 10 Jahren wurden dabei über 100 Projektvorhaben mit einem Gesamtvolumen von über 80 Mio Euro durchgeführt.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Die Schwerpunkte der Arbeit sind:
Förderung des landwirtschaftlichen Anbaus und Ernährungssicherung; Rehabilitierung kommunaler und ländlicher Basisinfrastruktur
(Trinkwasserversorgung und sanitäre Anlagen, Bewässerungsanlagen, etc.); Ressourcenschutz (Aufforstung); Stärkung der Zivilgesellschaft auf
kommunaler Ebene (National Solidarity Programme, NSP); Projekte der Not- und Übergangshilfe
Welche Erfahrungen haben Sie in Deutschland gemacht in Bezug auf
Ihre Unterstützerarbeit? Wie ist Ihre Erfahrung in Bezug auf die
Zusammenarbeit mit der afghanischen Bèvölkerung?
Es gibt in Deutschland traditionell großes Interesse an Afghanistan, sowohl wegen der politischen und humanitären Lage aber auch wegen der langjährigen Partnerschaft der beiden Länder. Leider ist es so gut wie unmöglich, für Afghanistan Spenden zu sammeln, obwohl es hervorragende Projekte gibt, die es sich zu unterstützen lohnt. In diesen Projekten (z.b. bei der Produktion von Rosenöl in Jalalabad) werden echte Fortschritte für die Menschen vor Ort erzielt, und die afghanischen Partner über Jahre selbst gefördert und in die Lage versetzt, nachhaltige Entwicklungsschritte zu machen.
Wenn Sie sich das veröffentliche Bild über Afghanistan in deutschen Medien anschauen: was fehlt?
Es fehlt der Blick für die guten Nachrichten. Afghanistan ist ein Land das nach 30 Jahren Bürgerkrieg und Unterdrückung noch einen langen Weg vor sich hat, und auf diesem Weg gibt es wirkliche Fortschritte. Leider ist die Berichterstattung zu oft überlagert von den kriegerischen Auseinandersetzungen, und das deutsche Engagement wird vor allem bei den militärischen Interventionen dargestellt. Dies verstellt den Blick auf die Notwendigkeit und die Chancen, die der zivile Aufbau bietet.
Der Deutsche Bundestag hat am 28. Januar 2011 das ISAF-Mandat
erneut um ein Jahr verlängert.
Wäre eine Mandatierung zugunsten eines zivilen Aufbaus hilfreich
gewesen? Ist eine Kopplung zwischen militärischem Engagement und
ziviler Aufbauarbeit hilfreich?
Die Mandatsverlängerung für die Beteiligung am ISAF Einsatz ist eine politische Entscheidung über eine militärische Frage, die wir als Welthungerhilfe nicht kommentieren wollen und können. Wir sind eine zivile Hilfsorganisation und darauf stützt sich unsere Expertise. Aus unserer Arbeit vor Ort wissen wir aber, dass vor allem zivile Unterstützung durch zivile staatliche und nicht-staatliche Organisationen notwendig und gewünscht ist. Die Welthungerhilfe hat sich mehrfach gegen die Vermischung von militärischem und zivilen Mandat ausgesprochen, nicht zuletzt weil dies unsere Helfer gefährden kann.
Was ist aus Ihrer Sicht in Afghanistan im Moment besonders dringlich?
Die Verbesserung der Lebensgrundlage und die Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten für die Zivilbevölkerung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies wird und kann nur erfolgen, wenn sich die Sicherheitslage für die afghanische Zivilbevölkerung, die unter den Folgen der bewaffneten Auseinandersetzungen am meisten leidet, erheblich verbessert. In diesem Kontext wird der „Sicherheitsbegriff“ als erweiterter Begriff im Sinne der „menschlichen Sicherheit“ verstanden. Hierzu zählt neben der Sicherstellung der physischen Unversehrtheit auch das Recht auf Nahrung, der verbesserte Zugang zu medizinischen Einrichtungen und Bildungsmöglichkeiten, verlässliche afghanische Behörden auf Distrikt- und Provinzebene sowie Rechtssicherheit.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen weitere Anstrengungen und die Ausweitung des zivilen Aufbaus unter verstärkter Einbeziehung der afghanischen Zivilbevölkerung erfolgen. An den Bedürfnissen der afghanischen Bevölkerung ausgerichtet müssen internationale Hilfsprogramme noch gezielter auf vorhandene Entwicklungschancen und -potentiale abgestimmt werden (ganz im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe).
Als politische Forderung kann formuliert werden:
Die Einbeziehung der afghanischen Zivilbevölkerung in den politischen und sozialen Wiederaufbau des Landes sollte gestärkt und gegenüber der afghanischen Regierung die Wahrung der Menschenrechte (gemäß der afghanischen Verfassung) mit Nachdruck eingefordert werden.
Wie kann Ihre Arbeit konkret unterstützt werden?
Indem deutlich auf den großen Bedarf an Unterstützung der afghanischen Zivilbevölkerung, insbesondere in ländlichen Gebieten (wo z.B. weniger als 30% der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, jedes 5. Kind vor Vollendung des 5. Lebensjahres an vermeidbaren Krankheiten stirbt, 60-70% Analphabeten sind, etc.) hingewiesen wird. Sowohl die Grundbedürfnisversorgung als auch die Verbesserung der Lebensperspektiven der afghanischen Bevölkerung muss weiter langfristig unterstützt werden.
Viele humanitäre Hilfsorganisationen und internationale NGOs wie die Welthungerhilfe führen landesweit Projekte und Programme zur Armutsreduzierung und des zivilen Wiederaufbaus durch. Um deren Arbeit auch in Zukunft zu fördern ist eine Konditionierung der öffentlichen Mittelvergabe für die Durchführung von armutsorientierten Entwicklungshilfeprojekten, u.a. aus sicherheitspolitischen Überlegungen heraus, abzulehnen und nicht zielführend.
Hier kommt das Bürgerradio – erstes Interview: Miriam Notten, Nimroz-Initiative

Das Internet macht’s möglich.
Wir kannten uns nur per mail, seit heute nun persönlich. Ich wollte Miriam Notten treffen, weil ich von ihrer Arbeit berichten und sie auf diese Weise unterstützen wollte.
Also hatten wir uns verabredet auf ein kleines Interview.
Im Café Maibach in Berlin.
Wir saßen in der Sonne und sprachen über Afghanistan, über Mevlana Rumi, über die ISAF und die etwa 20 Menschen, die jeden Tag ihr Leben verlieren…..
Immer politisch engagiert, bis sie merkte, daß all die vielen Interviews, Reden, die vielen Gespräche nicht wirklich etwas bewegen. „Ich wollte etwas Praktisches tun“ erzählt sie mir. Also ist sie über den Iran nach Afghanistan gereist, in ihre alte Heimat. Das war 2002. Seither fährt sie einmal im Jahr.
Eigentlich stammt Miriam Notten ja aus Kabul, „aber auch Nimroz ist meine Heimat“ sagt sie.
„Dem Taxifahrer hab ich gesagt: „Bringen Sie mich zur nächsten Schule!“ und dort bin ich zur Direktorin gegangen. Ja, so hat das angefangen“.
Über die Direktorin bekam sie Kontakt zum Gouverneur, der seither ihre Arbeit nach Kräften unterstützt. „Der Mann kam von der Nimroz-Front“ erzählt Frau Notten, das war die einzige nicht fundamentalistische Oppositionsgruppe dort.“
Sie hatte damals „gar nicht viel Geld“, nur etwa 13.000 Euro. Aber so eine Schule für 2.000 Schüler kostet etwa 23.000.
Also führte sie ein Grundprinzip ein: „Ich helfe euch, aber ihr müsst euch beteiligen.“
Der Gouverneur brachte das restliche benötigte Geld auf.
Die Schule wurde gebaut. Auch bei der zweiten Schule hat sich die regionale Regierung mit 50% an den Kosten beteiligt.
„Wissen Sie, nun wird die erste Generation unserer ersten Schule mit dem Abitur fertig. Sie glaube gar nicht, wie schön das für mich ist, das zu sehen!“
Im Juni 2012 wird Frau Notten wieder nach Nimroz fahren. Man kann sie begleiten, wenn man möchte! Die Tickets zahlt man selbst, aber um Unterbringung und Kontakte vor Ort kümmert sich Frau Notten. Ich habe sie gefragt, ob ich ihre e-mail-Adresse veröffentlichen dürfe. „Ja“ sagt sie, man kann mir ganz einfach eine mail schreiben. Die Adresse steht ja auch auf unserer Homepage.
„Wissen Sie, was mich geärgert hat?“ fragt sie und antwortet auch gleich:
„Als die Schule fertig war, kam die UNICEF und hat ein paar Spielgeräte für die Schule spendiert. Dafür hat sie aber ganz vorn im Eingangsbereich der Schule ein riesiges Schild errichten lassen, auf dem steht, daß die Spende von UNICEF ist. Nun denken die Leute, die ganze Schule sei von UNICEF…..“
Es ist nicht bei der Schule geblieben.
Mittlerweile ist die zweite Schule fertig. Bäckereien sind dazu gekommen, betrieben von Frauen – in der Schule zum Beispiel. „Da war eine Witwe, alleinstehend mit sechs Kindern. Ich hab ihr geholfen, in der Schule die Bäckerei einzurichten – nun kann sie nicht nur ihre Kinder ernähren, sondern kommt Schritt für Schritt über die Jahre zu einem kleinen bescheidenen Wohlstand.“
Andere Kleinprojekte sind dazugekommen: Mikrokredite zum Beispiel.
40 Familien unterstützt sie auf diese Weise. Alle kennt sie persönlich. Die Menschen verwenden die Kleinkredite zum Beispiel, um sich ein paar Kleintiere anzuschaffen, Ziegen oder Schafe etwa. Und dann kann eine kleine Herde wachsen. Frau Notten nimmt keine Zinsen auf den Kredit, der 2-3 Jahre „läuft“.
„Wie machen Sie das mit den Bürgschaften?“ will ich wissen.
„Ich spreche die Shoras an, die Provinzräte, die Autoritäten im Dorf; oder der Gouverneur muss bürgen, oder ein Dorfältester. Und das funktioniert. Denn die Menschen wollen ja nicht ihren guten Ruf riskieren. Das ist sehr zuverlässig.“
„Wenn ich noch mehr Geld zur Verfügung hätte, dann könnte ich helfen, daß die Menschen wieder Wasser haben. Durch die Provinz fließt ein großer Fluss, der größte Fluss Afghanistans, geteilt in zwei Arme. Und dazwischen gab es ein sehr feines Kanalsystem, das die Menschen zur Bewässerung ihrer Felder entwickelt hatten. Aber nun, nach dreißig Jahren Krieg, sind die Kanäle versandet.
Wenn ich nur einen Kanal wieder freilegen lassen könnte – dann würde das 200 Familien wieder Landwirtschaft ermöglichen!“ Und dann noch solar-Wasserpumpen dazu, um die Felder zu bewässern.
„Wissen Sie, Afghanistan hat ja eigentlich ausreichend Wasser, es kommt aus den Bergen. Aber es fließt eben nun ungenutzt in den Iran. Alle Flüsse Afghanistans fließen ins Ausland. Wenn wir einen Teil des Wassers wieder nutzbar machen könnten, das wäre eine große Sache!“
Nun, denke ich mir. Vielleicht kann ja das Internet ein wenig helfen.
Und die Netzwerke.
Deshalb hier nun dieser kleine Text.
Übrigens: daß Entwicklungszusammenarbeit in den Händen von Frauen besonders gut aufgehoben ist, kann man bei Miriam Notten sehr gut studieren!
Grade fand ich noch dies schöne Gedicht auf der Homepage von Miriam Notten:
Kinder der Freiheit
(Ein Gedicht von Azad) Afghanisches Kind
verwundetes Kind
afghanisches Kind
verbranntes Kind
schon gealtertes Kind
deine fragenden Augen
Menschen schweigen
deine schreienden Augen
die Menschen ignorieren es
afghanisches Kind
du streckst deine Hand aus
du liebst den Vogel
der Vogel explodiert
deine Hand reißt ab
die Welt ignoriert das
die Welt schläft
die Geschichte bleibt stehen
dein Blut, das fließt
verletzt die Erde
die Menschen ignorieren es
afghanisches Kind
Kind des Himmels
Afghanisches Kind
deine Augen erstarren
deine Augen fragen
die Menschen schweigen
die Menschen ignorieren das
afghanisches Kind
verlassenes Kind
freies Kind
afghanisches Kind
Kind der Freiheit
Etwas von der Wissenschaft – Balkh University Mazar i Sharif.
Heute setze ich den Reisebericht von 2003 fort: Im „Reisetagebuch“ hatte ich am 23. Juli 2003 notiert:
„Irgendwann früh gegen vier ruft der Muezzin und erinnert uns an die Grenze, die uns gesetzt ist: „Gott ist größer – allahu akbar“. Das ganze Land beginnt mit einer „Morgenandacht“. Man stelle sich das für unser Land vor! Früher hatten im christlichen Abendland die Glocken eine solche Bedeutung. In manchen Dörfern gibt es wenigstens noch das „Abendläuten“ um 18 Uhr. Wie weit wir doch weg sind von parktizierter Religiosität im sogenannten „christlichen Abendland“! Dieses Land hier „atmet“ den Islam. Man darf das nie vergessen bei allem, was man hier sieht. Dieses Land ist ein religiöses Land. Dieses Land ist ein spirituelles Land.
Wie soll der Dialog mit dem Islam gelingen, wenn das „christliche Abendland“ gar nicht mehr um seine Wurzeln weiß? Wie soll man den „interreligiösen Dialog“ führen, wenn die eine Seite gar nicht mehr weiß, welche Religion sie eigentlich hat?
Es gibt im Westen arrogante ungebildete Menschen, die glauben, der Islam müsse erst mal die Aufklärung durchmachen, die auch das Christentum durchgemacht habe. Diese Menschen verstehen nichts. Sie wissen nichts von Spiritualität. Sie wissen nichts von den Sufis, nichts von den Naqsbandhias, nichts von Rumi und den „tanzenden Derwischen“, die in ihrem wild kreisenden Tanz Gott ehren, der größer ist als alles, was Menschen so zustande bringen. Heutzutage kann man in der Tü´rkei die tanzenden Derwische als Touristenattraktion besichtigen, da ist allerdings auch nicht mehr viel von den ursprünglichen Wurzeln dieses Gebetstanzes zu erkennen. Wer weiß denn im Abendland noch, daß der Tanz die älteste Gebetsform ist, die wir kennen?
Wie soll ein Dialog gelingen zwischen einem weitgehend atheistischen Westen, der als seine „Religion“ nur noch das Wachstum und den Dollarkurs kennt – und einem religiösen Osten nach dem 11. September? Wie soll sich ein religiöse Afghane verständigen mit einem Amerikaner oder Deutschen oder Engländer oder Franzosen, der im Grunde nur am Erdöl zur Sicherung seiner Energieversworgung interessiert ist? Was soll man reden mit jemandem, der unter „Fortschritt“ lediglich das Wachstum seiner eigenen Volkswirtschaft versteht?
Es wird schwer werden mit dem Gespräch. Es ist eine große Aufgabe. Aber der 11. September hat eben auch dies gezeigt: wir werden reden müssen! Wir werden uns verständigen müssen über die Ziele, zu denen wir unterwegs sind. Wir werden uns verständigen müssen über die „basics“, von denen aus das Leben zu begreifen ist. Eins scheint mir sicher: Der Westen wird zu seiner eigenen Spiritualität (ich rede nicht von Volkskirchlichkeit!) zurückkehren müssen, billiger ist der Dialog nicht zu haben.
Solche Spiritualität ist im Westen noch verborgen in manchen Klöstern. Man kann sie finden in einigen Gemeinden. Da ist noch Glut unter der Asche.
Dies geht mir durch den Kopf, als ich morgens erwache irgendwo im tiefen Afghanistan in Mazar i Sharif. Man wacht auf und sieht als erstes den Halbmond am Himmel. Was für ein Symbol!
Sehr früh, zwischen vier und fünf, beginnt auch schon das Leben in der Familie. Man nutzt die kühleren Morgenstunden. Ich bin als erster auf, halb sechs genieße ich die „Dusche“. Sogar Strom für den Rasierer ist da.
Dann wacht unser Fahrer auf. „Ich hab gut geschlafen“ sagt Sultan Paiwand. „Das reicht jetzt wieder für zwei Tage.“
In den letzten Tagen hatte er verdammt wenig geschlafen, gestern nur zwei Stunden. Wir hatten uns deswegen schon Sorgen gemacht, denn wir waren von seinen Fahrkünsten abhängig.
Zeit für das Tagebuch; Zeit, die diktierten Notizen vom Vortag abzuhören. Dann sind alle fertig. Das Frühstück wird im Hof serviert: die Decke wird gebracht und dann das Geschirr, das Obst, Eier und Marmelade. Gastfreundlich sind sie, die Afghanen, es ist wunderbar!
Unser erster Termin heute: die Universität.
Wir haben uns durch das Gewimmel von jungen Leuten durchgekämpft und sitzen nun in der Universität im Zimmer des Rektors. Der Chan, Herr Habibullah Habib, ein etwas vierzigjähriger Mann im grauen Anzug, gibt uns einen Überblick über die „Balkh University“. Er lobt die deutsch-afghanische Zusammenarbeit, insbesondere die Rolle Deutschlands beim Wiederaufbau.
„Deutschland kann uns helfen, denn wir sind ein starkes Land“ sagt er. „Wir sind vielleicht nicht das stärkste Land, aber das zweitstärkste können wir sein“. Zusammenarbeit mit Deutschland gibt es im Bereich der Pharmazie und der Wirtschaftswissenschaften. Man arbeitet über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Deutschland zusammen. Etwa 200 Lehrer und Studenten sind schon ausgetauscht worden nach Deutschland, allerdings von der Universität in Kabul. Von Mazar waren bislang erst zwei Lehrer „draußen“, und zwar der Vizepräsident der Uni und ein Landwirtschaftsfachmann. Der Rektor selbst war jetzt auch in Deutschland, um Kontakte zum DAAD aufzunehmen. An der Reise beteiligt waren Lehrer von acht afghanischen Universitäten. Man hatte in Deutschland eine richtig große Rundreise vorbereitet, so dass die Afghanen mit vielen Universitäten in Kontakt kamen. Man hat Zusammenarbeiten im Bereich der Stomatologie vorgeschlagen, man fängt in der nächsten Zukunft mit eigenen Ausbildungsgängen an, die an deutsche Ausbildungsgänge angeglichen sind. Man hat ein spezielles Interesse an Sicherheitstechnik und Kriminalistik merkwürdigerweise.
„Die Tatsache, dass ihr hier seid zeigt uns, dass ihr mit uns zusammenarbeiten wollt“ sagt der Rektor augenzwinkernd. Die Universität arbeitet seit 17 Jahren. 4.000 Studenten sind eingetragen. Es ist noch eine junge Universität. Acht Fakultäten: Medicine, Literature, Oeconomics, Political Science, Agriculture, Islamic Religion, Education.
Wir unterbrechen kurz, weil das Lokalfernsehen dazu kommt, um von unserem Besuch mit dem „member of German Parliament“ zu berichten.
300 Mitarbeiter der „academy staff“ hat er, berichtet der Rektor weiter. Viele davon müssen jedoch tagsüber arbeiten und können erst abends „Studium machen“, weil sonst das Gehalt nicht reicht. Im Balkh-District gibt es noch eine zweite akademische Einrichtung. Es gibt eine Zusammenarbeit mit Journalisten-Fachschulen. Man hat auch einen Publikationskurs, der von den Studenten selbst gemacht wird. Es gibt eine Zusammenarbeit zwischen Dozenten und Studenten im kulturellen Bereich: man macht Literatur zusammen, musiziert zusammen, macht Gedichte gemeinsam. Zwischen 18.000 und 20.000 Bücher unfasst die Bibliothek. Es gibt auch ein aktives Komitee für Umweltentwicklung.
Man gestaltet eine ganze Reihe von Konferenzen von der Universität aus.


Es gibt ein gewaltiges Problem an der Hochschule: man hat zu wenig Platz für die Studenten. Die Studenten leben unter sehr sehr schlechten Bedingungen. Sie haben nur einen minimalen Platz im Wohnheim: die Zimmer sind belegt mit bis zu 16 Betten. Keine Air Condition, kein Strom, damit auch keinen Zugang zu Laptop und Internet! In dieser Hitze und dann mit fünfzehn Leuten auf dem Zimmer, das ist Horror. Aber die Studenten sind freundlich!
Dem Rektor ist bewusst, dass man beim Aufbau der Uni in Konkurrenz steht zu den anderen Bereichen der Gesellschaft, die aufgebaut werden müssen. Man muss um die wenigen Mittel kämpfen. Man will jetzt von der Regierung 600 Morgen Land kaufen, um zu erweitern. Man ist zuversichtlich, mit den Regierungsautoritäten voran zu kommen, um erweitern zu können. Man erwartet auch von den deutschen NGOs Hilfe bei diesen Projekten an der Uni. Die Uni ist noch nicht ans Internet angeschlossen, Bücher braucht man auch. Alle vorhandenen Bücher sind geschenkt. Die Hochschule hat kein Budget für Bücher. Man will deshalb Kontakt zu anderen Ländern aufnehmen, damit man endlich auch wirkliche und authentische Informationen über das eigene Land herausgeben kann in die internationalen Informationskanäle. Dafür wäre Internet wichtig. Unsere Frage nach einem fest einplanbaren staatlichen Budget ergibt, dass der Uni zwar Geld zusteht, das bisher aber nicht angekommen ist. Man hat eine Menge Bürokratie und Schriftwechsel mit der Regierung in Kabul deswegen. Die Uni hätte Interesse, auch Deutsch zu unterrichten, aber es fehlt an den Lehrern. Wenn man einen neuen Studiengang eröffnen will, muss man wenigstens drei Lehrer dafür haben.
Ich frage, ob es ausländische Investoren hier gibt, mit denen die Universität kooperieren könnte. Der Rektor fragt in die Runde seiner Kollegen: „Gibt es hier eigentlich ausländische Unternehmen?“ Die Runde sieht sich ratlos an. Es gibt nur die Hilfsorganisationen. Einen Partner in Deutschland hat die Universität trotz großer Rundreise auch noch nicht. Zwei Punkte scheinen mir wesentlich: die Uni braucht dringend Zugang zum Internet und sie braucht eine Partneruni!
Wir schauen uns kurz in der Bibliothek um: alles ziemlich abgegriffene, alte und geschenkte Bücher, etwa 18.000 Bände. Man hat kein Geld, um neue zu kaufen.
Heute ist Prüfungstag an der Hochschule. Schriftliche Prüfungen stehen an. Wir gehen noch ein paar Schritte durch das Haus, um die Atmosphäre dieses Hauses aufzunehmen. Dann verabschieden wir uns.
Sultan will uns zur ISAF bringen. Es soll hier ein Büro geben. Wir suchen, fragen. Schließlich stehen wir vor einem schwer bewachten Gebäude. Sultan verhandelt. Ein Bote geht hinein, kommt wieder, fragt nach, geht wieder. Jetzt bringt er einen jungen Enlgänder mit, der sehr reserviert fragt, was wir hier wollen. Wir erklären ihm, dass wir an allen Informationen aus und über die Region interessiert sind. Als er „German Parliament“ hört, wird er freundlicher, zeigt Interesse und bittet uns schließlich hinein.
Meine Filme und die Kamera muss ich draußen lassen. Der Mann mit der Kalaschnikow wird die Filme bewachen. Nie hatte ich so gut bewachte unbelichtete Filme….“
Heute, am 8. März 2011 stelle ich diesen Bericht ins Netz und frage mich: was ist geschehen seither? Damals gab es noch keine deutschen Soldaten in der Nordregion. Im Kanzleramt hatte man damals gerade mit Überlegungen begonnen, 200 deutsche Soldaten zur Verstärkung der Briten in den Norden zu schicken. Ein Staatssekretärskollege bat mich um die Fotos von meiner Reise, damit man die Soldaten vorbereiten könne….Damals galt der Norden als die sicherste Region des ganzen Landes. Heute: ist es eine der gefährlichsten Regionen des ganzen Landes geworden. Und die Zivilbevölkerung beginnt immer stärker, gegen die „fremden Soldaten “ zu revoltieren, gerade gestern gab es sogar eine Demonstration in Kabul. Die vielen zivilen Opfer des Krieges, die toten Kinder vor allem, und die Wirkung dieser Unglücke in den afghanischen Familien haben dazu beigetragen.
Einen link zur Universität finde ich immer noch nicht. Deshalb füge ich wenigstens diesen link hier ein, der noch einige zusätzliche Eindrücke aus der Heimat Zarathustras bereit hält.
Und dann: finde ich doch noch einen Hinweis zum Thema Universität und Internet: die Hochschule lädt für den April 2011 zu einem Literatur-Workshop über Pashto-Literatur ein, denn die Literatur sei „mit das Wichtigste, das man der jungen Generation mitzugeben habe“.
Etwas über Bildung, Schulstifte, Gastfreundschaft und so’n Zeug. Aus Marmol. Das liegt in den Bergen….
Vom Tee will ich erzählen. Und vom klaren Wasser. Von Schulstiften und dem lachenden Buddha von Marmol. Weil wir grade über muslimische Kultur sprechen.
Wer mit Dr. Rupert Neudeck reist, sollte irgendwelche Hotels vergessen. Wer mit ihm reist, lernt Land und Leute wirklich kennen. Denn er geht in Orte, in die sich sonst keiner traut….
Daß wir durch Minenfelder fahren würden, sagte man uns erst hinterher, als wir wieder heil zu Hause angekommen waren….
In meinem Reisetagebuch vom 24. Juli 2003 habe ich folgendes notiert:
Wir wollen ins Gebirge. Die Fahrt beginnt wie immer morgens hektisch. Sultan fährt, als sei der Scheiitan hinter im her. Heute zeigt er uns, dass man im Kreisverkehr auch mal links herum fahren kann, wenn man abkürzen will.
Erst müssen wir in die Stadt, um weitere Begleiter mit ihrem eigenen Jeep in den Troß aufzunehmen. Später werden wir noch einen ortskundigen Führer abholen. Wir sind zu den Dörfern unterwegs. …Wir fahren tatsächlich querfeldein zwischen den Dörfern und fragen unterwegs immer mal, ob das Gelände minenfrei ist. Die Bauern beruhigen uns: „hier ist geräumt. Gerade vor acht Wochen sind sie hier durch.“

Wir machen Halt in einem Dorf in der Ebene von Gori Mor. 5.000-6.000 Einwohner hat der Ort. Davon 1500 Kinder. 374 Kinder in der Schule.
Das ganze Dorf hat nur an zwei Tagen in der Woche Wasser, aber auch das ist nicht zuverlässig so.
Die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal.
Insbesondere die Kinder nehmen das Wasser zum Baden und auch zum Trinken.
Seuchengefahr überall.
Es gibt zwar ein neues Schulgebäude im Ort mit vier Schulräumen, aber es fehlen fünf weitere – weil sie so viele Kinder hier haben.
Dieses Flüsschen hier auf dem Bild – das muss genügen. Für 6.000 Menschen und ihre Tiere. Zweimal pro Woche.
Aber wir wollen weiter. Wir wollen in die Berge.
Die Fahrt nach Marmol
ist so ziemlich das Abenteuerlichste, das ich bisher auf den Auslandsreisen erlebt habe. Die Wege hören bald hinter dem Dorf auf. Wir hatten extra einen „Spezialisten“ aus dem Dorf mitgenommen, damit er uns den Weg zwischen möglichen Minenfeldern zeigen konnte. For dieser Fahrt hatte sogar Sultan Sorgenfalten….

Wir fahren also die ausgetrockneten Flusstäler bergauf, „fahren“ auf dem „Schotter“ des Flussbettes.
Wir machen Rast in einer Klamm, die im Frühjahr 4mannhoch vom Schmelzwasser durchschossen wird. Hier kommt man eigentlich nur noch mit Eseln voran. Die Wege werden steiler und steiler. Aber die Fahrer schaffen es irgendwie. Tadsh und seine afghanischen Freunde. Und der ortskundige Führer kennt die Stellen, wo es geht.
Weit weit oben erreichen wir einen Ort: Marmol.
Wir kommen überraschend. Man ist nicht eingestellt auf Gäste. Dennoch bittet uns der Direktor der Schule in den Garten. Es ist etwa vierzehn Uhr am Nachmittag. Wir leben wie im Paradies: jetzt, nach diesem exorbitanten Aufstieg in die Berge sitzen wir unter dem kühlen Nussbaum beim wunderbaren schwarzen Tee und reden mit dem „lachenden Buddha von Mar Mol“ über seine Schule. Es ist ein wunderbarer Platz: Wir sind wie in einer anderen Welt. Grün ist es ringsum! Sehr gutes Wasser hat man hier. Deshalb schmeckt der Tee vorzüglich. Nie habe ich solch exquisiten Tee getrunken.
Wir sitzen und reden mit dem Schuldirektor, einem sehr dicken, großen, autoritären aber sehr freundlichen und herzlichen Menschen, Abdul Satar Palwan. Ich nenne ihn für mich den „Buddha von Marmol.“ „Vor 63 Jahren wurde hier die Schule gebaut“, erzählt er. Es ist die einzige Schule in der Region. 1000 Schüler hat man. Es ist eine Mittelschule bis zur neunten Klasse. „Die Lehrer, die hier arbeiten, sind eigentlich keine Lehrer, sondern machen das nebenberuflich“. Wir hörten schon in anderen Orten von sol chen Umständen. UNICEF war zwar schon hier, hat drei Zelte und ein paar Lehrmittelkoffer dagelassen. „Die werden nicht wiederkommen“ meint Rupert. „Sie haben ihre Aufgabe erfüllt: Zelte sind aufgestellt, Koffer mit Lehrmaterial sind abgeliefert….“. Man überlegt, ob man eine Mädchen- und eine Jungsschule gründet, aber es hängt natürlich alles an verfügbaren Mitteln.
Nun wird der Tee serviert, man reicht Bonbons dazu, Süßigkeiten müssen sein zum Tee. Rupert gefällt der Ort. Er fragt genauer nach, was hier möglich wäre. Bisher hatte man zehn Räume in einer insgesamt großen Schule. Durch die Kämpfe jedoch hat die Schule stark gelitten. Allein 500 Mädchen aus der Region gehen hier zur Schule. Weil die Räume nicht reichen, kann man nur im Sommer unterrichten, da helfen die Zelte. Im Winter wird die Schule geschlossen, weil er dann keine Möglichkeit mehr zum Unterricht hat. Im November macht man zu, im März wieder auf. Rupert wird immer neugieriger und fragt, wo man hier Baumaterial kaufen könne. Das geht in Mazar i sharif. Von dort muss man alles herauschaffen in die Berge.
Wir fragen nach den Panzern, die wir am Wege gesehen haben. Herr Dostum und sein Kollege General, Herr Bossum, haben sich hier oben gezankt, erfahren wir, deshalb lägen die alten Tanks hier noch im Gebirge herum. ISAF hat die Zänkereien beendet. Der Ort liegt genau im Grenzbereich zwischen beiden Warlords. Rupert sagt seinen Spruch: „Wir haben noch nie etwas versprochen, ohne es zu halten“, aber man merkt, er würde gern was versprechen….Das Baumaterial also könnte man von Mazar aus hier heraufbringen.
Es ist wirklich ein traumhafter Ort. Herrlichstes Quellwasser steht zur Verfügung. Der Geschmack des Tees verrät es.

Man hat es auch im Ort gesehen: die Kinder sind wesentlich sauberer als in anderen Dörfern. Man hat schlicht mehr Wasser, um die Kinder zu waschen!
Rupert sagt: „Ihr werdet bald Nachricht von uns bekommen. Wenn wir kommen, dann müsst ihr uns einen Raum zur Verfügung stellen und wir müssen mit den Behörden zusammenarbeiten etc. etc.“. Es deutet vieles darauf hin, dass er sich im Grunde schon entschieden hat. Wir fragen weiter. Wie ist es mit der Gesundheitsversorgung? Vor einem Jahr ist hier ein Medizinraum errichtet worden. Er ist nicht ständig besetzt. Doktor und Krankenschwester gibt’s hier auch nicht. Die sind im Moment in Mazar i Sharif.
Was ist mit Telefon? Kommunikation nach Mazar gibt es nicht: kein Telefon, kein Fernsehen, kein Radio. „Hier leben nur glückliche Menschen“ denke ich mir. Es gibt ein spezielles Handwerk zur Turbanherstellung im Ort. „Es gibt gutes Handwerk im Ort“ sagt der dicke lachende Buddha von Marmol nicht ohne Stolz. Aber: im Winter ist man hier oben völlig abgeschnitten. Dann kommt man höchstens über ein paar schwierige Pässe mit den Maultieren raus oder in den Ort.
Eigentlich hat der Ort auch gutes Obst. Aber im letzten Winter waren so starke Fröste, dass viel kaputt gegangen ist. Die Menschen des Dorfes sind hier auch alle im Dorf geboren, denn die Entfernungen zum nächsten Krankenhaus erlauben keine Außerhausgeburten. Man hat Generatoren im Ort für den Strom. „Deshalb kann man auch Video gucken“, lächelt der Buddha. Also doch nicht nur glückliche Menschen…..
Wir versuchen, die Informationen zu verdichten. Wir fertigen auf einem Zettel eine Liste der Orte der Umgebung an und fragen sie einzeln nach den Daten ab: Einwohnerzahl, Schulräume usw. So verschaffen wir uns eine Übersicht, was in der Region los ist. „Die erste Statistik dieser Gegend“ meint Rupert. „Ich bin sicher.“
Die Gegend ist einfach grandios. Über 250 Meter erheben sich die Steilwände der Felsen in den Himmel. Es ist wie ein gewaltiger Wall rund um den Ort. Insgesamt 10.000 Schüler, davon 3.000 zwischen sieben und zehn, leben in der Gegend.

Als ich hier meine mitgebrachten Stifte verteilen will, macht der Buddha einen herrlichen Witz: Ich hatte ihm schön Packung um Packung herüber gereicht. Auch die losen Stifte. Schließlich langt er zu mir herüber und nimmt mir auch noch die Tüte aus der Hand, stopft alle Stifte wieder hinein und meint: „das ist ja eine nette Geste lieber Freund. Aber wir können dich hier nicht weglassen mit so wenig Stiften. Das reicht ja für unsere 10.000 Kinder überhaupt nicht. Wir halten dich jetzt solange hier, bist du so viel angeliefert hast, dass es für die Kinder reicht.“
Ja, so werden wir es machen. Ich bleibe hier, und die anderen müssen noch mehr Stifte besorgen. Soll sich doch das Auswärtige Amt drum kümmern, daß sie ihren Abgeordneten wieder ins Parlament zurück bekommen…..
Ein praktischer Mann, der sich für seine Kinder ins Zeug legt, nicht wahr. Er arbeitet mit 45 Kollegen, „nicht alles Pädagogen…..“.
Jetzt, abends um sechs sitzen wir wieder an unserem Platz in Mazar i Sharif im Elternhaus von Tadsh und Sultan.
Wir haben die Fahrt gut überstanden, nachdem wir eine Stelle überqueren mussten, die sehr danach aussah, als könnten da Minen liegen. Sultan raste mit dem Jeep über diese Stelle: „Wenn wir schnell drüber fahren, erwischen sie uns nicht, wenn sie hochgehen“ war seine Hoffnung. Alles lief gut. Weiter unten dann hatte er sich zu weit rechts gehalten. Die anderen mussten uns wieder über ein Stück Niemandsland auf den richtigen Weg lotsen. Auch das ging gut.
Ich hatte einen Fehler gemacht.
Vorgestern hatte ich mal einen kleinen Wunsch geäußert: gern würde ich mal über den Bazar gehen, um eine Kleinigkeit zum Mitbringen zu erstehen.
Jetzt sehen wir das Ergebnis dieses Fehlers: Im Quartier hatte man uns im Hof wunderbare Geschenke ausgebreitet: einen kompletten afghanischen Anzug, den nehme ich für B. mit und ein Kleid und eine Mütze und solche Sachen und eine ganze Discothek mit afghanischer Musik. Wir sind sprachlos über soviel Großzügigkeit…..
Das Essen, man isst sitzend auf dem Fußboden ist einfach: zwei Flaschen Cola, Melonen, Fladenbrot, ein wenig Gemüse.
Später erfahre ich Folgendes: wenn ein afghanischer Bauer 15 Stunden am Tag seine Feldarbeit macht (bei einem Anmarsch zu Fuß von bis zu drei Stunden und entsprechendem Weg zurück inclusive gerechnet), verdient er umgerechnet einen Euro.
Eine Flasche Cola kostet jedoch ungerechnet 1,50 Euro.
Was da also vor uns steht: ist fast ein Wochenlohn! Ich bekomme ein Gefühl dafür, was im Islam Gastfreundschaft ist. Es ist ein sehr hohes Gut. Der Gast genießt den Schutz des Gastgebers.
Deshalb waren wir nie wirklich in Gefahr. Wir hatten die Gastfreundschaft von Tadsh, Sultan und seiner Familie.
Ich werde davon in Deutschland erzählen, wenn sie wieder anfangen zu diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Ich werde ihnen dann vom Gebot der Gastfreundschaft erzählen, das im Islam gilt…..
Vielleicht können wir ja etwas lernen, vom lachenden Buddha von Marmol und seinen 10.000 Kindern …..
Etwas über Pünktlichkeit, Sauberkeit und guten Service – ein Beitrag zum Thema „Leitkultur“. Aus Afghanistan
Einige Deutsche loben sich ja gern. Und preisen etwas, das sie „deutsche Leitkultur“ nennen. Dazu gehören – ihrer Meinung nach – Pünktlichkeit, Sauberkeit und guter Service.
Hier schicke ich ein Foto.

Und einen Text aus dem Jahre 2003. Von einer Unterrichtsstunde am frühen Morgen – in Afghanistan:
Freitag, 25. Juli 2003
Zwei Uhr fünfzehn. Wir haben unter einem prächtigen Sternenhimmel geschlafen.
Als ich ins Bad gehe, sehe ich, was Gastfreundschaft noch sein kann: da liegen sechs der Afghanen, die gestern zum Feiern gekommen waren, damit sie uns heute früh auch noch verabschieden können. Sie liegen im wärmsten Raum des Hauses, damit die Gäste draußen an der frischen Luft liegen konnten. Sie haben sich zwei Ventilatoren angemacht, für die aber der Generator nötig war, der die ganze Nacht lief – und teuren Diesel verbrauchte.
Es ist so dunkel in der Stadt, dass man sogar die Milchstraße sehr gut sehen kann. Es ist ein wunderschöner Sternenhimmel jetzt gegen Morgen. Die Grillen zirpen noch. Bald wird es hell werden. Meine Sachen sind gepackt. Ich bin wie so oft morgens mal wieder der Erste und habe Zeit, den aufsteigenden Morgen zu genießen. Um drei Uhr wollen wir starten. Wir gehen über einen anderen Grenzübergang zurück. Vorher müssen wir allerdings noch die katastrophale Strecke nach Kunduz zurück, die nach den ersten knapp 190 Kilometern Teerstraße auf uns wartet. Aber nach dem Trip gestern in die Berge, der ja nun wirklich „outdoor“ war, wo wir ausgetrocknete Flussbetten hochgefahren sind an Stellen, wo es keinen Weg mehr gab – nach dieser Glanzleistung unserer Fahrer gestern – müssten wir heute den Weg nach Kunduz und danach über die Grenze ganz gut gewältigen. Wir werden die Fahrt geradezu genießen….
Wir halten am frühen Morgen an einer Raststätte in Rabotak Kauk, wo man ein Frühstück bekommen kann. Es ist Viertel vor sechs am Morgen.
Nebenan die Kfz-Werkstatt. Wir wollen ein Glas schwarzen Tee trinken und etwas frühstücken. Die Männer wechseln währenddessen den Reservereifen, der uns auf der Herfahrt kaputtgegangen war. Martin hat Gelegenheit für Fotos. Es war eine wunderschöne Fahrt in den Sonnenaufgang hinein. Allerdings in einem unglaublichen Tempo, wie wir das von den Jungs mittlerweile aber schon gewöhnt sind. Es ist traumhaft hier. Nette, freundliche Menschen, die sofort aufstehen und Platz machen, weil sie sehen, daß die Fremden frühstücken wollen.
Dieses Land ist beeindruckend: uralt, sehr arm, einfach, schlicht, sehr fleißig und sehr gastfreundlich.

Nun bringt man den Tee und das Essen: frischen Shashlyk vom Lamm und frischen schwarzen Tee.
Das Essen ist vorzüglich.
Noch ein Lehrstück über „Kundenfreundlichkeit“, wie wir im Westen sagen würden: wir hatten noch keine zehn Minuten hier gehalten, da war die Holzkohle bereitet, das Shashlyk gebraten, der Tee gekocht, der Essplatz gedeckt. Keine zehn Minuten! In Deutschland wäre nach zehn Minuten früh Viertel nach sechs vielleicht ein müder Kellner erschienen, um eine Speisekarte zu bringen….
Die Afghanen sind unglaublich schnell in diesen Dingen. Wir sind so blitzschnell bedient worden – mir soll keiner mehr was erzählen von Kundenfreundlichkeit in Deutschland! Sie sind unglaublich schnell und aufmerksam bei der Bedienung, sehen schon von weitem, wenn man kommt, ob man auf einen Tisch zusteuert: schon wird sicherheitshalber die Holzkohle vorbereitet. Dann müssen die Spieße bereitet werden, dann müssen sie gebraten werden. Alles frisch zubereitet. In Deutschland heißt’s immer: „es dauert etwas länger, wir machen die Sachen frisch“….Hier auch! Aber hier geht’s wirklich fix.
Und der Essplatz ist blitzsauber.
Je länger ich in diesem schönen Land unterwegs bin, um so nachdenklicher werde ich.
Das Gerede von der „deutschen Leitkultur“ wirkt einfach lächerlich in diesem alten Kulturland…..(aus meinem Reisetagebuch „The war is over – der Krieg ist vorbei“. 2003).
Im Jahr 2011 nun beginnt ein Innenminister eine Debatte um die Frage, ob der Islam „zu Deutschland gehöre“. Ich sage dazu: es wäre gut, wenn wir mehr solcher Gastfreundschaft hätten, wie ich sie in Afghanistan erlebt habe. Es wäre gut, wenn wir mehr solcher Großzügigkeit in Deutschland hätten, wie ich sie hier im Lande erlebt habe.
Es würde unserem Land gut tun. Ich habe nirgends auf der Welt – und ich war in sehr vielen Ländern dieser schönen Erde – eine solche herzliche Gastfreundschaft und so guten Service gefunden wie in Afghanistan. Die Menschen geben das Wenige, das sie haben. Aber sie geben sehr großzügig. Ich werde später davon berichten….
Meine Begegnung mit dem Islam ist vor allem eine Begegnung mit wundervollen Menschen.
Der neue Innenminister hat erneut eine Debatte begonnen. Ob der Islam zu Deutschland gehöre.
Natürlich gehören Menschen muslimischen Glaubens zu Deutschland, denn es gibt sehr viele deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens.
Ein Besuch in Berlin und anderen Städten zeigt es überdeutlich.
Man mag Politikern bei ihren öffentlichen Äußerungen Interessen unterstellen. Zumal in Wahlkampfzeiten. Doch das interessiert mich nicht wirklich.
Mich interessieren die Menschen muslimischen Glaubens.
Schön während des Studiums gehörte die Beschäftigung mit dem Islam zur Ausbildung. Wir hatten – als einzige Fakultät der ostdeutschen Universitäten – in Jena das Fach vergleichende Religionswissenschaft. Das war ein großer Gewinn. War doch vier Jahre Zeit für ein ausgiebiges Studium nichtchristlicher Religionen, ihrer Geschichte, Theologien und Strömungen. Ein wichtiger Beitrag für mehr Verständnis. Sind doch religiöse Fundamentalismen in allen Religionen oftmals Grund für fürchterliche Kriege und Auseinandersetzungen gewesen.
Später dann bin ich Muslimen begegnet. Erst bei den „Grünhelmen“, als ich mit Aiman Mazyek in Kontakt kam, der als Mitglied des Zentralrats der Muslime die wichtige interreligiöse Aufbauarbeit der Grünhelme unterstützt. Wir sind nun schon etliche Jahre befreundet.
Dann, im Jahr 2003, war ich in Afghanistan.
Als ich die Reise vorbereitete, war schnell klar, ich wollte nach Balkh. Der Ort liegt westlich von Kunduz.
Balkh ist ein uraltes spirituelles Zentrum.
Dshellaludin Rumi soll dort zur Schule gegangen sein.
Ich habe in einem eigenen blog-Beitrag auf diesen großen Poeten hingewiesen.
Der Besuch in Afghanistan liegt nun schon etliche Jahre zurück – und doch ist mir die Begegnung mit zwei Menschen dort in besonderer Erinnerung geblieben. In meinem Reisetagebuch habe ich damals folgendes festgehalten:
23. Juli 2003.
….Wir laden frische Getränke und fahren hinaus aufs Land in die Region von Balkh. …Neben Mekka und Medina ist Balkh ein wichtiges religiöses Zentrum für den ganzen Islam. Eine besondere Stätte. Manche Historiker glauben, Balkh sei älter als Jericho (von Jericho nimmt man ca. 10.000 Jahre an)….Am Straßenrand sehen wir bald die ersten historischen Festungsanlagen, die noch aus der Zeit von „Mister Dshingis Khan“ stammen, wie sich unser Begleiter Sultan ausdrückt. Wir betreten uraltes afghanisches Gelände, das schon viele Jahrtausende gelebter Geschichte hinter sich hat. Ein Kraftort.
…Wir nehmen uns Zeit für diesen besonderen Ort. Wir haben noch zwei Führer mitgenommen, die man für diese Tour extra für uns besorgt hat. Auf diesem Gelände braucht man Fachleute für Spiritualität.
Wir halten im Zentrum des Ortes und betreten einen großen Park, der mit alten Bäumen bestanden ist. Man sieht eine kreisrunde Allee, die von unserem geraden Weg geschnitten wird. Die Wege laufen in der Mitte in einer großen Wasseranlage zusammen.
Wir bewegen uns unter großen alten Bäumen, etliche Platanen darunter, die mit Sicherheit hundertfünfzig, zweihundert und mehr Jahre gesehen haben. Der Ort hat eine alte Handwerkstradition. Man ist aus der ganzen islamischen Welt, selbst aus Konya und anderen entfernten Orten hierher gekommen, um hier ein gutes Handwerk zu lernen.

Wir stehen vor der Moschee. Ziehen die Schuhe aus. Betreten den halbdunklen Raum. Einige Männer knien im Gebet. Wir setzen uns hinter der Schwelle im Eingangsbereich der uralten Muhammad Parsa Moschee in Balkh zu den beiden Alten, die hier Frühstück machen und hören, was sie uns zu berichten wissen.
Der eine Alte sitzt seit 15 Jahren hier. Er lebt in der Moschee. Von früh vier Uhr vom ersten Gebet bis abends neun Uhr zum letzten Gebet des Tages. Dann kommt die Nachtwache. Hodshar Boswhar Delee heißt der alte Mann, so jedenfalls verstehe ich seinen Namen.
Der Alte erzählt, das Gebäude sei über 1000 Jahre alt. „Die Menschen in der Region glauben, dass hier das Fundament der Welt zu finden ist“, übersetzt uns Tadsh. „Ich habe nicht genug Kenntnis, um Ihnen all die Daten und Zeiten zu erklären“ sagt der Alte. „Aber hierher kommen viele Leute, die haben Fragen zum Gebet. Da kann ich ihnen antworten.“
Vielleicht ist das ja auch wichtiger als die Geschichte der Architektur dieses Gebäudes? Vielleicht findet man deshalb hier die „Fundamente der Welt“, weil hier ein Alter sitzt, der den Menschen ihre Fragen zum Gebet beantworten kann? Wer weiß das schon. Alahu akbar, Gott ist größer als unsere Vorstellungskraft.
Und dann steigen wir hinab in den Raum unter der Moschee, nur mit einem Feuerzeug als Leuchte. Wir finden einen runden Raum, dessen Decke von nur einer Säule getragen wird, ein Raum mit wunderbarer Akustik. Eine alte Schule. Unsere Begleiter sind begeistert. Hier waren sie auch noch nie.
Wir schauen uns um in den Räumen, lassen uns Details erklären, so gut die Alten antworten können, dann gehen wir hinaus zur Grabstätte der Rabecha Balkhi gleich gegenüber dem Eingang der Moschee. Rabecha Balkhi ist die vielleicht berühmteste unglücklich Liebende, die bekannt ist in der ganzen islamischen Welt. 1045 ist sie gestorben. Durch ein weinziges Fensterchen sollen wir hinabklettern in das Grab. Es ist beeindruckend. ….
Wir verabschieden uns von den Alten, durchqueren den Park und fahren weiter hinaus aufs Gelände der alten Festung.
Wir treffen einen denkwürdigen Mann.
Shah Husseini Maulans Husseini nennt er sich. Er erzählt uns von Samtshi. Er sei aus dem Iran gekommen, „um hier zu leben und zu bleiben“ wie er sagt. Er hatte oft von Samtshi geträumt, sagt uns der Mann. Der Traum sei immer wieder gekommen. Er hatte deshalb seinen Vater gefragt, was diese Träume zu bedeuten hätten. Und sein Vater, selbst ein religiöser Mann, hatte zu ihm gesagt: „folge deinen Träumen! Geh an diesen Ort, von dem du immer träumst, dann wirst du es sehen, was der Traum bedeutet“.
Da hat er sich auf den Weg gemacht und ist seinen Träumen gefolgt.
Als er das sagt, fallen mit Personen aus dem Alten Testament ein. Menschen, die ihren Träumen gefolgt sind. In den Träumen spricht Gott – das ist altes Wissen aller Religionen. Im Abendland fordert man junge Leute zwar auch auf: „folge deinen Träumen“, aber das sagen halbherzig Menschen, die ihre Träume selbst längst verloren haben …. Der hier hat sich ganz konkret auf den Weg gemacht.
Zu Fuß: Vom Iran ist er gekommen.
„He is happy for praying and he like ist, to stay here“ übersetzt uns Tadsh.
Shah Husseini zeigt uns seine Schlangen und Skorpione, die er in Gläsern hält. Er öffnet ein Glas, lässt sich einen Skorpion über die Hand laufen. Nimmt ihn auf die andere Hand, wechselt wieder in die eine. Wie harmlose Tierchen lässt er sie über die Hände klettern. Er will uns sagen: schaut her, sie tun mir nichts, so stark ist der Glaube.
Er erzählt uns, Samtshi sei vor 3000 Jahren gestorben. Und doch habe er immer wieder von ihm geträumt. Nun sei er also seinem Traum gefolgt und habe nach einem sehr langen Fußmarsch vom Iran bis hierher nach Balkh „seinen Platz“ im Leben gefunden.
Mit gefällt der Mann. Er ist ein glücklicher Mensch. Man merkt es ihm an. Dieser Mann ruht völlig in sich.
….Was ich so beeindruckend finde, ist, dass hier ein wirklich „frommer“ Mann vor uns steht. Der lebt, was er glaubt. Außer einem Brunnen und einer kleinen Lehmhütte hat er nichts.
Er hat von diesem Ort geträumt, als er noch im Iran lebte. Er hat geträumt, daß er an diesen Ort gehen solle. Und er hat sich auf den Weg gemacht, ist gekommen von weit her – und er ist glücklich.. Ein wenig schmutzig ist er zwar, vielleicht auch etwas sehr schmutzig, aber glücklich und sehr authentisch.
Wir sind nun auf dem riesigen Gelände der alten Balkh-Festung weitergefahren an einen anderen Ort, an dem ein anderer frommer „Wächter“ lebt. Je weiter wir voran kommen, je mehr Gespräche wir führen, um so seltsamer wird unseren afghanischen Begleitern zu Mute. Unsere beiden westlich orientierten Afghanen kommen erheblich ins Rätselraten, wie es denn sein könne, dass die Zahnschmerzen bei einem Menschen weggehen, nur wenn da oben bei dem Iraner ein Nagel in den Holzstamm an der Grabstelle geschlagen werde. Das sei doch alles fauler Zauber. Denen ist das alles nicht recht geheuer, sie haben Zweifel, ob man uns hier nicht einen Bären aufbindet.
Tadsh, Sultans Bruder, sieht das anders.
Er steht sehr aufmerksam und offen an diesen heiligen Stätten und spricht stille Gebete.
Ich sage zu Rupert: „Schau, hier hast du beide möglichen Reaktionen auf erlebte Spritualität. Beide so alt wie die Religion selbst. Die einen sagen: alles Spinnerei. Der andere steht und spricht sein Gebet.“
Wie fahren weiter und treffen einen alten, vielleicht siebzigjährigen Mann, der in einer einfachen Grashütte lebt und eine Grabstätte bewacht.
Mit ihm leben zwei kleine Kinder, ein Junge und ein schlafendes Mädchen, drei oder vier Jahre alt vielleicht, der Junge vielleicht fünf oder sechs. Wir schauen uns die Grabstelle an.
Ich frage den Alten, warum die Kinder nicht in der Schule sind. „Es gibt hier keine Schule“ sagt der Mann. Wir reden noch ein paar Worte, dann bitten unsere Begleiter ihn um ein Gebet. Er spricht ein Gebet für uns und wir verabschieden uns. Mich beeindruckt diese einfache, selbstverständliche Art, mit der dieser Mann für die wildfremden Menschen, die für einen winzigen Moment in seinem Leben auftauchen, ein Gebet spricht.
Wir ziehen weiter an einen anderen Ort auf dem Gelände: auch hier wieder eine Grabstelle. Mir fällt auf, dass auch an diesem zweiten Ort sehr große alte Bäume stehen. Heilige Orte und uralte Bäume – das gehört zusammen. Solche Plätze gibt es überall auf der Welt. Solche Plätze kennt man im Hinduismus, alte Bäume an heiligen Orten kennt man im Judentum, solche Orte kennt das Christentum. Dies hier muss unter den besonderen Orten ein ganz besonderer Ort sein: die Bäume sind besonders alt. ….Rupert und die anderen reden mit dem Wächter. Seit fünfzig (!) Jahren arbeitet er hier am Grab, sagt uns der alte Mann. 65 Jahre sei er alt und seit fünfzig Jahren sei er hier an diesem Platz. Viele Kinder kommen und staunen uns an. Mustafa Tarib heißt er. „Er kennt seinen Geburtstag nicht“ übersetzt uns Sultan. Aber anhand des uralten Ausweises, den der Mann aus seinem Überwurf hervornestelt, können wir errechnen, wie alt er ist.
„Das ist alles, was ihn identifiziert“ sagt Rupert Neudeck mit einem besonderen Ton in der Stimme und plötzlich sind sie wieder da, die Flüchtlingsschicksale, von denen Rupert so viele gesehen hat: man hat sie mit bloßen Händen aus dem Wasser gezogen aufs Deck der CAP ANAMUR, häufig haben sie nur noch einen solchen Wisch, der den Behörden zeigen kann, dass sie wirklich geboren wurden und ein Recht haben zu leben ……“
Diesen uralten „Ausweis“ zeigt uns der Mann, der gar nicht lesen und schreiben kann.
„It’s no birthday – it’s no death – so leben hier die Menschen“ übersetzt uns Sultan. „Wer keinen Geburtstag hat – kann auch nicht sterben.“
….Wir sehen die Reste der Schule, die Dshallaludin Rumi besucht haben soll. Wir klettern auf ihr herum, machen Fotos. Wir haben ein wunderbares Motiv, das in einem einzigen Bild das Thema unserer ganzen Reise zusammenzufassen in der Lage ist: wir stehen auf einer Schule, die deutschen „Humanitären„, der junge afghanische Geschäftsmann, der bewaffnete Wächter, die jungen Leute, die früher gekämpft haben gegen die Taliban.
Dieses Foto wird zum Titelbild für jenes kleines Bändchen, in dem ich den Reisebericht aus dem Jahre 2003 niedergelegt habe. Damals schien es überdeutlich: „Der Krieg ist vorbei“. Damals gab es noch keine deutschen Soldaten in Kunduz. Nur ein kleines britisches Team, das wir besucht haben.
Seither aber wächst die Gewalt.
Die Zahl der zivilen Opfer steigt.
In Deutschland fragt ein Minister in diesen Tagen aus durchschaubaren innenpolitischen Gründen, ob der Islam zu Deutschland gehöre….
Ich kann nur sagen: ich wünsche der Diskussion in Deutschland sehr die Weisheit der Sufis, die wir in Balkh getroffen haben. „Alahu akbar – Gott ist größer als unsere Vorstellungen“.
Wenn wir diesen klugen Satz in unseren Herzen trügen, würden manche Debatten einen bescheideneren Ausdruck finden.
Wir könnten lernen, daß wir zusammen gehören.
Religionen sind nur verschiedene Wege zum Gipfel.
Es ist gut, daß auch in Deutschland Menschen muslimischen Glaubens leben.
Sie gehören zu uns und wir gehören zu ihnen.
Denn wir sind allesamt nur Wandernde.
Wir streiten vielleicht über den richtigen Weg zum Ziel.
Und viel zu oft schlagen wir uns dabei gegenseitig die Köpfe ein, statt uns gegenseitig zu stützen.
Es wäre besser, wenn wir uns gegenseitig stützen würden: denn das Ziel der Wanderung ist ein gemeinsames…..
Geheime Kommandosache – das Parlament weiß nichts. Was weiß Guttenberg?
Selbst die Obleute der Fraktionen werden nicht über die KSK und die amerikanische Task Force 373 informiert. In der Bundestagszeitschrift „Das Parlament“ konnte man es lesen.
Die Abgeordneten dürfen sich nicht mal Aufzeichnungen machen, wenn sie „informiert“ werden. Sie werden offensichtlich sogar vom Minister verspottet.
Was hat es auf sich mit der deutschen Sondereinheit KSK und der amerikanischen Sondertruppe Task Force 373?
Wer die Task Force 373 ist, hatte der „Spiegel“ berichtet. Es ist eine Sondereinheit, die eingesetzt wird zum „gezielten Töten“ von „Taliban“. Man muß dazu wissen, daß Soldaten oft darüber klagen, daß sie „Taliban“ gar nicht von normalen „Zivilisten“ unterscheiden können. Es gibt zwar „Abschusslisten“, an denen offensichtlich auch deutsche Stellen beteiligt sind. Aber ein Abgeordneter, der genau herausfinden will, wie denn nun genau die Zusammenarbeit zwischen deutscher KSK und amerikanischer Task Force 373 im militärischen Alltag „funktioniert“, beißt auf Granit.
Das Parlament wird dumm gehalten.
Heute erschien ein Artikel in der „Welt“, wonach sogar der Chef der NATO im Jahr 2009 nicht „über die größte Militäraktion seit dem Vietnamkrieg“ informiert worden ist.
Eine geheime Kommandosache also.
Nun hat das Parlament die Fortsetzung des Afghanistankrieges beschlossen. (Ich verwende das Wort „Krieg“, weil es sogar von der Kanzlerin und dem Verteidigungsminister benutzt wird).
Aber das Parlament weiß ganz offensichtlich, weil nachlesbar, nicht, was da eigentlich wirklich vor sich geht.
Nun „arbeitet“ die amerikanische Task Force 373 nicht irgendwo, sondern im Norden Afghanistans. Also im Zuständigkeitsbereich der Deutschen.
Deshalb ist die Frage dringlich: Wie sieht die Zusammenarbeit von KSK und Task Force 373 im Alltag in Nordafghanistan tatsächlich aus?
Die fragenden Abgeordneten werden hingehalten.
Der Minister verspottet sie sogar.
Ich stelle deshalb hier die Frage: Was weiß Verteidigungsminister zu Guttenberg über eine Zusammenarbeit der deutschen KSK und der amerikanischen Task Force 373?
Es besteht Aufklärungsbedarf.
Denn heute sind schon wieder 3 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.
In Nordafghanistan.
Sie wurden von einem afghanischen Soldaten mitten im deutschen Camp erschossen…..