Aufbrechen zu einem neuen Lebensstil. Die evangelische Kirche und der Klimaschutz. Ein Beitrag aus Österreich

Aufbrechen zu einem neuen Lebensstil. Die evangelische Kirche und der Klimaschutz. Ein Beitrag aus Österreich

19 Monate Arbeit stecken in dem nun vorgelegten und von der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich beschlossenen 13 seitigen Grundsatzpapier. Worum geht es? Es geht darum, eine klar verständliche theologische Begründung für konkretes Handeln der Kirche beim Klimaschutz zu formulieren. Das ist auch notwendig, denn in Zeiten, in denen Klimaschützer überall auf der Welt zunehmend kriminalisiert werden, werden auch in so mancher Kirchgemeinde Stimmen laut, das alles ginge die Kirchen nix an, das sei politisch und habe „mit dem Glauben nix zu tun“. Das Gegenteil ist richtig. Schöpfungsglaube führt zwingend zum Einsatz für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit und ist nicht ein „nice to have“, dem man folgen kann oder eben nicht.

Dieser Zusammenhang wird im vorgelegten theologischen Grundsatzpapier durchdekliniert, erklärt und zur Grundlage für Teil zwei der großen Bemühungen: die Evangelische Kirche in Österreich arbeitet an einem eigenen, sehr konkreten Klimaschutzkonzept, das etwa im Juni des kommenden Jahres verabschiedet werden soll. Denn: man will nicht nur reden, was andere tun sollen, sondern man will selber, im eigenen Verantwortungsbereich, konkret und engagiert voran gehen. Das alles ist ein überaus löbliches Unterfangen. Bischof Michael Chalupka hat mich nun gebeten, mir das von der Generalsynode gerade beschlossene paper etwas genauer anzuschauen und meine Eindrücke zu schildern, das will ich in wenigen Strichen gern tun.

  1. Das papier stellt die Evangelische Kirche in Österreich und ihre Bemühungen um Klimaschutz klar in einen internationalen Kontext. Der Hinweis auf ein zentrales Dokument zum Klimaschutz vom Ökumenischen Weltrat der Kirchen bei seiner Tagung in Seoul 1990 stellt den Zusammenhang ebenso her wie der Hinweis auf den Beschluss des ÖRK vom September diesen Jahres unter dem Titel „Der lebendige Planet: Streben nach einer gerechten und zunkunftsfähigen weltweiten Gemeinschaft.“ Wer beide international abgestimmten Papiere aufmerksam liest, erkennt den großen Vorteil, der in der ökumenischen Arbeit möglich wird: der Blick über den engen eigenen „Tellerrand“.
  2. Es ist ein ehrliches, zunächst „nach innen gerichtetes“ Papier, das sich an die eigenen Mitglieds-Gemeinden wendet. Diese Ehrlichkeit sagt mir sehr zu, weil im Kontext von Forderungen zum Klimaschutz zu gern zu viel geheuchelt wird. Man liest Sätze wie: „Als europäische Kirche müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir zu jenem Teil der Weltbevölkerung gehören, der seit langer Zeit mehr natürliche Ressourcen in Anspruch nimmt, als ihm zustehen, und undankbar verschwendet, was doch gerecht zu teilen wäre.“ (S. 4). Oder man liest: „Wir wollen aus der Hoffnung leben. Aber die von uns selbst als Menschheit verursachte Lage der Welt macht es schwer, Hoffnung zu finden.“ (S. 5). Nun allerdings kommt den Evangelischen in Österreich ihre eigene Geschichte zu Hilfe. „In Gestalt von Beharrlichkeit war die Hoffnung ein besonderer Schatz in der Geschichte unserer Kirche ohne den wir heute gar nicht da wären: Evangelische haben in den Jahrhunderten des Geheimprotestantismus an ihrem Glauben festgehalten, obwohl sie äußerlich durch nichts dazu ermutigt wurden.“ Das ist gut biblisch, das entspricht alttestamentlicher Erfahrung. Das trägt. Beharrlichkeit ist der Auftrag. Beharrlichkeit ist der Anfang der Hoffnung. Tue, was dir aufgetragen ist.
  3. Nach 6 Seiten lesenswerter theologischer Begründung wird es schon sehr konkret, auch das gefällt mir sehr.
    Haben doch derlei Papiere nicht selten den Nachteil, daß man die Konkretion im Bezug auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten vergeblich sucht. Anders hier. Hier kann man Ehrgeiziges lesen, ganz offensichtlich schon mal ein kleiner Vorgriff auf das für den Juni erwartete Klimaschutzkonzept der Evangelischen Kirche. Man liest: „Umkehr tut not. Wir sind gefordert, in eine neue Lebensweise aufzubrechen“. (S. 7)
    Was heißt das konkret?
    „Wir wollen nach Kräften die Arbeit am Klimaschutzkonzept unserer Kirche unterstützen und mittragen. Mit aller Kraft wollen wir unsere selbst gesetzten Ziele verfolgen – also möglichst bis 2035 klimaneutral sein, bis 2030 alle Ölheizungen ersetzt haben, bis 2035 alle Gasheizungen, bis 2025 auf 100% Ökostrom umgestiegen sein sowie die Energiebuchhaltung und Energieberatung vorantreiben.“ (S. 7/8).
  4. Das lässt sich hören. An dieser Stelle aber eine kleine nachdenkliche Anmerkung zum Begriff der „Klimaneutralität„. Prof. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und seine Kollegen machen immer wieder deutlich, daß dieser Begriff irreführend und riskant ist. Weil CO2 sich in der Atmosphäre summiert, gibt es keine echte Klimaneutralität. Worum es gehen muss, ist, die Emissionen auf NULL zu senken, das ist häufig nicht im Blick. Man rechnet sich stattdessen lieber „klimaneutral“ etwa nach dem Motto: die Emissionen, die ich nicht vermeiden kann, die muss ich kompensieren (in dem ich z.B. eine Summe X für Aufforstungen zur Verfügung stelle), die Emissionen bleiben der Atmosphäre bei solchem Denken aber dennoch „erhalten“. Deshalb ist das Ziel einer „Klimaneutralität“ bis wann auch immer kein gutes Ziel. Besser und klarer wäre es zu sagen: wir wollen mit unseren eigenen Emissionen bis dann und dann auf NULL sein. (Ein „Rest“ wird immer „kompensiert“ werden müssen. Levermann und andere fordern deshalb auch CO2-entziehende Technologien).
  5. Implementierung.
    Papiere wie das vorgelegte haben nicht selten ein schweres Schicksal: sie werden mühsam erarbeitet (in unserem Falle über 19 lange Monate) – und verschwinden dann in einem Regal. Dem vorgelegten und von der Synode der Evangelischen in Österreich beschlossenen Papier möge ein solches Schicksal erspart bleiben. Deshalb muss man jetzt genau schauen, wie man es gut und dauerhaft in den Kirchgemeinden und Superintendenturen und Kirchlichen Werken so implementiert, daß es angesichts der immer anstehenden Tagesaufgaben nicht gleich wieder aus dem Blick gerät. Ein etwa halbjähriger Implementierungsprozess (Regionalveranstaltungen) bis zur Verabschiedung des in Arbeit befindlichen Klimaschutzkonzepts könnte da eventuell sinnvoll sein.
  6. Summa: Glückwunsch an die Evangelischen in Österreich! Da ist ein gutes Stück Arbeit gelungen. Man darf gespannt sein auf Teil 2.

Zeit der Abschiedsreden. Von 379 ppm zu 421 ppm.

Zeit der Abschiedsreden. Von 379 ppm zu 421 ppm.

16 Jahre Angela Merkel neigen sich. Heute (24.6.2021) hat sie im Bundestag ihre vermutlich letzte Regierungserklärung abgegeben (morgen beginnt der Europäische Rat). Gestern hat sie vermutlich zum letzten Mal als Kanzlerin in der Regierungsbefragung Rede und Antwort gestanden.
Angela Merkel ist derzeit die dienstälteste Kanzlerin Europas. Vier Regierungen hat sie geführt; aus ihrer ersten Kanzlerschaft kenne ich sie noch, damals war ich Parlamentarischer Staatssekretär.
Gestern hat sie in der Befragung zu ihrer klimapolitischen Bilanz zu Protokoll gegeben:

„Wenn ich mir die Situation anschaue, kann kein Mensch sagen, wir haben genug getan.“ Dann hat sie noch hinzugefügt: „Die Zeit drängt wahnsinnig. Ich kann die jungen Leute in ihrer Ungeduld verstehen.“

Das ist einerseits sehr ehrlich. Andererseits so etwas wie eine klimapolitische Bankrotterklärung.
2005 hatte die Welt eine CO2-Konzentration von 379,2 ppm CO2
2021 waren es am 8. April katastrophale 421 ppm.
Trotz aller Konferenzen, Papiere, Erklärungen, Expertenanhörungen und Gipfel – der CO2-Wert ist stark gestiegen, Methan und Lachgas sind noch gar nicht eingerechnet.
Daran ist nicht die Kanzlerin schuld, aber sie hat einen nicht geringen Anteil daran, denn sie hat als Chefin der stärksten Volkswirtschaft Europas einen nicht geringen Einfluss darauf, was Europa in Fragen des Klimaschutzes unternimmt.

„Es war zu wenig“ hat sie bilanziert. Das ist ehrlich und diese Ehrlichkeit ehrt sie.
Aber es zeigt uns eben auch sehr ernüchternd, wie wenig Politik – selbst bei gutem Willen – zu leisten in der Lage ist angesichts der tagesaktuellen Katstrophen, Epidemien, Währungskrisen und Wirtschaftskonflikte.
Diese Einsicht nun macht unsere Lage in Klimafragen auch nicht wirklich besser.

Eines wird deutlich, wenn man auf diese Kanzlerschaft zurückblickt: man kann Kanzlerschaften in Gipfeln oder Konferenzen oder Regierungsjahren messen – oder aber in ppm CO2.
Wir müssen Letzteres tun, dann wird schlagartig klar, in welcher schwierigen Lage wir sind.
Klar wird zudem: wir dürfen die Überlebensfrage Klimawandel nicht der Politik allein überlassen.
Zu welchen Ergebnissen man da kommt, können wir ja an den Messwerten in Mauna Loa ablesen: innerhalb von 16 Jahren von 379,1 ppm auf 421 ppm. Mit solchen Messwerten lässt sich schwer diskutieren.

Frau Merkel tritt nun ab.
Neue rücken nach.
Nochmal 16 Jahre klimapolitisches Versagen haben wir nicht.
Beim Weltklimagipfel 2018 in Kattowice hat uns die Wissenschaft ins Stammbuch geschrieben: wir haben noch zehn Jahre, um das Ruder herumzureißen und auf einen Pfad der CO2-Senkung (2050 müssen die Emissionen auf NULL sein) zu kommen.
Davon sind vier Jahre verstrichen, die Emissionen sind gestiegen. Es bleiben noch etwa sechs Jahre, wie das Mercator-Institut in Potsdam auf seiner CO2-Budget-Uhr eindrücklich nachweist, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, liegt aber nur noch bei deutlich unter 10 Prozent und nimmt täglich weiter ab.

Entweder es gelingt in den kommenden sechs Jahren, also innerhalb der nun bald beginnenden nächsten Legislatur – oder aber die Welt steuert auf Prozesse zu, die weder politisch noch ökonomisch mehr beherrschbar sein werden.

Haben Sie ein Telefon? Gut, damit lässt sich arbeiten

Haben Sie ein Telefon? Gut, damit lässt sich arbeiten

Die Tagespolitik ist mit Corona beschäftigt. Ich bin in freiwilliger Quarantäne, habe also Gelegenheit mich um das große Thema Klimaschutz zu kümmern und zu überlegen, was ich beitragen kann, damit die zahlreichen Wahlen, die in diesem Jahr auf uns zukommen, Fortschritte im Klimaschutz bringen.
Klar ist: wir brauchen angesichts der Lage deutlich mehr Abgeordnete in den Parlamenten, die sich wirklich engagiert für Klimaschutz einsetzen. Denn die täglich veröffentlichten Messwerte und Befunde verheißen nichts Gutes. Solche Abgeordnete gibt es in allen Parteien, außer der AfD, denn die hat sich klar gegen Klimaschutz ausgesprochen.

Was also kann jetzt im Januar getan werden?
Man kann sich 1. zunächst einen Überblick verschaffen, zu welchem Bundestagswahlkreis mein Wohnort gehört. Dann kann man sich 2. – online natürlich – bei den jeweiligen Parteien erkundigen, wer inzwischen nominierter Wahlkreiskandidat (-in) ist und sich eine kleine private Liste mit den Telefonnummern, Mail Adressen etc. anlegen 3. Kontakt zu den KanditatInnen aufnehmen (per Telefon oder mail oder Post oder wie auch immer). 4. sind die Kandidaten zu befragen. Diese Fragen können sorgfältig, vielleicht sogar in einer kleinen privaten Wählerinitiative vorbereitet werden. Unser Netzwerk Fuer-unsere-Enkel.org hat sich bei allen zurückliegenden Wahlen auch als solche Wählerinitiative verstanden, die ihren Beitrag dazu geleistet hat, dass das Thema Klimaschutz immer weiter auf der Prioritätenliste nach oben gerückt ist. Da unser Netzwerk europäisch (vor allem Deutschland, Österreich, Schweiz) arbeitet, haben wir, je nach Wahltermin, verschiedene Schwerpunktzeiten. Diesmal nun ist vor allem Wahlzeit in Deutschland, die Termine sind bekannt.

Die „neuen Medien“ geben uns bei der Vorbereitung der Wahlen gute neue Möglichkeiten an die Hand. Vorstellbar sind zum Beispiel online-Kandidaten-Befragungen durch eine private Wählerinitiative, die man anschließend in den jeweiligen Netzwerken verbreiten und so für mehr Klarheit sorgen kann. Oft wird ja geklagt, man kenne die Kandidaten gar nicht – dem kann man ja abhelfen. Die Bundestagswahl ist im September. Wir haben also genügend Zeit, uns vorzubereiten.

Eins noch: die mittlerweile (seit 2017) https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bundestagswahl-senioren-erstmals-groesste-waehlergruppe.7fa8b7a7-d281-490c-82f2-d53ca5415c87.html wichtigste Wählergruppe ist die der Gruppe der ab 55-Jährigen. Sie ist wahlentscheidend.
Wenn diese Gruppe für ihre Kinder und Enkel wählt und diejenigen unterstützt, die sich wirklich glaubwürdig für engagierten Klimaschutz einsetzen – dann ist die Wahl gelaufen.

Es ist an der Zeit, dass die Eltern und Großeltern für ihre Kinder und Enkel entscheiden.