Der unsichtbare Fünfte- die Folgen der Bundespräsidentenwahl


Manch einer täuscht sich. Er glaubt, die Menschen im Internet gäbe es nicht wirklich. Nur, weil man sie nicht sieht.

Diese Täuschung hat ihre Folgen.
Denn: Unabhängig vom Ausgang der Wahl ist die gewaltige Bürgerbewegung, die sich über das Internet für ihren Kandidaten organisiert hat, real vorhanden. Zehntausende Menschen. Mit ihren Rechnern und Handys.

Sie sind zu einer fünften Gewalt im Staate geworden. Nicht mehr nur Legislative und Exekutive, nicht mehr nur Justiz und Medien bestimmen, was in dieser Republik gedacht und entschieden wird, sondern, da ist nun jener unsichtbare Fünfte beteiligt, der von Tag zu Tag an Einfluss gewinnt. Wie mächtig das Internet werden kann, konnte man beispielhaft an der Kampagne für Joachim Gauck ablesen.
Heute können wir noch nicht wissen, wie morgen die Wahl ausgeht.
Davon unabhängig können wir aber bereits sehen, daß sich unsere Demokratie stark verändert hat.
Denn mit den Möglichkeiten des Internets wächst die politische Kreativität – über die Möglichkeiten von Parlament und Regierung hinaus.
Was liegt näher als die Annahme, daß sich künftig bei hoch umstrittenen Fragen die Menschen in diesem Land in höherem Maße als bislang beteiligen werden?
Das Instrument ist ja nun erprobt.
Man hat Erfahrungen gesammelt.

Es tauchen neue Fragen auf:
Wie wird sich das Verhältnis von Sichtbarkeit auf der Straße und unsichtbarem politischen Einfluss über das Netz gestalten?
Werden sich die klassischen Demonstrationen ebenso verändern wie es die Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess durch die direkten Möglichkeiten von facebook, twitter  & co bereits tut?
Noch hat so mancher Vertreter der „alten“ Politik gespottet, man „sehe“ ja die Menschen aus dem Netz gar nicht auf den Straßen.
So, als gäbe es sie gar nicht.
Doch: weit gefehlt.
Nie hat es in der Geschichte dieser Republik eine größere Bürgerbewegung für einen Kandidaten gegeben, die in so überaus kurzer Zeit, ohne „Apparat“ der etablierten Parteien ausgekommen ist und sich selbst organisiert hat.
Wird die „alte“ Politik, die von klarer Aufgabenteilung zwischen für eine Legislatur Gewählten und dem Wahlvolk unterscheidet, an diesem Punkt neue Möglichkeiten eröffnen? Die online-Petitionen des Bundestages weisen in diese Richtung.
Die Wahl des Präsidenten hat beispielsweise die Frage nach der Rolle der Verfassung, nach der Bedeutung des Grundgesetzes in ungeahnter Schärfe wie ein Menetekel an die Wand geschrieben: „Wie hältst du’s mit dem Grundgesetz?“

Und die Wahl des Präsidenten hat eine weitere Frage unübersehbar auf die Agenda gelegt: wie ist es mit der direkten Demokratie in unserem Lande?
Sind wir zufrieden mit der parlamentarischen Demokratie, wie wir sie tagtäglich erleben? Getrieben von Rücksichten und parteitaktischen Spielen, nicht zuletzt von Machttaktik geprägt? Oder wollen die Menschen, daß mehr Kreativität und Bewegung einzieht in unsere Demokratie, mehr Glaubwürdigkeit und argumentative Klarheit statt Parteit- und Machttaktik?

Die fünfte Macht im Staate – die unsichtbaren Menschen, die sich im Netz verknüpfen, hat sich in bislang nie gehörter Klarheit zu Wort gemeldet.
Sie kommuniziert sehr eng mit den klassischen Medien in Funk, Fernsehen und print. Das verstärkt ihren Einfluss.

Aber sie selbst ist auflagenstärker als das größte politische Magazin.

Und diese fünfte Macht ist schwerer einzuschätzen und zu kalkulieren, als es Chefredaktionen oder Fraktionsvorstände jemals waren.
Das macht die Sache so spannend.
Denn die Meinungsbildungsprozesse im Netz verlaufen nach anderen Gesetzen als die Meinungsbildungsprozesse in der alten Republik.
Ein Neues ist hinzugetreten.

Wir alle sind Lernende.
Die Menschen zu Hause oder auf der Straße, die mit ihren Laptops und Handys politisch arbeiten, haben diese Veränderungen vielleicht schneller begriffen, als so mancher, der im politischen System alt geworden ist.
Auch das wird sich ändern.
Ein neues Zusammenspiel von Legislative, Exekutive, Justiz, Medien und Netz muß und wird sich herausbilden.

Die Bundespräsidentenwahl war nur der zarte Beginn dieser spannenden Entwicklung.

Bundespräsidentenwahl – oder ein Kapitel über die Angst


Die Wahl ist frei und sie ist geheim.
Und dennoch versuchen Parteiobere, den Wahlmännern und -frauen Angst zu machen. Angst ist jedoch ein schlechter Ratgeber.

Es brodelt im Lande.
Es wird spekuliert über den Ausgang der Wahl und die Folgen.

Dabei geht es lediglich darum, das Amt des Präsidenten durch eine freie und geheime Wahl neu zu besetzen.

Ein Kandidat steht zur Verfügung, der weit über alle Parteigrenzen hinweg große Anerkennung findet. Joachim Gauck.
Und doch regiert die Angst: die FDP Bundestagsfraktion lädt den Kandidaten, den sie selbst mit höchsten Ehren ausgezeichnet hat, nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch ein.
Der Landtag in Niedersachsen verweigert dem Kandidaten einen Raum, damit er sich im Landtag vorstellen kann.
Parteispitzen, voran die Generalsekretäre, versuchen, Einfluss auf die Wahlmänner und -frauen zu nehmen. Sie versuchen, die freie und geheime Wahl in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Eine Zählmehrheit in der Bundesversammlung soll durchgepaukt werden – weil man Angst hat. Angst vor den Folgen einer Wahl. Angst jedoch ist ein schlechter Ratgeber. Angst macht kleine Augen (Joachim Gauck).

Entlarvend ist für mich der Umstand, daß insbesondere die Parteien, die sonst in ihren Sonntagsreden das Wort „Freiheit“ stets im Munde führen, nun mit der Angst versuchen, Politik zu machen.

Wie werden sich die Wahlmänner und -frauen am 30. Juni verhalten?
Wir wissen es nicht, denn die Wahl ist geheim und sie ist frei. Niemand ist an das Votum eines Vorstandes gebunden. Die Delegierten sind allein ihrer Überzeugung verpflichtet.

Was wir wahrnehmen können ist der Umstand, daß diejenigen, die sich gegen Koalitionszwänge vor der Wahl aussprechen, „Probleme“ bekommen von ihren Parteioberen. So geschehen in Sachsen und Thüringen, so geschehen in Bremen.
Parteitaktik gegen freies Mandat.

Wahlgesetz gegen Parteistrategie.

Freies, mündiges Mandat gegen Parteienkungelei.

Die Wahl zum Bundespräsidenten am 30. Juni wird so zu einem Lehrstück. Sie wird zu einem Lehrstück über die Freiheit des Mandats; sie wird zu einem Lehrstück über den Mut des frei gewählten Abgeordneten. Sie wird ein Lehrstück über das Thema Civilcourage.

Wieviele Abgeordnete werden der Angst folgen?
Wieviele Abgeordnete werden ihrem Gewissen folgen?
Wieviele Abgeordnete werden frei und souverän nach ihrem Gewissen entscheiden?

„Niemand hat das Recht zu gehorchen“ sagt Hannah Arendt. Jeder ist aufgefordert, Eigenverantwortung zu übernehmen für das Gemeinwohl.

Die Deutschen hatten mit dem aufrechten Gang in schwierigen Zeiten immer ihre Probleme.
Oft waren es nur Minderheiten, die ihren freien Willen gegenüber einer scheinbaren Mehrheit durchsetzten.

Wenn das aber geschah, waren es Sternstunden in der Geschichte der Deutschen.

Der Fall der Mauer, der Untergang der Diktatur durch aufrechte Bürgerrechtler, die vor allem mit ihrer Forderung nach freien und geheimen Wahlen den Stein zum Rollen brachten ist so eine Sternstunde. Gern wird in Sonntagsreden an jene aufrechten Frauen und Männer gedacht, die sich nicht einschüchtern ließen.

Nun, am 30. Juni, wird Gelegenheit sein, sich dieser großen freiheitlichen Tradition der jüngeren deutschen Geschichte wieder zu erinnern.
Wieder wird die Frage sein: Du Abgeordneter, wie hältst Du es mit der freien Wahl? Folgst du deinem Gewissen oder folgst du deiner Obrigkeit? Läßt du dich von der Angst regieren oder vom freien Mandat?
Du, Abgeordneter: das Wahlgesetz garantiert Dir, daß dein Abstimmungsvotum geheim bleibt. Die Wahlen sind frei. Und sie sind geheim.

Wirst du trotzdem deiner Angst folgen?

Oder wirst du auf die vielen Zehntausende Menschen hören, die einen frei gewählten Bürgerpräsidenten Joachim Gauck zu ihrem Präsidenten wollen?

Du, Abgeordneter: höre auf dein Herz. Besinne dich auf dein freies Mandat. Laß die Angst los. Geh aufrecht.

Das Land wird es Dir danken.

Demonstrationen und Internet – wie das Netz die Demokratie verändert


Etwas Enttäuschung ist zu spüren im Internet.

Bei der ersten Demonstration von Bürgern für Joachim Gauck auf der Straße in Berlin waren die Erwartungen hoch. Von „Montagsdemonstration“ war die Rede. Ein aufgeladenes Wort.
Über die sozialen Netzwerke war dazu eingeladen worden, doch dem Aufruf waren nicht viele Menschen gefolgt.

Über mögliche Gründe wurde sofort spekuliert:
die kurze Vorbereitungszeit – könnte ein Grund gewesen sein.
Die Tatsache, daß die Menschen gerade lieber Fußball schauen – könnte auch ein Grund sein.

Der Umstand, daß nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern die Bundesversammlung die Wahl zu entscheiden hat, könnte ein wesentlicher Grund gewesen sein.

Vielleicht aber liegt es auch an der Klugheit der Menschen?
Sie wissen, daß die Bundesversammlung entscheidet.
Und sie wissen, daß es darauf ankommt, um jede einzelne Stimme in der Bundesversammlung zu werben.

Wenn man also per mail, per Telefonat, per Brief, per social web die Möglichkeit hat, direkt mit den Wahlmännern und -frauen in Kontakt zu treten – weshalb sollte man sich dann noch an einer Demonstration beteiligen?

Die Frage entsteht: verändert das Internet auch die klassischen Formen, in denen sich Bürgerwille in der Vergangenheit kundgetan hat?

Es könnte sein.
Die Menschen können sehr viel direkter an ihre Abgeordneten herantreten.

Sie können große Menschenmassen zusammenführen, auch wenn man sich nicht auf einer „Demonstration“ im klassischen Sinne trifft.

Zehntausende sind es mittlerweile, die im Netz Joachim Gauck unterstützen. Knapp 30.000 sind es allein auf der facebook-Seite „Joachim Gauck als Bundespräsident“. Viele andere Gruppen und Seiten werben zusätzlich dafür, daß Joachim Gauck als parteiloser Kandidat zum Bürgerpräsidenten gewählt wird.

Der Wille in der Bevölkerung tut sich nicht mehr nur in Demonstrationen kund.
Er zeigt sich auch an der Mitgliedschaft in entsprechenden Gruppen in den Netzwerken.
An der Müdigkeit in der Bevölkerung liegt es nicht – die Unterstützergruppen für Joachim Gauck wachsen immer weiter.

Das Land verändert sich.
Die Demokratie verändert sich.
Sie verändert auch das Verhalten der Menschen auf der Straße.

Vielleicht haben wir heute ein Beispiel dafür erlebt?

Ich wünsche allen folgenden Demonstrationen für Joachim Gauck trotz der veränderten Möglichkeiten, die das Internet bietet, viele Teilnehmer.

Bundespräsidentenwahl – ein Kapitel über die Kultur im Internet


Nun haben wir glücklicherweise von den Griechen nicht nur eine Währungskrise bekommen. Sondern auch die Demokratie.

Wer hat’s erfunden? Genau! Nicht die Schweizer.
Auf der agorá – dem öffentlichen Platz – wurde sie eingeübt.

Debatten um Zeitfragen, Diskussionen um politische Fragen – z.B. ob ein Krieg geführt, oder wie man wählen sollte; was die beste Staatsform sei oder woran man einen guten Redner erkennen könne – sie waren öffentlich.
Fanden „auf dem Marktplatz“ statt. Auf der agorá.
Die agorá wurde so geradezu zum  Merkmal der pólis, der mündigen Stadt.

Heute ist die agorá größer geworden.
Wenn heute diskutiert wird, dann können Menschen aus verschiedenen Städten und Orten der Welt, egal, ob sie gerade in der S-Bahn sitzen oder zu Hause sind, ob sie gerade unterwegs sind im Ausland oder auf der Terrasse beim Kaffee sitzen, daran teilnehmen.

Die Demokratie verändert sich dramatisch. „Griechenlandkrise“ II.
Manche sprechen von einer „elitären Web 2.0 Blase“, andere verstehen, daß der antike Marktplatz nur ein wenig größer geworden ist und nutzen seine Chancen.

Die Chance zum Austausch der Meinungen.
Die Chance, das eigene Argument zu prüfen am Argument des anderen.
Die Chance, zu lernen; neue Einsichten zu gewinnen.

Man kann natürlich auch zum Marktplatz gehen und lediglich sein Plakat hochhalten.
Auf dem dann steht: „Bin gegen….“ oder „Bin für…..“.
Dieses Plakat hält man in die Luft, trägt es deutlich sichtbar vor sich her – aber bleibt eigentlich stumm.
Man kann aber auch argumentieren üben; kann Überlegungen abwägen; kann neugierig sein auf die Art und Weise, wie andere Menschen auf dem Marktplatz die Welt sehen und verstehen.

Gestern hatten wir auf dem Markt eine, wie ich fand, sehr interessante Diskussion über die Frage, ob man einen Bundespräsidenten direkt wählen sollte vom Volk.
Fast achtzig Diskussionbeiträge wurden zusammengetragen.
Es diskutierten Menschen aus verschiedenen Städten miteinander.

Und alles war öffentlich.
Eine ganze Reihe von stillen Zuschauern hörten sich an, was da diskutiert wurde und machten sich ihr eigenes Bild.
Einige gingen vielleicht gelangweilt weiter ins nächste Restaurant, um einen Schoppen zu trinken.
Wieder andere gingen weiter, weil sie noch Einkäufe zu erledigen hatten.
Andere blieben.
Und beteiligten sich am Gespräch.
Bis spät in die Nacht wurde noch diskutiert.

Debattenkultur im Internet.
Auf der agorá, dem öffentlichen Marktplatz.
Freie Bürger tauschen frei ihre Meinungen aus, lernen, hören zu, gewinnen Einsichten. Geben auch mal eine Beurteilung eines Arguments ab. Dies oder jenes sei „elitär“ oder „völlig daneben“. Es wird auch mal laut auf der agorá, wenn man sich über einen Beitrag aufregt.
Es geht zu, wie auf dem Markt.
Das gefällt mir.

Im Moment überwiegen noch diejenigen, die lediglich ihr Plakat hochhalten, über den Marktplatz laufen und den anderen Menschen auf diese Weise mitteilen, wofür oder wogegen sie gerade sind.
Es gibt auch etliche, die suchen sich andere Menschen, die ihre Ansicht teilen: die so entstehenden Gruppen, die für oder gegen etwas sind, wachsen mitunter blitzschnell.

Es ist schon mehrfach passiert, daß diese Gruppen so groß wurden da draußen auf dem Marktplatz, daß das Parlament darauf reagieren mußte.
Diese grummelnden Menschengruppen da draußen konnte man nicht länger ignorieren.

Das war eine neue Erfahrung für die Menschen auf dem Markt: sie konnten Dinge anstoßen.
Und verändern.

Die pólis (das schöne Wort Politik kommt daher), die griechische „Stadt“, ist ohne die agorá, den öffentlichen Platz, auf dem die Dinge des Lebens öffentlich miteinander diskutiert werden können, nicht denkbar. Die agorá ist geradezu das Kennzeichen der freien Stadt mündiger Bürger.

Im Moment, so scheint mir, entdecken wir diese alte Tradition des öffentlichen Meinungsaustausches auf neue Weise.
Die Bevölkerung holt sich mit Hilfe des Internets eine Möglichkeit der Demokratie zurück, die sie lange Jahre nur eingeschränkt hatte.

Zu Zeiten, in denen nur die Mächtigen reden durften: die Redakteure und Moderatoren, die Mitglieder des Parlaments oder Feldherren.
Das ist vorbei.

Der Marktplatz ist wieder geöffnet.
Der öffentliche Meinungsaustausch ist wieder möglich. Man kann wieder „zum Markt“ gehen, wenn man möchte.
Jeder kann sich beteiligen.
Kann sein Argument vortragen, kann dem anderen zuhören.
Wenn er will, kann er auch herumschreien oder andere beschimpfen, die er auf dem Marktplatz trifft.
Er wird seine Erfahrungen damit machen.

Die große Kunst der Rhetorik, der Redekunst, ist in den Zeiten der griechischen agorá entwickelt worden.
Eine Kunst, die heute leider sehr verkümmert ist.
Ein Blick in die Rede-Protokolle im Parlament genügt.

Aber der neue, schnell wachsende Marktplatz des Internets hat auch diese Chance: die Kunst des genauen Arguments kann wieder eingeübt und gepflegt werden.
Denn im Internet redet man frei und ohne Manuskript, ohne „handschriftliche“ Notiz.

Ich glaube nicht, daß diejenigen, die das web 2.0 für eine „elitäre Blase“ halten, Recht haben.
Ich setze darauf, daß die „Kultur der agorá“ auf neue Weise entsteht und gepflegt wird.
Zum Wohle der pólis, zum Besten der Stadt.

Einen Nachteil haben wir allerdings gegenüber den alten Griechen, die das Kulturgut der agorá entwickelt haben:
wenn uns jemand den Strom ausknipst, oder wenn der Rechner ein Problem hat, dann ist’s schwieriger geworden, mit dem Nachbarn oder auch dem Fremden wirklich ins Gespräch zu kommen.

Manche beklagen, das Internet sei ja „lediglich ein Marktplatz auf dem jeder, der will, sein Plakat hochhält“.
Für mich ist der Marktplatzcharakter des Internets eine Bereicherung.

Ich kann mich entschließen, „mal zum Markt“ zu gehen, um zu hören, worüber die Menschen so diskutieren.
Was sie bewegt, wie ihre Urteile sind.
Ich kann mich daran beteiligen, wenn ich möchte; kann eigene Argumente überprüfen, neue Argumente lernen.
Das gefällt mir.

Und wenn ich nicht mehr mag, dann gehe ich meiner Wege.
Auch das gefällt mir.

Das Schönste angesichts einer bevorstehenden Bundespräsidentenwahl jedoch ist: ich kann mich auf dem Marktplatz mit anderen Menschen verabreden.
Wir können gemeinsam arbeiten für den Bürgerpräsidenten Joachim Gauck.

Sehr geehrte Mitglieder der Bundesversammlung


Die Wahl eines Bundespräsidenten ist ein ganz besonderes Ereignis.
Sie findet in geheimer und freier Wahl statt.
Die Aufmerksamkeit der ganzen Bevölkerung ruht auf diesem Tag.
Denn es geht darum, einen Repräsentanten zu wählen, der hohe Anerkennung und Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Der Präsident soll das ganze Volk repräsentieren.

Deshalb bitte ich Sie:
Achten Sie den breiten Willen in der Bevölkerung, Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten zu wählen.

Joachim Gauck hat in einer Zeit, als es ein hohes Risiko bedeutete, gemeinsam mit Menschen, die der CDU oder der LDPD angehörten und mit anderen Bürgerrechtlern gemeinsam für „geheime und freie Wahlen“ gestritten.

Dieses große Erbe der Bürgerbewegung gilt es nun auch in der Bundesversammlung zu verteidigen.
Auch diese Wahl ist frei und geheim.
Sie werden in ihrer Stimmkabine allein ihre Stimme abgeben und niemand wird später identifizieren können, wie Sie abgestimmt haben.

Sehr geehrte Mitglieder der Bundesversammlung,
als Bürgerinnen und Bürger dieses schönen Vaterlandes appellieren wir an Sie, Joachim Gauck zum Bürgerpräsidenten für ganz Deutschland zu wählen.

Der parteilose Joachim Gauck genießt große Anerkennung weit über alle Parteigrenzen hinweg.
Bitte, stimmen Sie in unserem Namen für Joachim Gauck.

Joachim Gauck – Bürgerrechte gegen Establishment. Worum es bei der Bundespräsidentenwahl eigentlich geht


Es geht um geheime und freie Wahlen.
Um nicht mehr und nicht weniger.

Das „alte Denken“ hatte versucht, mit der Nominierung von Christian Wulff gleichsam schon das Wahlergebnis zur Bundespräsidentenwahl mit zu liefern. So, als stünde es fest.
Man zählte „seine“ Stimmen durch und glaubte, damit sei die Demokratie am Ende ihrer Möglichkeiten.

Nun sind aber diese Wahlen „freie und geheime Wahlen“.
Für dieses Ziel sind im Herbst 1989 die Menschen im Osten auf die Straße gegangen.

Es war eine der ganz zentralen Forderungen aus der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Bürgerrechtler standen mit dieser Forderung neben CDU-Mitgliedern, die die Bevormundung durch die SED satt hatten.
Bürgerrechtler standen mit dieser Forderung neben FDP-Mitgliedern, die endlich an die große liberale Tradition der unabhängigen Meinungsbildung wieder anknüpfen wollten.

„Wir haben es satt, daß die Oberen Wahlergebnisse vorfestlegen wollen. Wir haben es satt, daß Wahlen nur noch zu einer Farce degradiert werden. Wir wollen echte, das heißt: freie und vor allem geheime Wahlen“.

So klang es im Herbst 1989.
Und das alte System mußte weichen.

„Wir sind das Volk!“.

Bei der Bundespräsidentenwahl geht es um die Verteidigung dieses großen Erbes.

Es geht darum, daß sich die Wahlmänner und -frauen, die zur Wahl nominiert werden, an diese Tradition der Bürgerrechte erinnern – und sie mit Leben erfüllen.

Deshalb wirken auf mich die Versuche einiger Parteigeneralsekretäre schlicht lächerlich.

Man kann nicht das Wort „Bürgerrecht“ in den Mund nehmen, und gleichzeitig „die Geschlossenheit“ der Wahlmänner und -frauen bei der Abstimmung zur Wahl des Bundespräsidenten „zusichern“.

Diese Wahl ist frei und sie ist geheim.

Jeder Wahlberechtigte ist ausschließlich seinem eigenen Gewissen verantwortlich.

Mit der Wahl des Bürgerrechtlers Joachim Gauck gegen den Kandidaten des Establisments Christian Wulff geht es auch um die Frage „wie hältst du’s mit der Demokratie?“

Ich habe begründete Hoffnung, daß die Wahlmänner und -frauen auch wirklich verstanden haben, worum es bei der Wahl zum Bundespräsidenten geht.

Es geht nicht nur um eine Person, sondern es geht um die Demokratie.