Dr. Rupert Neudeck am Eingang vom Moranbong Hotel Pjönjang.
Sonntag, 15. Februar 2004

Programm:
7.30 Uhr Frühstück, ab Hotel 8.40 Uhr
Kususan Memorial Place (Mausoleum); Dr. Neudeck: Bong So Church Teilnahme an einem koreanischen Gottesdienst
Besichtigung Buddhistenkloster und Aussichtspunkt
12.00Uhr Lunch im Hotel
14.00 Uhr Besuch eines privaten freien Marktes im Neubauviertel (bitte keine Fotos und keine Interviews)
16.00 Uhr Meeting mit dem Präsidenten von APIETE, Herrn Kim Hung Rim.
18.00 Uhr Dinner hosted by APIETE.
Frau Botschafterin Doris Hertrampf hatte mit sehr viel Einsatz und in mühsamer Absprache mit den staatlichen Stellen ein gutes Programm zusammenstellen können. Da aber der Geburtstag des „Großen Führers“ am 16. Februar unmittelbar bevorstand, waren die ersten beiden Tage für Pflichttermine (Mausoleum) und für touristische Angebote gesetzt. Durch das kleine Aufzeichnungsgerät von SONY, das ich bei meinen Reisen immer als „elektronisches Notizbuch“ mitführe, konnten aber dennoch interessante Einzelheiten notiert und festgehalten werden. Ergänzt wurden diese Aufnahmen selbstverständlich durch ein schriftliches Tagebuch, das ich hier in Auszügen zur Verfügung stelle:
„Heute soll ich das Mausoleum des Großen Führers besuchen. Frau Hertrampf hat mich vorgewarnt, es könne sein, daß ich mich ins Gästebuch eintragen solle. „Na, da werde ich mal einen schönen Psalmvers hineinschreiben“ sag und sie lacht. Vielleicht schreib ich ja auch: „Hier liegt ein toter Mann und die Erde dreht sich weiter…..“
Unsere Handys sind wir am Flughafen losgeworden – gegen Quittung. Wir werden später noch mehr lernen über das Thema „Telefonieren in Nordkorea“. Im Hotel gab es gestern Abend eine erste Programmbesprechung. Mr. Kim Ki Su, der Vizepräsident der „Gesellschaft zur Förderung des Internationalen Wirtschaftlichen und Technischen Austauschs“ (APIETE) versteht kein Englisch – er tut jedenfalls so -, und ob der Herr daneben irgendwas versteht, ist völlig offen. Er lächelt jedenfalls freundlich.
Als wir abends vergeblich im Hotel nach einem Abendbrot gesucht hatten, hatte mich Rupert auf sein Zimmer eingeladen mit den Worten „ich hab noch eine Stulle von zu Hause, die können wir teilen.“ Und dann saßen wir bei ihm im Zimmer und teilten uns das Käsebrot, das ihm die Christel gemacht hatte.
Finanziell werden wir an dieser Reise auch beteiligt, haben wir erfahren. die Nacht im Hotel kostet 65 Euro, plus 40 Euro pro Tag für einen Nissan. Gestern wurden wir mit einem alten blauten Daimler geholt, dafür wollen die Koreaner 60 Euro. Dann verhandeln sie noch, ob wir nicht doch lieber ein größeres Auto wollen – wir einigen uns schließlich auf einen Kleinbus für 45 Euro pro Tag. Chronischer Devisenmangel…..
Der Tag heute gehört also der Stadt Pjönjang, denn am Vorabend des Geburtstags des „Großen Führers“ ist an politische Gespräche nicht zu denken, aber das wussten wir bereits“.
Pjönjang. Am Triumpfbogen mit Dolmetscher Pak:
Die Stadt bereitet sich auf den Geburtstag vor:

Kims Mausoleum ist riesig. Der Personenkult findet hier seinen Höhepunkt:
Im Mausoleum
„Das Auto wird abgestellt. Den Mantel soll ich im Auto lassen. Wir stellen uns auf und werden registriert. Dann gibt einer ein Kommando, wir sollen uns, ich als ausländischer Gast in der Mitte, in die erste Reihe stellen. Dann gehen wir los. Man fährt über vier viele hundert Meter lange Strecken mit einer Art Rolltreppe, ebenerdig, ähnlich den Transportbändern am Frankfurter Flughafen. Links und rechts stehen Wächterinnen, im langen Kleid, schweigend. Kein Tageslicht. Leise gedämpfte Musik. Dann fährt die rollende Treppe um die Ecke, es geht hinab, dann wieder hinauf, auch oben stehen Wächter und bedeuten uns, anzuhalten. Wir stehen. Nun ein Handwink. Wir dürfen die Große Halle betreten: an der Wand uns gegenüber das große Denkmal des Führers in Gold, die Wand hinter ihm unten knallrot und nach oben hin ins blau verdämmernd und die getragene Musik dazu. Es klingt so ähnlich wie „Unsterbliche Opfer“.
Wir stehen an einem weißen Strich vor dem goldenen Denkmal. Dann wieder ein Handwink, wir gehen nach rechts weiter, immer neben den normalen Gästen, die in nicht enden wollenden Schlangen stehen – viele tausende. Privilegierter Ausländer besucht toten Diktator.
Vor einer Luftschleuse warten. Lange Minuten. Dann wieder der Wink mit der Hand, winzig nur, aber sehr bestimmt. Ein Zischen, die Luftschleuse öffnet, wir treten einzeln hindurch und werden wie mit einem riesigen Fön von der Seite angeblasen. Kein Stäubchen soll den Raum erreichen, den wir nun betreten.
Die riesige Halle mit dem gläsernen Sarg in der Mitte.
Ich war innerlich auf den toten Stalin eingestellt. Man kennt diese Bilder vom Fernsehen. Aber nun beschleicht mich der alte protestantische Gedanke: der da liegt, ist ein wächserner dicker und sehr toter alter Mann.
Mir fallen Psalmverse ein: „Des Menschen Leben ist wie Gras und wie eine Blume auf dem Felde. Wenn der Wind darüber geht, so ist sie nicht mehr da.“ Der da liegt, ist nicht mehr da. Der da ist ein toter Götze, der wie Schneewittchen im Glaskasten liegt.
Man steht an in der Schlange und man geht ein paar Schritte, bis man genau in der Mitte vor der Fußseite des Sarges steht. Einige verneigen sich. Einige tief, andere kaum merklich. Dann geht’s an die linke Seite des Sarges, die Prozedur wird wiederholt, dann die Kopfseite, an der rechten Seite hat die Konzentration schon merklich nac hgelassen und man wird in den nächsten Raum geführt: die „Halle der Tränen“. Aber ich will genau sein: ich sehe auch den einen oder anderen sichtlich gerührt tehen. Ich sehe auch Tränen in den Augen der Menschen.
Dann also die „Halle der Tränen“. Man drückt mir ein kleines Gerät in die Hand, das ich an mein Ohr drücken soll und in dem in schepperndem Deutsch in andachtsvollem Ton auf die Trauer hingewiesen wird, die das Volk befallen hat, als der Große Führer gestorben war.
Mir fällt eine junge Frau auf, eine „Führerin“ offensichtlich, die vor einer Gruppe von Soldaten versucht, diese alte Trauer des Volks darzustellen und nachzuempfinden. Das wirkt, wenn man es schauspielerisch betratet, echt. Aber es ist dennoch alles sehr routiniert, was hier abläuft und erinnert mich an Fernsehbilder von dem, was man von den Pharaonen weiß. Hier liegt ein alter toter Pharao. Ein Gott-König.
Ich kann mir vorstellen, dass im alten Ägypten unter solchen Umständen Ähnliches vonstatten gegangen ist. Ich erlebe nun also einmal selbst, was es mit dem Personenkult auf sich hat. Nicht nur aus dem Fernsehen mit Bildern vom toten Stalin, sondern in Pyongyang im Mausoleum des „Großen Führers“. Vieles, was ich hier sehe, erinnert mich an Fenrshbilder meiner Kindheit vom toten Stalin aus den Fünfziger Jahren.
Aber auch den hier hat der Tod gefällt. Die „Sonne des 21. Jahrhunderts“ liegt da nun also in einer Glaskiste.
Man zeigt mir nun den „Saal der Orden“. In einem riesigen Raum sind all die riesigen Orden in Vitrinen aufgereiht, die man dem „Großen Führer“ in seinem Leben mal an den dicken Bauch geheftet hat.
Dann bitett man mich – Frau Botschafterin hatte mich vorgewarnt – um einen Eintrag ins Gästebuch. Ich war vorbereitet: Ich habe ein Zitat ins Buch geschrieben, Psalm 8, Vers 1:
„Herr unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen“. Wohl wissend, dass das Alte Testament einen sehr anderen meint als diesen dicken toten Mann da im Glaskasten…
Nach dem dicken Toten kommen wir wieder an die frische Luft. Es ist Vorfrühling. Wir fahren ein paar Meter, stellen uns auf zum Erinnerungsfoto gemeinsam mit dem Parteisekretär, der uns die ganze Woche über begleiten wird.
Rupert Neudeck erzählt uns seine Erinnerung an seine Begehung des Mausoleums später so:
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