Alternativen zum Krieg (7). Standard-Interview mit Dr. Reinhard Erös (Kinderhilfe-Afghanistan)


Der ehemalige Bundeswehrarzt Dr. Reinhard Erös , der es bis zum Range eines Oberstarztes gebracht hat, arbeitet im Osten Afghanistan an der Grenze zu Pakistan.
In einem Gebiet, in dem „die Taliban“ das Sagen haben. Ich hatte ihn per Mail um ein Kurzinterview gebeten.
Frau Erös schrieb mir heute:

„mein Mann musste kurzfristig nach PAKISTAN.
ich erlaube mir, Ihnen in der Anlage ein aktuelles STANDARD-Interview zum
Abdruck in Ihrer Website zu überlassen.
lieber Gruß
Annette Erös“

Deshalb sei dieses bemerkenswerte Interview mit dem STANDARD nun hier abgedruckt, denn es zeigt die Innenansicht eines exzellenten Landeskenners. Es lohnt sehr, dieses Interview aufmerksam zu lesen:

Standard: Die deutschen Politiker debattieren gerade über Abzugsperspektiven der Bundeswehr aus Afghanistan. Was würde es in ihren Augen bedeuten, wenn die deutschen Soldaten das Land verlassen?

Dr. Erös: Ob die Bundeswehr in Afghanistan bleibt oder abzieht, ist  für das  Land völlig unerheblich. Denn sie ist militärisch ein Gartenzwerg mit gerade einmal 5000 Mann im Norden, von denen nur rund ein Sechstel für militärische Einsätze aus den Hochsicherheitscamps herauskommt. Zum Vergleich: Im Südosten, wo wir mit der Kinderhilfe arbeiten, sind 100.000 Amerikaner stationiert  – mit Kampfhubschraubern, -flugzeugen und Drohnen. Nur politisch spielt es eine Rolle, ob mit Deutschland einer der großen Nato-Partner das Land verlässt.

Standard: Braucht es nicht den Schutz der Bundeswehr, um den zivilen Wiederaufbau zu sichern?

Dr. Erös: Der Großteil der deutschen Hilfsorganisationen bettelt nicht um den Schutz den Bundeswehr, sondern empfindet ihn eher als gefährdend. Unsere Erfahrung im Südosten ist: Nicht Sicherheit ist Voraussetzung für Wiederaufbau und Entwicklung, sondern umgekehrt. Unsere Projekte wie Waisenhäuser, Schulen, Krankenstationen sind nur möglich und sicher, weil wir den amerikanischen Soldaten den Zutritt verweigern. Deshalb ist auch noch nie einem unserer Schüler oder Mitarbeiter ein Haar gekrümmt worden, keine unserer Schulen wurde je bedroht oder gar angegriffen.

Standard: Wie gelingt Ihnen das? In Deutschland hört man immer wieder von Schulen die attackiert oder geschlossen werden.

Dr. Erös: Ja, aber das sind fast alles Schulen, die vom westlichen Militär aufgebaut oder «beschützt» wurden. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir bauen unsere Schulen auf Augenhöhe mit den Einheimischen. Die Regierung in Kabul und auch die deutsche Politik haben damit nichts zu tun. Wir finanzieren uns ausschließlich über private Spenden und das wissen die Menschen. Den Bau einer Einrichtungen sprechen wir ab mit den regionalen Behörden, den Stammes- und Dorfältesten, mit den religiösen und talibannahen Leuten. Erst dann, wenn ein Konsens beseht, beginnen wir. Und am Bau sind keine Firmen aus dem Ausland und keine teuer bezahlten Berater beteiligt, sondern die Einheimischen bauen die Schulen selbst.

Standard: Wie überzeugen Sie einen Talibanführer oder einen paschtunischen Clanchef vom Bau einer Mädchenschule?

Dr. Erös: Ich muss sie gar nicht überzeugen. Die kommen mittlerweile auf mich zu mit dem Wunsch, eine Schule, auch eine Mädchenschule, oder ein Waisenhaus zu bauen.

Standard: Hab ich das richtig verstanden? Die Taliban kommen zu Ihnen und sagen, sie wollen eine Mädchenschule?

Dr. Erös: Ja, das ist das Normale. Deutsche Medien tun immer so, als müsste man den Afghanen den Bau einer Schule quasi beibringen und Überzeugungsarbeit leisten, damit diese dummen, archaischen Leute den Sinn von Bildung kapieren. Aber das ist grundfalsch und entwürdigend. Wir haben vielmehr Mühe, allen Wünschen nach dem Bau von Mädchenschulen nachzukommen. Ich habe noch nirgendwo auf der Welt so einen großen Bildungshunger erlebt wie in Afghanistan. Und jedem, der sich über  das Land informieren will, kann ich nur raten in Schweizer oder englischsprachige Medien reinschauen. Die berichten wesentlich korrekter und differenzierter.

Standard: Also ist der Eindruck falsch, dass die Taliban Bildung für Frauen und Mädchen verhindern wollen?
Dr. Erös: Ja, heute ist das falsch. Man kann mit den Taliban darüber reden. Sie wollen nur keine westlichen Schulen mit westlichem Lehrinhalt, mit islamkritischen oder islamneutralen Lehrbüchern und amerikanische Soldaten als Erbauer oder Beschützer. Wenn es aber eine afghanische Schule mit afghanischen Lehrinhalten ist, gibt es mit den Taliban kein Problem.

Standard: Haben Ihre Schulen einen einheitlichen Lehrplan?

Dr. Erös: Ja, genau wie in Deutschland. Allerdings ist es oft schwierig ihn umzusetzen, denn die Qualität und Anzahl der Lehrer ist ein großes Problem, gerade in Naturwissenschaften in den gymnasialen Oberstufen. Besonders bei den Mädchenschulen ist es schwierig, Frauen als Lehrer für Physik, Mathematik und Chemie zu gewinnen. Aber der Lehrstoff ist vorgegeben vom Ministerium für Erziehung in Kabul. Dazu gehört, dass vier bis fünf Stunden pro Woche normaler afghanischer Islam unterrichtet wird. Genau wie bei uns der Religionsunterricht.

Standard: Auch in der Politik wird darüber diskutiert, mit den Taliban zu verhandeln. Für manchen in Deutschland klingt das absurd oder wie ein Einknicken. Ist es in Ihren Augen sinnvoll?

Dr. Erös: Ja, man muss mit den Taliban sprechen. Durch ihre Größer, Bedeutung und Durchhaltefähigkeit kann man sie nicht einfach übergehen. Doch die Politik hat sieben Jahre lang so getan, als wäre das möglich. Und jetzt, wo die Taliban immer stärker werden, erkennt man, dass man doch mit dem Feind sprechen muss. Aber nun ist das Problem anders gelagert: Die Taliban sehen sich auf der Siegerstraße und haben gar keinen Grund mehr, mit dem Westen zu verhandeln. Hier hat die westliche Politik, wie in so vielen Bereichen in Afghanistan, auf folgenschwere Weise versagt.

Standard: Wäre Afghanistan ohne die internationalen Truppen heute besser dran?

Dr. Erös: Viel besser. Die Voraussetzung, dass es in Afghanistan vorwärts geht, ist der Abzug der Nato und zwar so schnell wie möglich. Die westlichen Soldaten in Afghanistan sind Teil des Problems und vielleicht sogar der größte Teil.

Standard: Was wünschen Sie sich für Afghanistan, was sollte ein Ziel auch für uns in Deutschland sein?

Dr. Erös: Die Afghanen endlich nicht mehr wie Kinder zu behandeln, sondern ihnen zu vertrauen und es ihnen zu überlassen, wie sie ihre Zukunft gestalten. Außerdem dürfen wir nicht mehr auf die arroganten und korrupten Spitzenpolitiker und Wirtschaftsleute in Kabul setzen, die das Geld dann nach Abu Dhabi oder Dubai schaffen. Wir müssen endlich das Militär herunterfahren und uns um die afghanische Jugend kümmern. In dem Land sind 60 Prozent aller Menschen unter 15 Jahren. Diese Generation wird in 10 Jahren die Geschicke des Landes bestimmen. Auf ihre Bildung, Ausbildung und langfristig sichere Jobs mit menschenwürdiger Bezahlung müssen wir unseren Schwerpunkt beim Wiederaufbau legen.

Birthday im Netz – die Sache mit dem birthday click


Bei Charity:water bin ich drauf gekommen.
Diese vorzügliche Kampagne zur Versorgung vieler Zehntausender Menschen mit frischen Wasser (über ein Drittel der Menschheit hat keinen Zugang zu sauberem Wasser) fing so an: mit einer Geburtstagsmail. Der Gründer bat seine Freunde anlässlich seines Geburtstages (ich glaub, es war der 30.) um 30 Dollar Spende für den Zweck. Später folgten 31, 32 etc. pp. das ist alles auf der Homepage von charity:water schön nachzulesen.

Bei mir sind’s heute 53 Jahre geworden, ein Alter, in dem man zu Mozarts Zeiten schon zu den Uralten gehört hätte….Und: um 53 Euro für die drei von mir unterstützten Organisationen, mit denen ich seit Jahren verbunden bin, wollte ich auch nicht bitten, denn das ist ne Menge Geld.

Aber: um einen Click kann ich bitten.
Also gibt’s heute „Die Sache mit dem birthday-click“.

Ich bin sehr dankbar, daß sich Freunde im Internet daran beteiligen.
Eine kleine Notiz war schnell geschrieben mit den links zu

http://oid.org

http://www.andheri.de

http://www.gruenhelme.de

Diese drei liegen mir am Herzen. Ich kenne Dr. Rupert Neudeck seit langen Jahren. Wir waren in Afghanistan zusammen und in Tadshikistan, in Nordkorea und anderen Orten. Berühmt geworden durch seine Arbeit mit der „Cap Anamur“ jenem legendär gewordenen gemieteten Frachter, mit dem der damals junge Journalist des Deutschlandfunk mit bloßen Händen Boat-People – Flüchtlinge also, aus dem Meer gezogen hat. Viele Tausend Menschenleben hat er so gerettet. Nach dem 11. September haben wir die „Grünhelme“ gegründet als „zivile Antwort“, als Versuch, in praktischer gemeinsamer Arbeit zur Versöhnung zwischen den Religionen beizutragen.
Über dreißig Schulen haben die Grünhelme mittlerweile in Afghanistan gebaut, wir sind im Kongo, waren die ersten im Irak. Haben die erste Solaranlage nach Afghanistan gebracht, um ein Krankenhaus mit Strom zu versorgen. Die Berliner Firma SOLON hat geholfen.
Diese jungen Menschen, die für die Grünhelme mal für drei Monate ins Projekt gehen, haben mich ungemein beeindruckt. Für ein Taschengeld, eine kleine Versicherug und die Reisekosten gehen sie los. Hoch engagiert, hoch motiviert. Einfach wunderbare Menschen. Nun wollen wir nach der grossen Flut ein Projekt in Pakistan beginnen. Die Menschen brauchen wieder ein Dach über dem Kopf.

Rosi Gollmann von der Andheri-Hilfe in Bonn lernte ich 1999 kennen. Ich las von ihr im Internet, bat um einen Termin und hab sie besucht.
Als ich jene Figur an der Wand in ihrem Haus sah, die schon so viele beeindruckt hat, war ich sofort dabei: da hängt ein Corpus, eine Christus-Darstellung also. Aber: sie hat keine Hände. „Ich habe keine Hände außer Euren“ steht darunter.
Die Andheri-Hilfe hat als kleine private Initiative der Religionslehrerin Rosi Gollmann angefangen. Blindenhilfe in Bangladesh.
Mittlerweile ist die Andheri-Hilfe zu einer international hochgeachteten NGO geworden, die ländliche Entwicklung ebenso wie Frauenförderung unterstützt.
Über 1 Millionen Menschen können wieder sehen, weil die Andheri-Hilfe mit den eye-camps in Bangladesh einfache Operationen am Star ermöglicht hat. Altbundespräsident von Weizsäcker hat über diese Arbeit gemeint: „ich kenne keine effektivere Art der Entwicklungshilfe“, denn für umgerechnet etwa 30 Euro kann einem Menschen das Augenlicht zurückgegeben werden: er kann lernen, kann selbständig für sich sorgen.
Franz Alt hat die Arbeit in mehreren Filmen gut dokumentiert.

Die beiden Grandes der deutschen Entwicklungshilfe wurden ergänzt durch einen Vertreter der nächsten Generation: Stefan Knüppel

Ich lernte den CEO von opportunitiy International, Stefan Knüppel, auch übers Internet kennen. Eine Ticker-Meldung im Ministerium teilte mit, daß dieser Mann ein sehr gutes Job-Angebot in der Wirtschaft ausgeschlagen habe und stattdessen – als gelernter Banker – seine Kenntnisse der Mikrokreditarbeit zur Verfügung stellen werde. das hat mich interessiert, ich habe Kontakt zu ihm aufgenommen, wurde Schirmherr und unterstütze diese unglaublich wichtige Arbeit nun auch schon seit etlichen Jahren.
Die Mikrokreditarbeit ist 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Mit Stefan Knüppel war ich in Mosambique, um mir die Arbeit vor Ort anzuschauen. Es ist eine gute Arbeit. Menschen nicht ein Almosen zu geben, sondern einen winzigen Kredit von ein paar Dollar, damit sie durch eine kleine Investition sich und ihre Familien selbst ernähren können. Das weltweite Netz von Opportunity international betreut mittlerweile weit über 1 Million Klienten.
Nun haben wir etwas Neues vor: 100 neue trust-banks wollen wir gründen. 100 neue Kreditnehmer-Gruppen. 100 neue „Banken des Vertrauens“, oder „Banken mit Herz“, wie wir sie nennen.

Diese Drei also hab ich heute früh gepostet an meine Internet-Freunde.
Ähnlich, wie es bei charity-Water angefangen hat. Anlässlich eines Geburtstages.

Ich freue mich sehr über die Resonanz.
Die Freunde posten die Notiz weiter, helfen, daß „Die Drei“ bekannter werden.
Und tun mit wenig Aufwand etwas sehr Schönes ann diesem Tag.

Ich danke Euch allen herzlich für diese Unterstützung!
Das ist ein guter Geburtstag!