Kein Offener Brief an Frau Wagenknecht und Herrn Seehofer


Liebe Frau Wagenknecht, lieber Herr Seehofer, meine alten Ohren mussten in den zurückliegenden Tagen öfter aus Ihrem gewählten Munde die Rede vom “Gastrecht” vernehmen. Und meine alten Augen mussten davon lesen.
Sie führten unter anderem aus, dass dieses Gastrecht den Deutschen gehöre und vor allem, dass dieses Gastrecht mißbraucht werden könne.
Weshalb Sie die Ansicht vertreten, dass Menschen, die “unser Gastrecht missbrauchen” möglichst schnell woandershin weitergeschoben werden sollten.
Ich will Sie deshalb etwas fragen:
Als Sie liebe Frau Wagenknecht und Sie lieber Herr Seehofer, auf diese schöne Welt kamen, da war diese schöne Welt doch schon da, oder irre ich mich?
Hm.
Und eines fernen Tages – der Herr schenke Ihnen einen langes und arbeitsreiches Leben – werden Sie diese schöne Welt in einer Kiste (vermutlich) wieder verlassen und weiter ziehen.
Sie beiden sind also, wie wir alle, Durchreisende in einer Welt, die uns nicht gehört.
Haben wir darin Übereinstimmung?
Nun. Dann meine einfache Frage:
Wenn uns diese Erde nicht gehört, sondern wir Menschen alle nur Durchreisende sind, wie alle unsere Vorfahren und Nachkommen, wie kommen Sie dann auf die Idee, ein Teil dieser Erde – sagen wir Bayern -, gehöre nur den Deutschen?
Und die Deutschen hätten ein “Gastrecht” zu vergeben?
Also: schlafen Sie doch noch mal eine Nacht über Ihrer Rede vom Gastrecht und dann packen Sie mal etwas von dem Überfluss aus, der in unseren Schränken und Häusern und auf unseren Konten anzufinden ist und zeigen Sie sich mal von der menschlichen Seite.
Wir geben unserem Kumpel und seiner Frau, die da auf der Durchreise sind, schlicht etwas ab von dem, was wir zu viel haben.
Schließlich können wir sie ja verstehen.
Denn wir sind ja selber nur auf der Durchreise.
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Kasparick Dorfpastor

 

Wehret den Anfängen! Weshalb ich Horst Seehofer angezeigt habe….


Nach meiner Auffassung hat er gestern (9. März 2011) die rote Linie überschritten, die ein Demokrat nicht überschreiten darf. Ich habe Herrn Seehofer deshalb gestern wegen Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Das hat eine Vorgeschichte….
Der bayrische Ministerpräsident hat gestern in Passau eine Rede gehalten. Das kommt vor.
Er hat anlässlich eines „politischen Aschermittwoch“ geredet – das lässt eine besonders „deutliche Sprache“ erwarten, wie es Brauch ist.
Was hat er gesagt? Er hat sich „gegen Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen“ ausgesprochen. Und er hat folgendes weiter ausgeführt: er wolle in der Berliner Koalition „bis zur letzten Patrone“ dafür kämpfen, daß Zuwanderer „nicht in deutsche Sozialsysteme einwandern“.
Nach meiner Auffassung ist das die Herabwürdigung eines Bevölkerungsteils nach §130 StGB und gehört in die Kategorie Volksverhetzung. Deshalb habe ich ihn angezeigt, um gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen, ob sich nach bundesdeutschem Recht die Sache so verhält, wie ich sie sehe.
Nun ist es so: ich habe bislang in meinem Leben noch nie jemanden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Und das will was heißen nach einem langen Leben in der Zweiten deutschen Diktatur bis 1989.
Nun aber ist nach meiner Auffassung die rote Linie überschritten, die ein Demokrat niemals überschreiten darf.
Weshalb Widerspruch anzumelden ist. Ich kann nicht mehr länger zusehen und schweigen. Das Schreiben von Texten genügt nicht mehr.
Horst Seehofer hat die Rede in Passau in einer Situation gehalten, in der Deutschland nicht zuletzt seit der Publikation des Sarrazin Buch’s „Deutschland schafft sich ab“ vermehrt über Rechtsextremismus „aus der Mitte der Gesellschaft“ diskutiert. Zu Hunderttausenden werden seine Lesungen besucht. Allenthalben ist er Gesprächsgegenstand. Die Rechtsextremen sitzen mittlerweile in etlichen Landtagen. Nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers wegen Betrugs war auf zwei Unterstützer-Seiten im Internet rechtsradikale Propaganda zu lesen. Man fand dort Äußerungen wie „Guttenberg ist der fähigste Politiker seit Hitler gewesen“.
In einer politischen Situation, in der wegen der Unruhen in Nordafrika die Frage diskutiert wird, ob Europa nicht auch einen Teil der vielen Flüchtlinge aufnehmen müsse, weil Europa ja auch jahrelang mit den Diktatoren Nordafrikas Geschäfte gemacht habe – in einer solchen Situation spricht der bayrische Ministerpräsident davon, er wolle sich „bis zur letzten Patrone“ dagegen wehren und dafür kämpfen, daß Zuwanderer „nicht ins deutsche Sozialsystem einwandern.“
Der Sprachkundige weiß: auch die Situation interpretiert das gesprochene Wort. Deshalb „klingen“ die Worte Seehofers in dieser Situation besonders brisant.
Sie sind es auch.

Die Rede von der „Verteidigung bis zur letzten Patrone“ hat eine Geschichte. Man hat in Stalingrad so gesprochen. Man hat beim „Kampf um Berlin“ im Frühjahr 1945 so gesprochen, um den „Volkssturm“ auf das „letzte Gefecht“ einzustimmen. Pikanter Weise stammt der Befehl, Berlin „bis zur letzten Patrone“ zu verteidigen, vom 9. März. Man schrieb das Jahr 1945.
Auch das „klingt mit“, wenn man die Worte hört, die der Ministerpräsident sagt und wenn man die Bilder aus jenem Saal in Passau sieht.

Deshalb kann ich nicht länger schweigen.
Ich habe mich mein Leben lang immer wieder intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus in Deutschland befasst.
Ein zentraler Grund, weshalb die Volksverführer an die Macht kamen war der Umstand, dass das Bürgertum geschwiegen hat, als das kommende Unrecht schon zu erkennen war.
Es begann mit den Worten.
Es begann mit den Reden.
Deshalb: wehret den Anfängen! Denn aus den Worten werden Taten…..