Franz Mueller-Darss und die Hunde-Lehr- und Versuchsabteilung der Waffen-SS im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg

Franz Mueller-Darss und die Hunde-Lehr- und Versuchsabteilung der Waffen-SS im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg

Dieser Besuch war überfällig: Mein Besuch im ehemaligen KZ Sachsenhausen, der „Zentrale des Terrors“, war lange geplant, aber wegen Corona-Hindernissen immer wieder verschoben worden. Heute nun war ich endlich dort, im Lesesaal hatte man mir freundlicherweise Häftlingsberichte bereitgelegt. Bei der Gelegenheit ein herzlicher Dank an Frau Liebscher in der Bibliothek für ihre Mühen.

In Sachsenhausen befand sich ab 1938 die „Inspektion“ aller Konzentrationslager. Hier war die Zentrale der „Totenkopf-Verbände“; im „T-Gebäude“ wurde angeordnet und befohlen, was in den Konzentrationslagern im gesamten Nazi-Reich vor sich ging. Von hier aus wurde das gesamte System der Konzentrationslager gesteuert. Franz Mueller-Darss gehörte zu diesem System. Ihm oblag als Mitglied im „Persönlichen Stab Reichsführer SS“ ab 1942 als „Beauftragter des Reichsführers SS für das Diensthundewesen“ die Ausbildung aller Hunde für KZs, Polizei und Wehrmacht. Heinrich Himmler hatte das in einem Grundsatzbefehl vom 15. Mai 1942 angeordnet und seinen Spezialfreund Franz Mueller aus Born auf dem Darss, bei dem er gern zur Jagd „weilte“, wie das Diensttagebuch Himmlers verrät, zu seinem „Beauftragten“ ernannt. Die SS-Personalakte von Mueller, der sich ab 1944 „Mueller-Darss“ nannte, gibt davon Auskunft, man findet sie im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde.

Im Amt I der „KZ-Inspektion“ ließ der Chef des Wirtschafts- und Verwaltungs-Hauptamtes der SS, Pohl, eine 6. Hauptabteilung mit der Bezeichnung „Schutz- und Suchhunde“ einrichten, die sich in die Abteilungen
a) Beschaffung von Hunden, Hundekartei
b) Ausbildung der Hundeführer, Hundeführerkartei
c) Ausbildung von Schutz- und Wachhunden,
d) Hundezucht
e) Veterinärangelegenheiten gliederte. Die Leitung der Hauptabteilung übernahm nebenamtlich der „Beauftragte für das Diensthundewesen, Standartenführer Mueller“

Mueller erweiterte diese Hauptabteilung zu einer zentralen Einrichtung der Waffen-SS. Ab Juli 1942 trug sie die Bezeichnung „Lehr- und Versuchs-Abteilung für das Diensthundewesen der Waffen-SS“ (LVA). Die Sicherheitspolizei hatte eine eigene Diensthundeschule in Rahnsdorf bei Berlin, die Ordnungspolizei eine Einrichtung in Grünheide. Für alle Ausbildungsstätten war Mueller-Darss verantwortlich.

In Sachsenhausen wurde deshalb neu gebaut: im Waldgebiet beim Klinkerwerk am Kanal, im Bereich des „Waldlagers“ wurden 1942 17 Baracken errichtet, weitere im Jahr 1943. Hundezwinger für insgesamt ca. 200 Hunde, sowie ein Geschäftsgebäude für die Leitung und eine Lehr- und fünf Unterkunftsbaracken für die Hundeführer. Der Bauplan für diese Hundezwingeranlage ist im Archiv der Stadt Oranienburg erhalten:

Die Hunde wurden zu Fährtenhunden (es galt, geflohene Häftlinge zu finden); Schutzhunden (es galt, SS-Männer vor Übergriffen zu „schützen“) und Wachhunden (es galt, Häftlinge zu „bewachen“) ausgebildet. Die Berichte von Übergriffen der SS-Wachmänner mit ihren Hunden auf Häftlinge sind zahlreich. Hunde wurden auf Menschen gehetzt, um sie zu verletzen und zu töten. Die Hoffnung der SS, man könne durch Hunde Wachpersonal in den KZs einsparen, hat sich nicht erfüllt. Am Ende des Krieges, so wird Mueller-Darss später in seinem Machwerk „Verklungen Horn und Geläut“ behaupten, habe er ca. 50.000 Hunde ausbilden lassen.

Für die „Versuchsanstalt“ der Waffen-SS in Oranienburg wurden 1944 auch 300 Schlittenwagen für den „Beauftragten für das Diensthundwesen“ im DAW-Werk Sachsenhausen angefertigt, der experimentierte mit den leichten, aus Verbundstoffen gefertigten Schlitten hoch oben im Darßer Wald. Im Dienstkalender Heinrich Himmlers sind Gespräche mit Mueller-Darss vermerkt, in denen es um diese leichten Schlitten ging. Diese Schlitten samt Hunden wollte er der Wehrmacht zur Verfügung stellen, die mangels Treibstoff „im Osten“ nicht mehr voran kam. Mueller hatte schon im Ersten Weltkrieg mit Hunden experimentiert. Die SS dressierte Hunde auch als „lebende Waffen“, beladen mit Sprengstoff gegen Panzer, MG-Nester und andere Ziele. Diese Versuche scheiterten jedoch ebenfalls, weil die Hunde unter deutschen Panzern trainiert waren und deren Geruch folgten …..

In Häftlingsberichten aus allen Konzentrationslagern im „Reich“ kommen Muellers Hunde vor: sie verbellen nicht nur; sie patrouillieren nicht nur; sie „bewachen“ nicht nur – sondern sie werden eingesetzt, um Menschen anzugreifen, sie fürchterlich zuzurichten und gar zu töten. Forstmeister Mueller aus Born a. Darss war für ihre Ausbildung verantwortlich. Er hat den „Hundeführern“ beibringen lassen, wie man Hunde auf Menschen abrichtet. Zur Verantwortung gezogen wurde er dafür nie.

Generalmajor der Waffen SS. Franz Mueller-Darss. Lebenslauf anhand von Dokumenten

Generalmajor der Waffen SS.               Franz Mueller-Darss. Lebenslauf anhand von Dokumenten

DatumVorgangDokument
29. April 1890 * in Lindau, Landkreis Nordheim (Untereichsfeld) als Sohn eines Forstmeisters geboren BArchR1501/127660
1901 Eintritt in das Kadettenkorps in Ploonhandschriftlicher Lebenslauf von 1936 im Zusammenhang mit der Aufnahme in die SS, BArch R 1501
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/152024429531929
1905 Versetzung an die Kadettenanstalt Berlin-LichterfeldeHandschriftlicher Lebenslauf von 1936, BA R 1501
1910 AbiturAbiturhandschriftlicher und maschinenschriftlicher Lebenslauf
1932„Zur Partei gemeldet“. maschinenschriftlicher Lebenslauf in der SS-Personalakte, BArch.
1.5.1933Mitglied der NSDAP, Mitgliedsnummer 2.225.286auf allen Personalbögen in der SS-Personalakte vermerkt
1933Mitglied der SA; Führer der SA-Reiterstaffel in Born a. Darssmaschinenschriftlicher Lebenslauf in der SS-Personalakte
13. 5.
1934
Geburt des Sohnes Hubertus MuellerSchulbuch Born, in dem auch die Einschulung am 28.3.1940
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/155080292559676
Der Name Hubertus Mueller-Darss wird später im Jahre 1992 in einem Dokument der ILO (Organisation der UNO) über Internationale Forstwirtschaft wieder auftauchen und einer Beerdigungsanzeige aus dem Jahre 2007, in der er unterzeichnet hat.
4.4. 1936Antrag auf Aufnahme in die SShttps://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.1095163
13782741/151530252914680 ; BArch.
27.10.1936Mueller will offensichtlich beschleunigt in die SS aufgenommen werden. der vom 27.10.1936 an ihn adressierte Brief bittet ihn, Ariernachweis und andere Unterlagen so schnell wie möglich beizubringen, damit er wie gewünscht, zum November (übliches Eintrittsdatum) aufgenommen werden könne. vgl. https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/152012989533073
9.11. 1936Aufnahme in die SS. Gleichzeitige erste Beförderung zum Untersturmführer. Mitgliedsnummer: 277.284sowohl NSDAP als auch SS-Mitgliedsnummern sind faktisch auf beinahe allen Schriftstücken der SS-Personalakte vermerkt und kehren ständig wieder.
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399295754804794
28.10. 1937Mueller will offensichtlich zum Sicherheitsdienst (SD) der SS wechselnvgl. Anfrage, ob gegen eine Versetzung zum SD Bedenken bestehen in der SS-Personalakte Mueller-Darss; nach 1945 wird Mueller bei der Organisation Gehlen und dann beim Bundesnachrichtendienst anheuern (von 1948 – 1966); die Spur zum „Sicherheitsdienst“ beginnt im Jahre 1937.
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399315804802789
9.10. 1937Mueller wird vor allem „im SD“ verwandtPersonalakte Mueller-Darss im Bundesarchiv. Interessant: das Dokument ist von „Prützmann“ unterzeichnet. Nach dem Krieg wird Prützmann Selbstmord begehen und Mueller-Darss wird Prützmanns Frau Christa heiraten. Offensichtlich bestanden enge Beziehungen zwischen Mueller-Darss und Familie Prützmann. vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Adolf_Pr%C3%BCtzmann
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399354511465585/
1. 5. 1941Mueller wird in den Persönlichen Stab des Reichsführers SS, Himmler, übernommenSS-Personalakte, Bundesarchiv
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399345294799840/
15.5.1942Mueller ist „Im Persönlichen Stab des RFSS Beauftragter für das Diensthundewesen“ und damit für alle Militär-, Polizei- und KZ-Hunde, inklusive Ausbildung der Hundeführer verantwortlichSS-Personalakte; Bundesarchiv, https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399424804791889/
19.10. 1943Mueller versucht zu verhindern, dass er zur Wehrmacht eingezogen wirdhttps://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/399374851463551/
21.12.1944die letzte Beförderung zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS SS-Personalakte Mueller-Darss; Bundesarchiv
https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/a.109516313782741/151891216211917
1948 – 1960Mueller-Darss lebt in Hamburgim September 1949 gibt er in Hamburg „eine Erklärung“ ab in einem Verfahren, bei dem es um Umsiedlungspläne der Nazis ging. Dieses Dokument ist überprüft worden. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes lebte ein Franz Müller-Darss von 1948 bis 1960 in Hamburg. Als Beruf habe er „Forstmeister in Ruhe“ angegeben. Offensichtlich fälscht er mittlerweile auch seine eigene Unterschrift, um Spuren zu verwischen. Der Beleg ist hier festgehalten: https://www.facebook.com/DarssGeschichte/photos/pcb.400004454733924/400002491400787/
18.6.1976Tod in Lenggries/Bad Tölz Bayern

Ausgewertet und überprüft wurde vor allem die SS-Personalakte Franz Mueller-Darss, die im Bundesarchiv eingesehen wurde. (BArch R 1501/127660). Einsicht und Auswertung weiterer Unterlagen für die Jahre nach 1945 beim BND (u.a. 2 Bände Personalakten) und beim BStU stehen noch aus. (Stand 4.10.2020, wird fortlaufend bearbeitet und aktualisiert)