Morgens im Ministerium. Der Tag beginnt mit der Presseschau auf dem „Ticker“. Ich lese von einem Mann, der ein lukratives berufliches Angebot ausgeschlagen hat, um seine Fähigkeiten und Kontakte der Mikrokreditarbeit zur Verfügung zu stellen. Meine Mitarbeiter bitte ich, „mir diesen Mann her zu bringen“, der berufliche Karriere und Fortkommen ablehnt, um sich der Unterstützung der Ärmsten in den Entwicklungsländern zu widmen….
Es ist der Beginn eines kleinen Abenteuers. Schon bald sitzen wir uns gegenüber.
„Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ so eröffne ich das Gespräch.
Stefan Knüppel sitzt vor mir. Etwas jünger als ich, dynamisch, freundlich.
Er erzählt mir von Mikrokrediten.
Und vom Nobelpreis 2006, den die Mikrokreditbewegung bekommen hat.
Er erzählt von einer privaten deutschen Stiftung: opportunity International Deutschland. Sie ist Teil eines weltweiten Netzwerks mit mittlerweile über 1,8 Millionen Klienten.
Ich sage ihm alle Unterstützung zu, die ich ihm geben kann: stelle einen Mitarbeiter bereit, übernehme Eröffnungen von Veranstaltungen, übernehme eine Schirmherrschaft, stelle politische Kontakte in Parlament und Regierung her.
Warum?
Weil die Mikrokreditarbeit eine der effektivsten und nachhaltigsten Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit ist, die ich kenne.
Neben meiner Arbeit in Parlament und Regierung hatte ich in den zurückliegenden zwanzig Jahren immer auch die Arbeit von Entwicklungshilfeorganisationen unterstützt. Drei liegen mir besonders am Herzen:
Die „Grünhelme“ von Dr. Rupert Neudeck (http://www.gruenhelme.de); die Arbeit von Rosi Gollmanns Andheri-Stiftung (http://www.andheri.org) und opportunity.
Die Zusammenarbeit mit diesen drei NGOs (non governmental organisations/Nichtregierungsorganisationen) war für mich immer ein wichtiges Korrektiv meiner politischen Arbeit.
Wenn die Debatten im Parlament allzu langwierig und ergebnislos verliefen, dann war die sehr konkrete und oft schnelle und effektive Hilfe der „Nichtstaatlichen“ ein großer Trost: man konnte etwas bewegen, ohne auf „Mehrheiten“ Rücksicht nehmen zu müssen.
Oft hatte ich im Parlament den Eindruck, daß unsere Arbeit viel zu schwerfällig war und ergebnislos blieb, wo doch wirksame Entscheidungen und oft auch schnelle Hilfe nötig waren.
Wie gut hatten es da die nichtstaatlichen Organisationen, die, ausgestattet mit dem Geld von privaten Spendern, schnell und flexibel entscheiden konnten, wo und wie sie sich engagieren würden.
Sie konnten ihr „Projekt“ mit Ausdauer und Energie verfolgen, brauchten keine falschen Rücksichten zu nehmen, mussten nicht taktieren wie wir im Parlament – sondern konnten „loslegen“, konnten die Kreativität und Energie ihrer oft nur kleinen Teams wirksam und hilfreich einsetzen.
Wenn wir im Parlament mit unglaublich schnell wechselnden „wichtigen Themen“ konfrontiert waren, wenn wir den Eindruck hatten, daß wir unsere Arbeit nicht mehr recht focussieren konnten – dann war die Arbeit für die NGOs hilfreich.
Konkret. Praktisch. Zielorientiert.
Ich habe Stefan Knüppel zugesagt, ihn bei einem neuen Projekt für opportunity zu unterstützen.
Wir wollen 100 neue „trust banks“ gründen.
Eine solche „Kreditbank“ kann für umgerechnet ca. 5.000 Euro eingerichtet werden. Mit diesem Startkapital ausgestattet, kann eine „Trustbank“ jenen Menschen einen ersten winzigen Kredit geben, die sonst von niemandem Geld geliehen bekommen würden.
Die Rückzahlungsquote dieser Kredite ist sehr gut: mit etwa 97% liegt sie weitaus besser als bei herkömmlichen „Vorzeigebanken“.
Der schöne Effekt der Mikrokredite: einmal gegebenes Geld wirkt immer und immer wieder, denn der Rückfluss des Geldes ermöglicht die Vergabe neuer Kredite.
Es sind kleine Summen, die da bewilligt werden: 50 Dollar, 100 Dollar; vielleicht auch mal 150 Dollar.
Es geht darum, ein paar Bretter zu kaufen für eine Schule (microschools z.B. in Ghana); es geht darum, das Sortiment im Gemüsestand auf dem Markt etwas zu erweitern und so neue Kundschaft zu gewinnen; es geht darum, vielleicht noch eine zweite Ziege zu kaufen; oder eine Nähmaschine; es geht darum, einen Anschlusskredit einzusetzen, um das Wachstum des kleinen „Unternehmens“ zu ermöglichen.
Wer in Deutschland Geld gibt, damit opportunity über ihre Partner in Entwicklungsländern Kredite an die Ärmsten der Armen vergeben kann – der kann sich ansehen, was mit seinem Geld geschieht.
Etwa ein- bis zweimal im Jahr reist eine Gruppe von Spendern – auf eigene Kosten natürlich – in die Projekte, um zu besehen, wie das gegebene Geld eingesetzt wird.
Helmut Burlager etwa: Journalist und Spender, berichtet auf seinem blog über eine solche Reise nach Ghana:
http://burlager.spaces.live.com/blog/
Ein ehemaliger Sparkassendirektor findet, das wäre doch was für den privaten Freundeskreis. Und er beginnt, zu sammeln. Über 100.000 Euro werden so zusammengetragen.
Seit die Mikrokreditbewegung 2006 den Friedensnobelpreis erhielt, hat die weltweite Beachtung dieser Arbeit zugenommen.
Allerdings hat die Weltwirtschaftskrise auch hier Spuren hinterlassen, denn oft haben die Länder, in denen die Kreditnehmer von opportunity leben, besonders unter der Krise zu leiden.
Und: die Spendenbereitschaft in Deutschland ist etwas zurückgegangen.
Das soll uns nicht verdrießen, sondern dem wollen wir entgegenwirken.
Mit der Gründung von 100 neuen „trustbanks“.
In Münzen ausgedrückt: wir wollen etwa 500.000 Euro einwerben, damit diese neuen regionalen kleinen Kreditbanken eingerichtet werden können.
Ich werde in den folgenden Wochen und Monaten hier auf dem blog regelmäßig vom Fortschritt dieses Projektes berichten, damit neue Unterstützergruppen in Deutschland entstehen können.
Das Internet wird uns helfen, die „Menschen guten Willens“ miteinander in Kontakt und in die Zusammenarbeit zu bringen.
Eigentlich lebe ich ja in einem Sabbathjahr – aber diese Arbeit tue ich dennoch.
Denn sie ist keine „Arbeit“, sondern es ist mir ein sehr besonderes Anliegen und auch eine Auszeichnung, dass ich meine Kontakte und Möglichkeiten einsetzen kann für eine so wichtige und sehr konkrete Arbeit.
Ich will meinen Beitrag leisten für etwas mehr Gerechtigkeit zwischen reicher und armer Welt.
Wer mittun will, ist herzlich willkommen.