Der Kandidat, das Netz, facebook und so Gedöns….


Wie geht es, daß über 40.000 Menschen, die sich persönlich noch nie gesehen haben, an einem gemeinsamen Projekt zusammenarbeiten?
Das Netz machts möglich.

Menschen verbindet eine Idee.
Sie wird medial verbreitet: über Fernsehen, Rundfunk und print.
Und menschen gründen Gruppen. Und laden in die Gruppen ein. Und vernetzen die Gruppen. Und bringen Menschen weiter zusammen.
Sie „diskutieren“ miteinander, verabreden konkrete Projekte – werden politisch.

Und verändern das Land.

Wir erleben diesen Prozess gerade in einer atemberaubenden Weise. Innerhalb von nur anderthalb Wochen haben sich in Deutschland über 40.000 Menschen zusammengefunden, um für ihren Kandidaten zu werben. Quer zu den Parteilagern, quer zu den Altersgruppen. Junge neben Alten; Linke neben Konservativen – alle miteinander für ein Ziel.

Das ist ein großartiges Phänomen.

Es gibt ein verändertes Zusammenspiel von politischen Menschen und Medien durch das Netz.
Denn diese vielen Zehntausende, die da im Netz zusammen an ihrem Ziel arbeiten erzielen Wirkung in den klassischen Medien. Plötzlich schafft es eine eher kleine Demonstration von 30 – 50 Leuten bis in die „Tagesthemen“. „Spiegel“, „Focus“, „Süddeutsche“, „Stern“ und wie sie alle heißen, berichten – und beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung.
Journalisten stehen schlange, wenn die Initiativen „das Netz verlassen“ und sich auf der Straße zeigen, auch, wenn die Gruppen klein sind.

Das ist interessant.
Denn die mediale Aufmerksamkeit, die die Gruppen erregen, hat vorher angefangen. Im Netz.

Wenn man als einigermaßen aufmerksamer Zeitgenosse diese Prozesse beobachtet und sich auch daran beteiligt, fällt eins auf: die Parteien haben noch nicht wirklich verstanden, was da gerade passiert.
Manch Politiker macht es sich leicht – und lächelt über „das Netz“.
Ruprecht Polenz (CDU) hat heut gespottet, es sei wohl doch leichter zu „tippen“, als zu „demonstrieren“.
Aber er sagt damit nur, daß er die Möglichkeiten des Internets und des social web noch nicht wirklich verstanden hat.
Aber irgendwie unheimlich scheint die ganze Sache doch zu sein – dann da kann gleichsam über Nacht eine politische Bewegung im Land entstehen, die sich nicht mehr kontrollieren läßt, weil sie dezentral ist. Da sitzen Menschen an ihren Laptops und Rechnern, die man nicht sieht. Sie mischen sich ein. Schicken Videos; entwerfen Plakate, posten Meinungen, reagieren auf Zeitungs- und Fernsehberichte. Irgendwie schwer zu kalkulieren das Ganze, was da „im Volk“ gerade passiert. Das ist schwer zu begreifen für die alten Parteien.

Manch Abgeordneter weiß gar nicht, was er von der Sache eigentlich halten soll. Viele sind natürlich auch „bei facebook“ (genauer: ihre Mitarbeiter sind es); man „twittert“, in welcher Sitzung man grade sitzt und daß eine Sitzung „sehr gut“ gewesen sei. Aber die eigentliche Chance zum Dialog mit der Bevölkerung ist nicht genutzt.
Viele Abgeordnete glauben, daß Netz sei so eine Art vergrößertes Wahlplakat.
Weit gefehlt.
Sehr weit gefehlt.

Die Welten liegen weiter weit auseinander, obwohl sie langsam, Stück für Stück zusammenwachsen. Dennoch:
Parlament ist Parlament.
Und Netz ist Netz.

So scheint es.

Aber: das Land verändert sich gerade.
Die Kampagne zur Untersützung von Joachim Gauck hat daran maßgeblichen Anteil.
Weil es zum ersten Mal in Deutschland geschieht, daß das Internet wenigstens ein Quäntchen seiner großen Kraft zeigt. Über 40.000 Menschen arbeiten schon zusammen und täglich werden es mehr.
Und sie lernen. Und werden besser bei der Nutzung der Möglichkeiten, die das Netz ihnen bietet.

Und sie verändern das Land.

Mit dem Netz, facebook und solchem Gedöns.

Für ihren Kandidaten.

3 Gedanken zu “Der Kandidat, das Netz, facebook und so Gedöns….

  1. Lieber Ulrich Kasparick,

    hier kann ich mich mit Ihnen, den Freunden im Netz, identifizieren
    wie niemals ähnlich in einer Strassen Demo

    Was sich heute so, im Beispiel für Joachim Gauck im Internet abspielt ist einmalig, gibt dem Einzelnen
    ein Gefühl des Dazugehörens,
    das ist der Beginn
    ich möchte fast sagen des sich Mittteilens
    eine Revolution
    und lässt sich übertragen auf zukünftige
    existenielle Fragen unseres Lebens

    wir haben eine neue Seite aufgeschlagen
    für Menschen und Freunde
    und das ist wichtig.
    alle wollen Freunde gewinnen
    und uns mitteilen

  2. Toller Blogpost! Er bündelt meine Gedanken und auch Fragen, die ich seit meinem Beitritt zur FB-Gruppe „Joachim Gauck als Bundespräsident“ die ganze Woche über hatte. Die ich auch schon einmal selbst in meinen ersten FB-Notes zu kanalisieren versucht habe…

    Denn tatsächlich bin ich zunächst eher aus Faszination für die medialen Aspekten zu dieser Gruppe gestoßen. Mittlerweile kann ich aber sagen, dass ich auch aus echter Überzeugung Mitglied dieser Gruppe bin.

    Und die Frage, inwieweit 32.000 „Likes“ denn eigentlich wirklichkeitsrelevant sind, schien mir durch die magere Teilnehmerzahl der ersten Demos & Feste eher enttäuschend und desillusionierend beantwortet worden zu sein.

    Aber gerade der von Dir herausgestellte Aspekt des „veränderten Zusammenspiels von politischen Menschen und Medien durch das Netz“, der mir bisher so nicht aufgefallen war, kehrt die obige Antwort in ihr genaues Gegenteil um: Es ist nämlich nicht lächerlich, wenn mehr Medienvertreter als Demonstranten anwesend sind, sondern vielmehr der Beweis für die neue oder wirkliche Relevanz von 32.000 „Likes“!

    Das stimmt mich nun wieder etwas hoffnungsfroher für den 30. Juni: Da geht ‚was!!!

    DANKE & schönen Abend Dir!
    Michael

    1. Danke für die freundlichen Worte! Ich versuch auch „nur“, zu verstehen, was gerade da passiert mit uns und um uns herum, es ist alles sehr neu und sehr spannend. Und die Dinge sind sehr im Fluss, es ist so eine Art „Annäherung“. Wunderbar, wie der Austausch der Gedanken im Netz fließt. Das ist eine große Bereicherung!

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