Verklungen Horn und Geläut – die Lügen des Franz Mueller-Darss

Verklungen Horn und Geläut – die Lügen des Franz Mueller-Darss

Mein Exemplar stammt aus der 15. Auflage des Buches „Verklungen Horn und Geläut. Die Chronik des Forstmeisters Franz Mueller-Darß“. Diese Auflage erschien im Jahre 1994. In dieser Ausgabe (1994!) kann man zum Beispiel folgende Sätze lesen:
„Etwa im Jahre 1937 kam auch General Keitel zum ersten Male auf den Darß, ein kräftig gebauter, ruhiger, freundlicher und nachdenklicher Mann, der manche gute Stunde in meinem Walde und an meinem Kamin mit mir verbrachte …….Ich denke, daß ihm schweres Unrecht angetan worden ist, nicht nur durch den schmählichen Prozeß in Nürnberg, der ihn ein Opfer politischer Rache werden ließ, sondern auch durch das schnell fertige Urteil aller jener, die den Beweis schuldig geblieben sind, daß sie selbst in seiner Stellung richtiger, klüger, verantwortungsbewußter und tapferer gehandelt hätten. …..Dies muss gesagt werden um der Gerechtigkeit willen.“ (a.a.O, S. 331/332).

Da schreibt also ein ehemaliger SS-Generalmajor im Jahre 1954, der Herr Mueller-Darss nämlich, der Herr Feldmarschall Keitel sei in Nürnberg im großen Kriegsverbrecher-Prozeß ein „Opfer politischer Rache“ geworden, im Übrigen sei der ganze Prozess ein „schmählicher Prozess“ gewesen. (Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, von 1938 – 1945 Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, wurde im Nürnberger Prozess in allen neun Punkten für schuldig gesprochen und am 16. Oktober 1946 in Nürnberg durch den Strang hingerichtet.)

Man muss wissen: die erste Ausgabe dieses Machwerks vom Herrn Mueller-Darß erschien 1954, also knapp zehn Jahre nach Kriegsende. Es erschien nicht in Deutschland, da wäre das nicht möglich gewesen, es erschien in der Schweiz. Dieses Buch, das als „Chronik“ angelegt ist, hat einen einzigen Zweck: die lange NS-Vergangenheit des Herrn „Forstmeisters“ zu verschleiern, seine SS-Mitgliedschaft zu bagatellisieren und seine Biografie zu „begradigen“. Das ist das eigentliche Ziel dieses schwülstigen Waldromantik-Buches. Es ist kein Wunder, dass dieses Machwerk in rechtsradikalen Kreisen nach wie vor gern gelesen wird. 15 Auflagen kommen ja nicht von ungefähr.

Man kann allerdings am Text nachweisen, worum es dem „Forstmeister“ mit dem Buch eigentlich geht. Über seine SS-Mitgliedschaft – die nur ein einziges Mal im ganzen dicken Buch überhaupt Erwähnung findet -, ist folgendes zu lesen:

„Etwa um die gleiche Zeit (Sommer 1940) wurde mir die Einberufung zugestellt. Göring befahl mich als „forstlichen Verbindungsmann zur Waffen-SS mit der Aufgabe, in den der Waffen-SS zugefallenen Waldgebieten der besetzten Länder die forst- und wildwirtschaftliche Kontrolle und Verwaltung zu üben.“ (a.a.O. S. 345) – So eine Art „SS-Oberförster über Russland und angrenzende Gebiete also“.
Der Mann lügt schlicht und einfach.
So einen SS-Wald-Verbindungs-Menschen hat es nie gegeben.
Wie aber ist er wirklich zur SS gekommen? Er hat sich, wie die hier im blog bereits veröffentlichten Dokumente zeigen, schon 1936 um die Aufnahme in die SS geradezu gedrängelt, weil er bei der SA nichts mehr werden konnte. Er hat weiterhin in der SS eine überaus steile Karriere gemacht, weil er engste Beziehungen zu Himmler und Pohl (Chef vom WVHA der SS) unterhielt. Und bei seinen SS-Freunden, insbesondere seinem „lieben Oberführer“ hat er dafür gesorgt, dass er aus der Zuständigkeit der Wehrmacht eben zur SS kam, „dass sie mich nicht etwa plötzlich einziehen“, wie wir im Dokument (von 1943!!) sehen können.

Nein, der Herr Mueller war nicht bei der Wehrmacht. Und er war auch kein „Verbindungsmann“ wegen irgendwelcher forstlichen Angelegenheiten. Er war seit 1941 im Persönlichen Stab des Reichsführers SS und ab 1942 dessen „Beauftragter für das Diensthundewesen“ – dazu gehörten Such-, Melde-, Munitionsspür-, Panzerabwehr- und eben KZ-Wachhunde. Er war der Herr über zuletzt 50.000 solcher Hunde, die Himmler gern „zu reißenden Bestien“ erzogen sehen wollte, damit sie Häftlinge zerreißen, die etwa die Absicht haben, aus dem KZ-Außenkommando zu fliehen, wie es in Born vorgekommen ist.

Im Übrigen: seit 1940 waren die ersten KZ-Häftlinge auf dem Darss. In Zingst und in Wieck und dann auch in Born direkt. Mueller-Darss war der zuständige SS-Mann mit besten Verbindungen zum Reichsführer SS persönlich, in dessen „Persönlichem Stab“ er ja diente.
Darüber allerdings erfährt man in jenem Büchlein auch in der fünfzehnten Auflage nicht ein Sterbenswörtchen.
Davon, das er sich persönlich vier KZ-Häftlingsfrauen als Bedienstete im „Forsthaus“ hielt; davon dass die SS mitten im Dorf ein KZ-Außenlager mit über 100 russischen Kriegsgefangenen betrieb; davon, dass die SS eine Meilerei im Dorf betrieb, wofür die Häftlinge im Darßer Wald Stubben sprengen mussten – von alldem erfährt der interessierte Leser nichts. Es ging im Buch darum, die Biografie zu „begradigen“. Und das geschah vor allem durch Verschweigen und durch nachweislich falsche Behauptung.

Immerhin schrieb man schon das Jahr 1954, als die „Chronik des Forstmeisters“ zum ersten Mal erschien, da passte sowas nicht mehr ins Bild, darüber schrieb man nicht, das verschwieg man.
SS? NSDAP? SA? – Nie gehört.

Denn schließlich hatte man ja schon einen neuen Arbeitgeber: seit 1948 arbeitete der ehemalige „Forstmeister“ und Generalmajor der Waffen-SS Franz Mueller-Darss zunächst für die „Organisation Gehlen“, dann für den Bundesnachrichtendienst. Das ist aktenkundig.
Auch davon ist im 1954 erschienen Büchlein nichts zu erfahren.
Kein Sterbenswörtchen.

Anmerkung: Das Buch wurde von Wolfgang Frank geschrieben, geht aber in den biografischen Details selbstverständlich auf die Angaben von Mueller-Darss persönlich zurück. Wolfgang Frank war ein NS-Schriftsteller.

Der Darß zwischen 1933 und 1945. Erste Zwischenbilanz einer regionalgeschichtlichen Recherche


Weil auf den Homepages der Darß-Kommunen keinerlei Hinweise über die Zeit zwischen 1933 und 1945 zu finden sind, habe ich selbst am 01. September diesen Jahres begonnen, zu recherchieren.
Gespräche und Recherchen im Stadtarchiv Barth; Gespräche und Recherchen im Ortsarchiv Born; Gespräche und Recherchen im Pfarramtsarchiv Prerow und Sekundärliteratur selbstverständlich sind mittlerweile ausgewertet. Ich habe Frau Mählmann (Barth); Frau Nibisch und Herrn Becker (Born), Pastor Witte (Prerow) für ihre Unterstützung und Auskunftsbereitschaft zu danken.
Noch stehe ich am Anfang der Recherchen, dennoch kann bereits eine erste Zwischenbilanz gezogen werden. (Wer die einzelnen Recherchefunde und -fortschritte und ihre genauen Quellenangaben nachlesen will, findet sie auf der für das Projekt eingerichteten Facebook-Seite und hier im blog. Etliche Zeugenaussagen sind dort auch akustisch dokumentiert.
Mittlerweile weiß ich, daß auch in den Kommunen des Darß, also in Zingst, Prerow, Wieck, Born, Ahrenshoop und auch in Boddengemeinden wie Barth und in den Dörfern des ehemaligen Landkreises Franzburg-Barth schon vor dem 30. Januar 1933 der Bäder-Antisemitismus grassierte. Prerow beispielsweise war schon 1929 in seinem Tourismusprospekt stolz darauf, judenfrei zu sein. Die Menschen wählten überdurchschnittlich „konservativ“, also die Deutsch-Nationale-Volks-Partei (DNVP), später deutlich über dem Reichsdurchschnitt NSDAP. Zwar waren Anfang der dreißiger Jahre auch die Sozialdemokraten noch relativ stark, vor allem in den größeren Ortschaften, spätestens ab 1935 war auch das zu Ende.

Gauleiter war ein besonders scharfer Antisemit, Franz Schwede-Coburg in Stettin, der sich schon 1940 rühmte, Pommern sei judenfrei.
Der Kirchgemeinderat des Kirchspiels Prerow (mit Prerow, Ahrenshoop, Wieck und Born) war seit dem Sommer 1933 deutsch-christlich (Einheitsliste).
In Born wirkte maßgeblich der spätere Generalmajor der Waffen-SS Franz Mueller-Darß (seit 1933 NSDAP-Mitglied; seit 1936 SS; nach 1945 Bundesnachrichtendienst), der dem Reichsführer SS Heinrich Himmler direkt unterstellt und für das nationalsozialistische Diensthunde-Wesen im Wirtschafts- und Verwaltunghauptamt der SS (WVHA) und damit auch für die Ausbildung von Wachhunden für die Konzentrationslager verantwortlich war.
Mueller-Darß war ab 1940 „zuständig“ für die KZ-Außenlager in Wieck und in Born.
In Born gab es zusätzlich ab 1943/44 eine SS-Meilerei, in der die Häftlinge, die im KZ-Außenlager „Borner Hof“ in Born untergebracht waren, arbeiten mußten. Der Köhlermeister jener SS-Meilerei ist ein wichtiger Zeitzeuge (vgl. die Tonaufnahmen auf der facebook-Seite und im blog). Im Borner Hof (mitten im Dorf!) waren zeitweise bis zu 120 Häftlinge untergebracht, die von 20 SS-Wachmännern bewacht wurden.
Es gab mehrere Tote in diesem KZ. Die Tochter des Gastwirts vom „Borner Hof“ berichtete davon, daß sie die gestorbenen Häftlinge auf dem Hof des Hotels nackt habe liegen sehen. Auch sind zwei auf der Flucht erschossene Häftlinge bezeugt (Born und Prerow), sowie ein erschossener Flüchtling in Zingst.
Das KZ-Außenlager im Borner Hof in Born sowie die SS-Meilerei in Born sind von erheblicher regionalgeschichtlicher Bedeutung, weil nachgewiesen werden kann, dass der Kontakt zwischen Zivilbevölkerung, SS und KZ-Häftlingen sehr eng und vielfältig war (vgl. dazu die einzelnen Zeugen-Aussagen auf der facebook-Seite und im blog). Die Schutz-Behauptung, man habe „nichts gewusst“, ist nachweislich falsch.
Anhand von Ortsplänen wird ersichtlich, dass in Prerow schon sehr früh eine Umbenennung der wichtigsten Straßen im Ort stattgefunden hat (Hitler-Platz, Goebbels-Straße; Horst-Wessel-Straße etc.),, Ausdruck der „neuen Zeit“.
Von Pastor Pleß (Pfarrer in Prerow von 1931 – 1961) sind massive Probleme zwischen Kirche und NSDAP dokumentiert, obwohl Pleß dem Gedankengut der Deutschen Christen nachweislich sehr nahe stand.
Besonders die HJ-Jugendlager in Prerow auf der Pfarrwiese (teilweise mit mehr als 1500 HJlern) führten zu massiven Konflikten.
Badegäste beschrieben, dass der Strand in Prerow ab 1934/35 von Hakenkreuzfahnen übersät war. Ab spätestens 1935 hatten Juden keinen Zutritt mehr zum Strand.

Gleichzeitig gab es Zeugnisse des Widerstandes gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Dietrich Bonhoeffer war 1934/35 im Zingsthof in Zingst, predigte dort auch öffentlich in der Kirche. Pastor Krause aus Zingst wurde gegen Ende des Krieges wegen Wehrkraftzersetzung inhaftiert und vor den Volksgerichtshof gestellt, konnte aber durch die einmarschierenden russischen Soldaten aus seiner Haft in Stralsund befreit werden.

Die Recherchen zu Ahrenshoop, Zingst und Wieck stehen noch ganz am Anfang. Dokumentiert ist ein Flüchtling aus Born, der in Zingst gefunden und erschossen wurde. Dokumentiert ist ebenfalls ein KZ-Außenlager in Wieck.

Barth und Zingst waren militärisch wichtige Orte.  Flugzeug- und Munitionsproduktion in Barth (KZ-Außenlager!) und militärisches Testgelände in Zingst prägten die Region nicht nur in Bezug auf Arbeitsplätze, sondern vor allem auch in Hinblick auf kriegswichtige Produktion und Propaganda. Das KZ-Außenlager und das Kriegsgefangenenlager sind dank jahrelanger Recherchen vor allem durch Frau Radau in Barth mittlerweile sehr gut dokumentiert.

Zwischenfazit: es finden sich recht brauchbare Quellen über die Zeit zwischen 1933-1945 auf dem Darß.
Deshalb ist es aus meiner Sicht völlig unverständlich, weshalb die Kommunen des jetzigen Amtes Fischland-Darß-Zingst die Jahre zwischen 1933 und 1945 in ihren öffentlichen Darstellungen faktisch verschweigen.
Es wäre aus meiner Sicht sehr angemessen, an wichtigen Orten jener Jahre, zum Beispiel am „Borner Hof“ Gedächtnis- und Informationstafeln anzubringen. Die Dokumentation des Geschehenen ist dafür umfänglich und ausreichend.

Ich werde auf der Projekt-Seite bei facebook und hier im blog fortlaufend über weitere Rechercheergebnisse berichten.

Der Darß unterm Hakenkreuz (1933 – 1945). Das KZ in Born a. Darß (1)


Langsam öffnen sich die Archive, die Recherchen machen Fortschritte, wichtige Dokumente tauchen auf.

Born. Ortschronist Holger Becker mit der „Akte KZ Born“, 30.09.2019

Zunächst: ich habe Herrn Holger Becker in Born zu danken. Er hat in jahrelanger Klein- und Kleinstarbeit alles zusammengetragen, was man vor Ort über das KZ im „Borner Hof“ herausfinden konnte. Davon kann ich nun profitieren. Gestern haben wir zum ersten Mal über den Akten gesessen. Sicher nicht zum letzten mal.
Wir beginnen mit diesem Dokument:

Der „Borner Hof“ wird Häftlingslager; Dokument 1; Ortsarchiv Born Holger Becker; 30.9.2019

Wir sehen eine maschinenschriftliche Mitteilung ohne Datum von Frau Albitius (also offenbar nach einem Gespräch mit ihr in späteren Jahren notiert) über die faktische Enteignung oder Beschlagnahme ihrer Gaststätte. Wir erfahren handschriftlich von Herrn Becker später hinzugefügt aber gleichzeitig auf dem Dokument, dass ihr Mann, Max Albitius seit 1933 Mitglied der NSDAP in Born war, weshalb es mit der „Enteignung“ oder „Beschlagnahme“ nicht so ganz klar ist. Man wird geredet haben miteinander, der Forstmeister Mueller-Darß von der SS und der Herr Albitius von der NSDAP……
Wir wissen mittlerweile auch genauer, was mit „Frühjahr 1944“ gemeint ist, denn es gibt Zeugenaussagen von Menschen, die als Häftlinge in Born waren, doch dazu später.
Zunächst also wird mitten im Ort die Gaststätte „Borner Hof“, ehemals „Witt’s Hotel“, der Ort, wo bislang alle großen Feste und Veranstaltungen stattfanden ein KZ-Außenlager. Die Fenster werden vergittert, der Große Saal wird mit dreistöckigen Betten ausgestattet, die ganze Anlage wird mit Stacheldraht eingezäunt. 20 Mann bewachen den „Borner Hof“ – mitten im Dorf. Die Liste der SS-Bewacher hat sich auch angefunden:

KZ Born, die Wachmannschaft; Ortsarchiv Born, Holger Becker, 30.09.2019

Frau Helga Radau in Barth, teilte mir heute früh per e-mail mit, es gäbe auch eine Häftlingsliste. Sie schrieb: „Im Stadtarchiv Barth befanden sich Reproduktionen von Häftlingstransportlisten, die nun in unserer Dokumentationsstätte lagern, darunter eine Liste “ 30 Austauschhäftlinge von der SS-Meilerei Born“ vom 14. April 1945. Das bedeutet also, dass arbeitsunfähige Männer gegen arbeitsfähigere ausgetauscht wurden“.
Jetzt wird die Sache komplizierter: Wir lesen: 14. April 1945. Eine Gruppe Häftlinge kommt im Lager in Barth an. Barth war Außenlager von Neuengamme.
Das Lager in Born aber gab es schon vor 1945. Und zwar in mehreren „Durchgängen“.
Der Sachverhalt ist folgender: aus Ravensbrück bzw. Neuengamme kamen nacheinander mehrere Häftlingsgruppen nach Born. Sie kamen zum „Rohrschneiden“ bzw. in die „SS-Meilerei Born“, die gar nicht in Born, sondern in Bliesenrade bei Born errichtet war. Die Rohrschneider waren auch in Wieck. Sie waren dort ebenfalls in der Gaststätte untergebracht (im ersten Transport), später in einem Viehstall. Die „Rohrschneider“ mussten im Januar/Februar im eiskalten Wasser Rohr schneiden, das in Ravensbrück zu Matten weiterverarbeitet wurde.

KZ Born, Dokument 2; Ortsarchiv Born, Holger Becker, 30.09.2019

KZ Born 10.09.1944 ; Ortsarchiv Born, Holger Becker, 30.09.2019

Am 10. September 1944 traf eine Häftlingsgruppe von „104 russischen Kriegsgefangenen“ in Born ein und „störte unsere Sonntagsruhe“. Schreibt Walter Mett. Eine schillernde Quelle, denn: Mett wurde von den Nationalsozialisten als Ortsvorsteher abgesetzt, trat dennoch in die NSDAP ein. Mett arbeitete später nicht „als Waldarbeiter“, wie im Dokument geschrieben ist, sondern im Büro von Mueller-Darß. Holger Becker hat diese Informationen später handschriftlich nachgetragen:

KZ Born, Bericht Walter Plett (2), Ortsarchiv Born, Holger Becker, 30.09.2019

Danach war Walter Mett 1930 – 33 Amtsvorsteher; seit 1935 in der NSDAP, seit 1937 SA, seit 1937 Deutsche Arbeitsfront. Dass er als „Forstschreiber“ tätig war, ist auch aktenkundig, ich habe die Kopie des Arbeitsvertrages mit Mueller-Darß eingesehen, die auch im Archiv in Born lagert.
Die verschiedenen Häftlingsgruppen, die auf den Darß kamen, sind hier zusammenfassend dokumentiert:

KZ Born, Zusammenfassende Daten; Ortsarchiv Born, Holger Becker 30.09.2019

Daraus geht hervor, dass schon im Winter 1940/41 eine erste Häftlingsgruppe zum Rohrschneiden eingetroffen war. Wir wissen nun, daß im kleinen Dörfchen Born von 1940 bis 1945 mitten im Dorf Häftlinge untergebracht waren.

KZ Born, Einsatzplan Häftlingsgruppen; Ortsarchiv Born, Holger Becker 30.09.2019

Aus dem folgenden Dokument geht hervor, dass in Wieck a. Darß Bibelforscher (Zeugen Jehovas) zum Rohrschneiden eingesetzt waren. Die Angabe „zusammen mit 600 Bibelforschern“ ist unzutreffend. Die Gruppe war deutlich kleiner.

KZ Born Zeitzeugen, Ortsarchiv Born, Holger Becker 30.09.2019

Die SS-Meilerei in Born/Bliesenrade behandle ich in einem separaten Beitrag.

 

KZ-Außenlager Born a. Darss – Und sie schweigen immer noch


Da
KZ-Häftlinge aus dem „Borner Hof“ sind ganz in der Ecke des Friedhofs von Born a. Darss bestattet. Die Geschichte vom „Borner Hof“ wird bis heute beschwiegen.

„Da hinten ganz in der Ecke“ sei „das Russengrab“ sagt mir der Mann auf dem Friedhof in Born. Was es mit diesem angeblichen „Russengrab“ auf sich hat, hab ich mittlerweile herausgefunden:
Wenn man nach Born auf dem Darss fährt, findet man mitten im Ort den „Borner Hof“, eine ehemalige Gaststätte. Vom FDGB kann man etwas lesen, auch davon, dass das Haus einst dem Kapitän Witt gehört hat, weshalb es auch „Witt’s Hotel“ hieß. Dass im „Borner Hof“ im Jahre 1943 etwa 120 Häftlinge – allesamt Zeugen Jehovas – in einer KZ-Außenstelle untergebracht und von etwa 20 SS-Leuten bewacht wurden, davon steht nichts geschrieben. Die Häftlinge wurden eingesetzt, um „Rohr zu schneiden“ – ohne Schutzkleidung im eiskalten Boddenwasser…..
Erst mühsame Recherche fördert nun zu Tage, was eigentlich auf eine öffentliche Erinnerungstafel gehört. http://www.dok-barth.de/vvn/veroeff/oz_30_06_2007.pdf

Borner Hof „Wie es früher war“. Das KZ-Außenlager wird immer noch verschwiegen. Wir schreiben das Jahr 2019. Das Gedicht dazu „…unter seinem Dache wohnt sich’s angenehm“ ist angesichts der Umstände blanker Zynismus.

 

Borner Hof im September 2019. Heute Treffpunkt der Senioren, Dorfgemeinschaftshaus und Dorfbibliothek

Was also können wir wissen? Ende 1943 treffen 120 Häftlinge in Born ein.
In der etwa einen Kilometer vom «Borner Hof» entfernt liegenden Meilerei mussten die Häftlinge Holz zur Betriebsstoffbeschaffung «verkohlen». Die Meilerei bestand aus sechs Meilern (Metall-Brennöfen). Als einen weiteren Nebenbetrieb kaufte die SS 1943 Teile eines privaten Bauernhofes vom staatlichen Forstamt an und richtete dort eine Hartholzbearbeitung in den Wirtschaftsgebäuden ein. Im Winter wurde zusätzlich am Saaler Bodden Reet geschnitten, das aber nur noch direkt vor Ort für Reetdächer gebraucht wurde. Verantwortlich für den Arbeitseinsatz war Forstmeister Franz Müller.
Drei sowjetischen Häftlingen gelang in der Nacht zum 12. Oktober 1944 die Flucht, worauf die Kriminalpolizeistelle Schwerin eine Fahndung veranlasste.
Es gibt Hinweise, dass fünf Männer im Oktober 1944 bei einem Fluchtversuch erschossen und am Rande des Borner Friedhofes begraben wurden.

Unterbringung
Gaststätte Borner Hof
(„Witt’s Gasthaus“ (später auch „Borner Hof“) wurde um 1885 erbaut und entwickelte sich schon zehn Jahre später zum ersten Hotel am Platze. War Prinz Eitel Friedrich als Jagdgast auf dem Darß, wurde er von hier mit Rauchware und Getränken beliefert.)
Das Lager wurde von ca. 20 SS-Männern bewacht, die im zweiten Stock der Gaststätte untergebracht wurden. Dort wurde auch das Dienstzimmer des Kommandoführers Wilhelm P. eingerichtet. Die Häftlinge brachte man im großen Saal unter. Dort existierten dreistöckige Betten. Zum gleichen Zeitpunkt befanden sich vermutlich polnische Zwangsarbeiter im «Borner Hof». (http://www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-lager-1/1933-1945-lager-d/dar-born-gaststaette-borner-hof.html)
Ich hatte schon Hinweise auf das Außenlager bei Wolfgang Benz gefunden https://www.perlentaucher.de/buch/wolfgang-benz-barbara-distel/der-ort-des-terrors-geschichte-der-nationalsozialistischen-konzentrationslager-neun-baende-2009.html

„Zuständig“ und verantwortlich für das Lager in Born war Forstmeister Franz Mueller-Darß, der „Beauftragte für das Diensthundewesen“ beim „Reichsführer SS Heinrich Himmler„. Er bildete die Wachhunde für die Konzentrationslager aus…..Mueller-Darß bekleidete 1944 zum Schluss seiner SS-Karriere den Rang eines SS-Oberführers, konnte sich verstecken und fliehen, arbeitete nach dem Krieg für den Bundesnachrichtendienst und starb „friedlich“ 1976 im oberbayrischen Lenggries. Eine juristische Aufarbeitung weder der Außenlager auf dem Darss noch der Verantwortlichkeit von Mueller-Darss hat nie stattgefunden.
Man schweigt bis heute. (https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Mueller-Dar%C3%9F)

Cornelia Schmalz-Jacobsen notiert in ihre Erinnerungsbuch „Russensommer“ über den Mai 1945: „Was ist eigentlich aus Mueller-Darß geworden?“ fragte ich Friedel, „hat der sich eigentlich auch umgebracht?“ ….doch Friedel wusste es nicht. Von Mueller-Darß hatte er lange nichts gehört, und so sagte er nur: „Umgebracht? Nein, das glaube ich nicht.“…..Tatsächlich hatte sich Mueller-Darß nicht umgebracht, sondern nur gut versteckt. Er kannte den dichten Wald und auch einen gut mit Proviant gefüllten Bunker darin. Dort verpasste er den Einmarsch der Russen. Zwar durchkämmte die Rote Armee die Wälder gründlich mit Suchkommandos, doch der SS-Standartenführer und Hundeabrichter Mueller-Darß ging ihnen dabei durch die Lappen – sie fanden ihn nicht. Mueller-Darß hatte großes Glück, denn es gelang ihm, in einem Boot über den Bodden in Richtung Hamburg zu entwischen. Wie es heißt, geriet er dort kurze Zeit in britische Gefangenschaft, durfte dann aber nicht mehr zurück in die Forstverwaltung und den öffentlichen Dienst. So kam er schließlich – wen wundert es heute noch – beim Bundesnachrichtendienst unter und starb erst 1976 im Alter von sechsundachtzig Jahren in Oberbayern. Er starb friedlich – seine Rolle im KZ-Außenlager Darß oder als Himmlers Beauftragter für das Diensthundewesen, Diensthunden, die in Konzentrationslagern gezielt Menschen angriffen, ist nie aufgearbeitet worden.“
(Cornelia Schmalz-Jacobsen, Russensommer,  S. 105 f.).

Was neben der fehlenden juristischen Aufarbeitung in meinen Augen beinahe noch schwerer wiegt: man beschweigt diese Tatsachen auf dem Darss bis heute. Es könnte ja dem Tourismus schaden. Mich ärgert das. Deshalb mache ich die Funde nun nach und nach öffentlich.
Wenn man sich die Chroniken der Orte auf dem Darss (Prerow, Wieck, Born) auf den Internetseiten der entsprechenden Kommunen besieht: die Jahre zwischen 1933 bis 1945 haben da nicht stattgefunden. Hitler und den Nationalsozialismus hat es hier offiziell nie gegeben. Dass Prerow sich schon 1929 rühmte, „judenfrei“ zu sein, wird verschwiegen. Es wird Zeit, dass da „Luft dran kommt“.
Deshalb werde ich meine Recherche-Ergebnisse über jene Zeit im pommerschen Landkreis Franzburg-Barth hier nach und nach veröffentlichen.