Der Einsturz der Gartzer Brücke am 19. 9. 1926. Gartzer Geschichten. Clip 5

Der Einsturz der Gartzer Brücke am 19. 9. 1926. Gartzer Geschichten. Clip 5

„1926 is unsre Brücke jebaut und gleich einjestürzt. Da sind drei Mann mit umm’t Leben jekomm. 1926, wie Ilse jeboren is“ erzählt Martha Dähn, geborene Engelmann etwa im Jahre 1980.

Das war ein einschneidendes Ereignis für das Ackerbauernstädtchen und hat sich tief ins Ortsgedächtnis eingebrannt. Die alten Gartzer datieren ihre Erinnerungen nicht selten in die Zeit „vor der Brücke“ und in die Zeit „nach dem Einsturz der Brücke“. Und für die damals knapp 24-jährige Martha Dähn verbindet sich diese Erinnerung mit der Erinnerung an die Geburt ihrer Tochter Ilse am 22. Mai 1926.

Man kann heute noch recht gut recherchieren, was damals vor sich gegangen ist, einige Zeitungen aus jenen Jahren stehen ja inzwischen online zur Verfügung. Eine alte Holzbrücke über die Oder hatte es über Jahrhunderte gegeben, die Gartzer Landwirte hatten ja ihre Felder und Wiesen auf der anderen Seite der Oder und mussten oft über den Strom. Allerdings war die Holzbrücke eingestürzt und lange gab es keinen Ersatz, weshalb man Kühe und anderes Vieh mit einem Kahn über die Oder bringen musste. Martha Dähn wird an anderer Stelle davon erzählen.
Der Wunsch der Gartzer nach einer „neuen Brücke“ führte dann im Jahre 1925 zum Beginn des Baus. Ausgeführt wurde sie mit einer in Deutschland damals noch weitgehend neuen Brückenbau-Technologie: Stahlbeton.

Zehn Tage vor der Eröffnung der neuen Brücke, am 19. September 1926, stürzte diese neue Brücke ein. Das „Schwedter Tageblatt“, das ich hier der Einfachheit halber einlese und akustisch dokumentiere, berichtet folgendermaßen von den Ereignissen.
„Schwedter Tageblatt“ vom 21. 09. 1926:

Man kann sich die Aufregung in dem kleinen Ackerbauernstädtchen an jenem Wochenende lebhaft vorstellen. Das oben im Beitrag wiedergegebene Foto hat noch etwas von der Atmosphäre eingefangen. Und findige Unternehmer aus der Umgebung wussten die Sache auch zu nutzen, wie diese Anzeige im „Schwedter Tageblatt“ vom 21.09. 1926 belegt.

Die Sache zog natürlich Kreise und wurde untersucht. Im „Schwedter Tageblatt“ vom 21. 9. stand zu lesen, daß der für den Bau verantwortliche Betonmeister aus Berlin verhaftet worden sei. Weiter ist zu erfahren:

Allerdings wurde Betonmeister Firch schon bald wieder aus der Haft entlassen. Das „Schwedter Tageblatt“ weiß am 22. 9. 1926 in einem längeren Text inzwischen Folgendes:

Die Gartzer Stadtverwaltung hatte sich in jenen Tagen entschieden, trotz allem Unglück eine neue Brücke errichten zu lassen. Diese wurde – nach aufwändiger Beseitigung der Reste der Betonbrücke, große Teile mussten gesprengt werden – als Stahlkonstruktion ausgeführt. Diese Stahlbrücke konnte 1928 eröffnet werden und hielt bis zum April 1945, als sie von deutschen Pionieren gesprengt wurde, um den Vormarsch der Sowjetarmee, die schon breit aufgestellt am Ostufer der Oder lag, aufzuhalten. Auch zu diesem Abschnitt in der Ortsgeschichte kommen wir noch.

Geschichten von der Oder. Clip 2. Vom Zeppelin über der Uckermark und vom Untergang der Titanic

Geschichten von der Oder. Clip 2. Vom Zeppelin über der Uckermark und vom Untergang der Titanic

Das vorliegende Tonband ist vor etwa vierzig Jahren aufgenommen worden. Martha Dähn (*1902) erinnert sich an ihre Zeit in Gartz an der Oder am Ostrand der Uckermark. .“Schön am Strom gelegen“, wie Johannes Bobrowski vielleicht sagen würde. Dieses etwa einstündige Band teile ich in kleine Abschnitte auf und kombiniere Tondokument und Transskription, um es als Quelle für die Ortsgeschichte zur Verfügung zu stellen, solche alten „oral history“ Dokumente sind ja eher selten.

Martha Dähn, geborene Engelmann wohnte beinahe ihr ganzes Leben in Gartz an der Oder in der Großen Mönchenstraße 360. Von dort aus hat sie die Welt kennengelernt. Die Welt kurz nach der Jahrhundertwende im kleinen Ackerbürgerstädtchen Gartz mit etwa 3.500 Einwohnern. Man kannte sich. Bauern, Fischer, Handwerker, ein Gymnasium, ein Gericht, einen „Supperndenten“ von der Kirche, einen „Paster“ auch. Und dann natürlich das eine oder andere „Original“, wie es sich gehört für einen uckermärkisch-pommernschen Ort.

Im heutigen clip erinnert sich Martha Dähn an den Zeppelin und an die Titanic. Vom Untergang der Titanic erfuhren die Menschen aus der Zeitung oder, wie man damals sagte, von den „Zigeunern“, denn, wenn die „zum Volksfest“ nach Gartz kamen, hatten sie die neuesten Nachrichten „auf die Planen gemalt“, Fernsehen und Radio gabs ja noch nicht. Wir hören auch von Zauberern und „Hipnotisierern“, erahnen etwas von der Stimmung bei einem Gartzer Volksfest kurz nach der Jahrhundertwende, so, wie es sich in der Erinnerung der mittlerweile Achtzigjährigen eingegraben hat. Im Originalton klingt das so:

Zepplin[1], ja! So 1911 muss et jewesen sind. 1910 oder 1911. Da warick noch’n klein Mädchen. Und da haben se lauter Zettel runterjeschmissen.  Wees ick noch janz jenau. Wie die Zijarre[2] so rüber kam so janz langsam. Ja.“

Wann war dat, 1910 oder 1911, wo die Titanic[1] unterjejang is?
Da kam se bei uns: so’n großen Wagen, mit lauter Leinen bespannt ringsrum und da war dat all’s jezeichnet. Der janze Untergang der Titanic.

Da ist so’n Zauberer jewesen, eener, der hat denen wat vorjemacht, und da hat er jesacht: „Bei mir jehen die Leute durch’n Baumstamm!“ Er ginge jetzt durch’n Baumstamm.
Und da ham die jesacht: „Nee, dat is nich wahr!“
Und dann isser, ham auch wirklich jedacht, er jeht durch’n Baumstamm, und eene Frau hat jesacht: „Nee, der is nich durch’n Baumstamm, der is gleich nebenbei jejang.“  Die hat dat jesehn.
„Huh, Wasser, Wasser!“ hat er jesacht und da hat sie janz und jar die Röcke hat se hoch jenomm.
Und die Leute haben jelacht, und wie! Du, früher war dat überhaupt, wo dat allet frei war, da kam so ne, na, die so hipnotisiert[2] ham. Und dat war, wie hieß er denn noch, Mensch, siehste, ick hab den Nam‘ verjessen.
Die sagen, der is früh jestorben.
Da hat er se immer hipnotisiert, da war’n Leute bei uns, der hatte die Gasanstalt, und wir jingen ja immer da hin, wenn wat los war. Bei uns war ja wenig und denn jing[3] wir da hin.
Und da sacht er zu ihm, er soll uffen Tisch, nee, ein Flugzeug fährt über, nich, und er soll winken und so jelenkig und denn hopst er aufen[4] Tisch und hat jewunken, als ob er richtig da dem Flugzeug zuwinkt, haha, dabei war jar nüscht.
Und erst sacht er, wir mussten alle so machen, guck mal, so. Und die dat so nich auseinander krichten, ob er damit wat bezweckt, die hat er wohl, die hat er auch meist hoch[5] jeholt. Und denn hat er allet versteckt bei die Leut und denn immer wieder rausjeholt, ach, wie hieß denn dieser Kerl noch, dat war so ein Schwarzer. Da zogen sie ja all mit sowat rumher.
Und denn nachher, da waren welche da, die ham solche Ringkämpfe jemacht. Und denn mussten welche vom Publikum ruff komm‘, wer da mitmacht, nich. Und denn da ruff[6]. Und denn nachher, ach, dat war immer ein Gaudium! Da war immer wat los.“


[1] Die „Titanic“ galt damals als das schnellste und sicherste Passagierschiff der Welt. Auf seiner ersten Fahrt ist das Schiff am 14. April 1912 auf einen Eisberg gefahren und untergegangen.

[2] Ein Hypnotiseur also

[3] Gingen

[4] Auf den

[5] Auf dem Markt war wohl eine kleine Bühne aufgebaut. Und die ausgesuchten Leute mussten dann „hoch“ auf die Bühne für die Kunststückchen beim Jahrmarkt.

[6] Rauf auf die Bühne. Den einfachen Bauersleuten ist das nicht leicht gefallen. Jetzt konnte einen ja jeder sehen…..



[1] Zeppelin. Ein mit Wasserstoff gefülltes, riesiges Luftschiff

[2] „Zigarre“ sagten die Leute, weil das Luftschiff wie eine große Zigarre aussah

Mueller-Darss und der „Werwolf“

Mueller-Darss und der „Werwolf“

Der Historiker und Journalist Dr. Edwin Sternkiker von der Ostsee-Zeitung in Ribnitz-Damgarten, der sich intensiv mit der NS-Zeit und auch der Zeit danach auf dem Darss befasst hat und befasst, meint, Franz Mueller-Darss habe am Ende des Krieges im April/Mai 1945 versucht, von seinen Bunkern im Darss-Wald aus Aktionen des „Werwolf“ zu organisieren. Schriftliche Belege dafür habe ich bislang in den untersuchten Akten zu Mueller-Darss nicht gefunden, was auch seltsam wäre, ich will aber dennoch dieser Spur einmal genauer nachgehen.
Gesichert ist, dass sich Mueller-Darss ab dem 30. April 1945 in Bunkern im Darss eingegraben hat.
In seinem Buch „Kein Ort zu bleiben“ (Schweiz 1955) spricht er von zwei Bunkern, im Buch „Verklungen Horn und Geläut“ (verfasst von dem NS-Schriftsteller Wolfgang Frank) ist von vier Bunkern die Rede.
Die Frage ist, weshalb Mueller-Darss nicht auf die Flucht gegangen ist, sondern weshalb er sich überhaupt eingegraben hat. Klar war, „die Russen“ suchten ihn. Er behauptet, „10.000 Mark“ seien auf ihn ausgesetzt gewesen. In seinem Buch „Kein Ort zu bleiben“ behauptet er, er sei „aus Liebe zu meinem Wald“ geblieben, er habe „seinen Lebensinhalt“ auf dem Darss gefunden und wollte deshalb bleiben.
Das ist wenig glaubwürdig. Man bleibt nicht, wenn man mit Kopfprämie gesucht wird, nur weil man einen Wald schön findet.
Glaubwürdiger ist ein anderer Gedanke: dass sich der SS-Mann Mueller „so lange es irgend geht gegen die Russen“ zur Wehr setzen wollte. Mueller-Darss war er verblendeter Russen-Hasser, die Belege dafür sind zahlreich.
Allerdings schreibt er in „Kein Ort zu bleiben“:
„Zwar habe ich meine Waffen vergraben, doch wollen wir sie nicht anrühren. Ich habe keine Lust, Werwolf zu spielen. Das war die letzte verrückte, verbrecherische Idee, die in Berlin ausgeheckt wurde. Der Krieg ist aus, und jeder, der die Waffe och einmal aufnimmt, ist des Todes. Und ist ein Narr!“
Diese Bemerkung wiederum könnte ein nachträglicher Vertuschungsversuch seines Verhaltens sein. Das Buch erschien erst 1955, also zehn Jahre nach den Ereignissen in einer Zeit, in der man nicht gern an seine SS-Vergangenheit erinnert werden wollte.

Klar ist zweitens: Mueller-Darss und Himmlers Beauftragter für die „Werwolf“-Organisation, der SS-Oberführer Hans-Adolf Prützmann kannten sich. Und zwar kannten sie sich gut. Sie waren mehrmals bei Himmler zu Tisch, wie ich anhand des Diensttagebuches von Himmler kürzlich nachgewiesen habe. Mehr noch, sie waren „gute Kameraden“.
Mueller-Darss berichtet im Buch „Verklungen Horn und Geläut“:
„Ich habe auch noch einmal eine Frau gefunden, zudem die Witwe eines Kameraden, ……“ (433 in der 15. Auflage von 1985).
Diese Frau war Christa, geb. von Boddien, verwitwete Prützmann, wie meine Recherchen nachweisen konnten. Ihre Todesanzeige von 2008 gibt den Hinweis. Ihre Söhne unterzeichnen mit „Prützmann“, nicht mit „Mueller-Darß“.
Auch diese enge Verbindung zwischen der Familie Prützmann und Franz Mueller-Darss könnte ein Hinweis dafür sein, dass sich der „Forstmeister“ eher den „Werwölfen“ angeschlossen hat, als einfach in den Westen zu ziehen. Der Darss war militärisches Sondergebiet, Anschläge hätten wirkungsvoll sein können. Allerdings: es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Mueller-Darss und seine Kumpane, mit denen er im Bunker gesessen hat, tatsächlich Anschläge verübt haben.
Heute fand ich eine englisch-sprachige Aufzeichnung über die „Werwölfe“, die hier im Beitrag eingefügt sein soll. Zu sehen sind unter anderem Reichsführer SS, Heinrich Himmler und sein Werwolf-Organisator Hans-Adolf Prützmann. Auch gibt es einführende Hinweise im „Lebendigen Museum online.“ Klar ist: am Ende des Krieges waren es oft verblendete sehr junge Hitler-Jungen, die als „Werwölfe“ unterwegs waren, wie der Schriftsteller Erich Loest im hier verlinkten Beitrag des ZDF von sich erzählt. In der sowjetischen Besatzungszone sind viele von ihnen zunächst im NKWD-Sonderlager (zum Beispiel in Fünfeichen oder auch in Hohenschönhausen), nicht wenige von ihnen auch im Gulag gelandet. So mancher Ort ist von der Roten Armee beinahe dem Erdboden gleichgemacht worden, nur weil in den letzten Tagen des Krieges solche verblendeten „Werwolf“-Jüngelchen auf einem Kirchturm die Hakenkreuzfahne gehisst haben, obwohl die russischen Panzer schon direkt vor dem Ortseingang standen, wie es in Gartz an der Oder beispielsweise gewesen ist. Dieser Heimatort meiner Familie war bis unmittelbar vor dem Kriegsende fast völlig unversehrt, wurde dann aber zu einer Ruinen-Stadt, als Hitler-Jungen, die sehr wahrscheinlich den Werwölfen zuzurechnen sind, die alte Fahne auf der Kirche gehisst haben. Die militärischen Erfolge, die sich Himmler von den „Werwölfen“ erhoffte, sind nicht eingetreten.

Die Ganoven an Himmlers Tafelrunde

Die Ganoven an Himmlers Tafelrunde

Reichsführer SS Heinrich Himmler lud regelmäßig zum Essen ein. Mittagessen gab es pünktlich um 14 Uhr. Abendessen – je nach Lage – zwischen 20 und 21 Uhr. Ich habe die gerade neu herausgebrachten Diensttagebücher Himmlers der Jahre 1943-1945 auf Treffen zwischen Himmler und Franz Mueller-Darss hin ausgewertet. Ich wollte wissen, mit wem sich Mueller-Darss an Himmlers Tisch getroffen hat. Dieses „Ganoven-Netzwerk“ wurde nach dem Kriege zentral wichtig, als es für viele darum ging, eine neue Identität und eine neue Karriere aufzubauen. Die Recherche der Tischgäste ist nur ein erster Beginn – was aber jetzt bereits sichtbar wird: hier handelt es sich um Ganoven-Netzwerk erster Güte. Viele von denen wurden in Kriegsverbrecherurteilen verurteilt, etliche haben sich das Leben genommen, manche wurden hingerichtet, einige sind geflohen und untergetaucht. Aber: man kannte sich vom Essen beim Reichsführer SS.

Quelle: Diensttagebuch Heinrich Himmler 1943-45, hrsg. Von Matthias Uhl, u.a. Piper, 2020.

  1. Dienstag, 28. Juni 1943 Berchtesgaden

14 Uhr Essen mit SS-Obergruppenführer Lorenz[1], SS-Obergruppenführer von dem Bach[2], SS-Gruppenführer v. Herff[3], SS-Gruppenführer Oberg[4], SS-Brigadeführer Kammler[5], SS-Brigadeführer v. Alvensleben[6], SS-Standartenführer Mueller.
15 Uhr: Vorführung eines Hundeschlittens durch Mueller

  • Mittwoch, 9. Juni 1943 Berchtesgaden.
    20.15 Uhr Essen mit SS-Obergruppenführer Lorenz, SS-Standartenführer Mueller.
  • Donnerstag, 10. Juni 1943 Berchtesgaden (Himmler ist erkältet im Bett)
    15 Uhr Treffen Himmler-Mueller

4. Sonntag, 19. September 1943 Feldkommandostelle Hochwald (Nähe Wolfsschanze, Ostpreußen)
14 Uhr Mittagessen Himmler mit SS-Obergruppenführer Berger[7], SS-Obergruppenführer Krüger[8], SS-Brigadeführer Glücks[9], SS-Standartenführer Mueller, SS-Standartenführer Rode[10], SS-Hauptsturmführer Cantow[11].

5. 17.10 Uhr SS-Brigadeführer Glücks, SS-Standartenführer Mueller
6. 17.50 Uhr SS-Standartenführer Mueller (Vieraugengespräch mit Himmler)
7. 20.10 Uhr Abendessen mit SS-Obergruppenführer von dem Bach, SS-Obergruppenführer Berger, SS-Obergruppenführer Krüger, SS-Standartenführer Rode, SS-Standartenführer Mueller, SS-Standartenführer Lammerding[12].

8. Montag, 20. September 1943 Feldkommandostelle Hochwald
14.00 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Berger, SS-Obergruppenführer Jüttner[13], SS-Brigadeführer Kammler, SS-Brigadeführer Fegelein[14], SS-Standartenführer Mueller, SS-Obersturmbannführer Ruoff[15], SS-Obersturmbannführer Dr. Stumpfegger[16], SS-Sturmbannführer Gräßler[17], SS-Sturmbannführer Reinhardt[18].

9. Montag, 7. Februar 1944 Feldkommandostelle Hochwald
20.30 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Staatsminister K.H. Frank[19]; SS-Obergruppenführer Prützmann[20], SS-Standartenführer Mueller, SS-Obersturmführer Wittmann[21] (LSSAH), Herr Febrans (Begleiter v. SS-Ogruf. Frank), SS-Unterscharführer Fritsch[22].

10. Dienstag, 8. Februar 1944 Feldkommandostelle Hochwald
14.00 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Prützmann, SS-Standartenführer Mueller, SS-Sturmbannführer Kment[23], SS-Obersturmführer Wittmann, Oberleutnant Ritter.

11. Mittwoch, 9. Februar 1944 Feldkommandostelle Hochwald
14.00 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Prützmann, SS-Obergruppenführer Hildebrandt[24]; SS-Standartenführer Mueller; SS-Obersturmbannführer Tiefenbacher[25], SS-Sturmbannführer Christoph, SS-Hauptsturmführer Eicker, Hauptmann Kaatz, Fräulein Lorenz,

12. Montag, 22. Mai 1944 Feldkommandostelle Bergwald (in der Nähe von Hitlers Berghof)
20.00 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Stuckart[26], SS-Gruppenführer Bracht[27], SS-Brigadeführer Kreißl[28], Regierungspräsident Dr. Faust, SS-Brigadeführer Diermann[29], Oberst Flade, SS-Standartenführer Mueller, Dr. Bode[30].

13. Dienstag, 23. Mai 1944 Feldkommandostelle Bergwald (bei München)
14 Uhr Mittagessen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Dr. Stuckart, SS-Gruppenführer Simon[31], SS-Gruppenführer Bracht[32], SS-Brigadeführer Kreißl, Regierungspräsident Faust, SS-Standartenführer Mueller, SS-Obersturmbannführer Becher[33], SS-Standartenführer Wagner[34], SS-Sturmbannführer Backhaus

14. Mittwoch, 24. Mai 1944 Feldkommandostelle Bergwald/Sonthofen
13.30 Uhr Gespräch Himmler mit SS-Standartenführer Mueller-Darß

15. 13.45 Uhr Essen mit SS-Gruppenführer Johst[35], SS-Obersturmbannführer D´Alquen[36], SS-Obersturmbannführer Stumpfegger[37], SS-Standartenführer Mueller.

16. Freitag, 16. Juni 1944 Feldkommandostelle Bergwald
14 Uhr Essen mit SS-Obergruppenführer Jüttner, SS-Obergruppenführer Prützmann, SS-Gruppenführer Johst, Generalarbeitsführer Schmückle[38], Oberarbeitsführer Brandstatter, SS-Oberführer Rode[39], SS-Standartenführer Baum[40], SS-Oberführer Mueller, SS-Sturmbannführer Gräßler, SS-Sturmbannführer Wenner, SS-Sturmbannführer Dr. Frank.

17. Sonnabend 17. Juni 1944 Feldkommandostelle Bergwald
21.00 Uhr Essen Himmlers mit Reichsjugendführer Axmann[41], SS-Obergruppenführer Jüttner[42], SS-Obergruppenführer Koppe[43], SS-Gruppenführer Johst, SS-Sturmbannführer Gräßler[44], SS-Hauptsturmführer Reichenbach, SS-Oberführer[45] Mueller, Adjutant von Axmann.

18. Sonntag, 18. Juni 1944 Feldkommandostelle Bergwald
14.10 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer von dem Bach, SS-Obergruppenführer Jüttner, SS-Standartenführer Baumert[46], SS-Gruppenführer Johst, SS-Standartenführer Rode[47], SS-Oberführer Mueller, SS-Sturmbannführer Gräßler, SS-Untersturmführer Winkler, Fräulein Lorenz.  

19. Sonntag, 22. Oktober 1944 Pötschendorf
14.00 Uhr Essen[48] Himmlers mit SS-Obergruppenführer v. Herff[49], SS-Standartenführer d’Alquen, SS-Oberführer Mueller, SS-Oberführer Baum[50].

20. Sonnabend, 11. November 1944 München
20.15 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer Demelhuber[51], SS-Standartenführer Ax; SS-Oberführer Mueller, SS-Standartenführer Kloth, SS-Gruppenführer Gebhardt, SS-Gruppenführer Johst

21. 00.00 Uhr Gespräch Himmler mit Mueller[52]

22. Dienstag, 16. Januar 1945 Forbach-Gausbach
14 Uhr Essen Himmlers mit SS-Obergruppenführer v.d. Bach[53], SS-Obergruppenführer Jeckeln[54], SS-Brigadeführer Rode, SS-Brigadeführer[55] Mueller-Darß

23. 20 Uhr Essen mit SS-Obergruppenführer Jeckeln, General Hauck[56], SS-Brigadeführer Mueller-Darß, SS-Hauptsturmführer Dr. Groß[57]

24. Mittwoch, 17. Januar 1945 Forbach-Gausbach
14 Uhr Essen Himmler mit SS-Obergruppenführer Jeckeln, SS-Brigadeführer Mueller-Darß, SS-Gruppenführer Ostendorf[58], 2 Generälen und 5 Scharfschützen (Jakob Horn, Georg Kleeberg, Heinrich Lünne, Alfons Ludwig, Karl Maier; vgl. Uhl a.a.O. 1000).

25. Sonntag, 11. Februar 1945 Feldkommandostelle Birkenwald (bei Prenzlau)
20.00 Uhr Essen[59] Himmler mit General Wenck[60], SS-Brigadeführer Mueller-Darß


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Lorenz

[2] Bereits im Oktober 1942 hatte Himmler Erich von dem Bach-Zelewski als „Bevollmächtigten des RF-SS für die Bandenbekämpfung“ eingesetzt (Uhl, a.a.O. 31). In den zu „Bandenkampfgebieten“ erklärten Regionen „konnten SS und Polizei willkürlich schalten und walten, die Besatzungsjustiz wurde durch „Standgerichte“ ergänzt, die im Schnellverfahren Todesurteile herbeiführten.1943/44 überzogen Wehrmacht und Polizei fast im Wochentakt einzelne „Partisanenregionen“ mit großen Aktionen. Am 4. August 1944 schickte Himmler von dem Bach nach Warschau und ordnete die systematische Erschießung der Zivilbevölkerung in den umkämpften Vierteln (Ghettoaufstand) an, etwa 160.000 Menschen wurden getötet. (a.a.O. 33).

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_von_Herff#:~:text=Maximilian%20Karl%20Otto%20von%20Herff,1942%20Chef%20des%20SS%2DPersonalhauptamtes.

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Oberg

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Kammler

[6]https://de.wikipedia.org/wiki/Ludolf-Hermann_von_Alvensleben

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Gottlob_Berger

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Kr%C3%BCger_(SS-Mitglied)

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Gl%C3%BCcks

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Rode#:~:text=Ernst%20August%20Rode%20(*%209,und%20Generalmajor%20der%20Waffen%2DSS.

[11] https://www.forum-der-wehrmacht.de/index.php?thread/38776-kampfgruppe-cantow/

[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Lammerding

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_J%C3%BCttner. 1965 in Bad Tölz gestorben, Lenggries liegt gleich nebenan ….

[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Fegelein. Verheiratet mit Eva Brauns Schwester Gretl ….

[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Ruoff

[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Stumpfegger , der Mörder der Kinder von Goebbels und Leibarzt Himmlers …

[17] https://www.the-saleroom.com/en-gb/auction-catalogues/bene-merenti-auktionen/catalogue-id-srbene10002/lot-11142f11-532c-4416-a5d4-a3fc018712e4 zeitweilig Adjutant von Reinhard Heydrich. Sein Totenkopfring war noch zu haben ….

[18] Nicht klar, ob  dieser Fritz Reinhardt gemeint ist https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Reinhardt_(SS-Mitglied) oder der ehemalige Gestapo-Chef in Norwegen: https://www.ardmediathek.de/swr/video/abendschau/ss-sturmbannfuehrer-verhaftet/swr-de/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzExNjYyNDE/  

[19] https://www.wikiwand.com/de/Karl_Hermann_Frank vgl. auch den Bericht über die Hinrichtung von Karl Hermann Frank in der Tschechei: https://deutsch.radio.cz/mai-1946-die-hinrichtung-von-karl-hermann-frank-und-das-schicksal-von-kamil-8620121

[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Adolf_Pr%C3%BCtzmann Nach der Hinrichtung des Kriegsverbrechers Prützmann hat Franz Mueller-Darss dessen Witwe geheiratet. Christa Prützmann, geborene von Boddien, war Muellers dritte Frau.

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Wittmann_(SS-Mitglied) der „erfolgreichste Panzerkommandant des 2. Weltkrieges“ ….

[22] Unklar: entweder der Mann aus Auschwitz https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Fritzsch oder der Mann aus Sachsen: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Fritsch_(Politiker)

[23]  https://www.tracesofwar.com/persons/13590/Kment-Wilhelm.htm

[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Hildebrandt

[25] https://portal.ehri-project.eu/units/de-002429-ns_19 aus dem Persönlichen Stab Reichsführer SS. Dem dürfte der Herr aus dem Darsser Wald auch auf den Fluren begegnet sein.

[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Stuckart

[27] https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Bracht#:~:text=Werner%20Bracht%20(*%205.%20Februar,Gruppenf%C3%BChrer%20und%20Generalleutnant%20der%20Polizei.

[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Krei%C3%9Fl

[29] https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Diermann

[30] Könnte der Leiter des Ministerbüros des Innenministers sein. Vgl. Seite 11: https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2006_4_4_lehnstaedt.pdf

[31] https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Simon_(SS-Mitglied)

[32] https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Bracht#:~:text=Werner%20Bracht%20(*%205.%20Februar,Gruppenf%C3%BChrer%20und%20Generalleutnant%20der%20Polizei. Oder Fritz Bracht, der mit Himmler in Auschwitz an der Ermordung von Häftlingen teilnahm: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Bracht . Für Letzteres spricht auch, dass Mueller mit am Tisch saß, dessen Hunde hatten die KZs zu bewachen.

[33] https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Becher. Dieser Herr Becher könnte mit seinen zahlreichen Handelsfirmen in Bremen und Umgebung dem Herrn Mueller durchaus behilflich gewesen sein, nach dem Kriege wieder Fuß zu fassen…..

[34] https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Wagner_(Diplomat) der Herr vom Verbindungsbüro ins Auswärtige Amt.

[35] Der „Barde der SS“: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Johst oder der Herr von der Einsatzgruppe A: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Jost im Kalender von Himmler ist allerdings klar von „JOHST“ die Rede.  

[36] Der Herr vom „Völkischen Beobachter“ und vom „Schwarzen Korps“: https://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_d%E2%80%99Alquen, seit 1935 ein alter Vertrauter vom Herrn Himmler

[37] https://de.qaz.wiki/wiki/Ludwig_Stumpfegger der Leibarzt vom Heinrich Himmler, der zuletzt im Führerbunker dabei war. Der konnte dem Herrn Mueller nach dem Kriege allerdings nicht mehr viel nützen, weil er selber schon tot war.  

[38] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Schm%C3%BCckle_(Politiker)

[39] https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Rode der Spezialist für „Partisanenbekämpfung“

[40] http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Personenregister/B/BaumO.htm

[41] Erst 1996 in Berlin gestorben: https://de.wikipedia.org/wiki/Artur_Axmann

[42] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_J%C3%BCttner

[43] https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Koppe

[44] Vgl. dazu https://www.wikiwand.com/de/Gesch%C3%A4ftsverteilungspl%C3%A4ne_des_Geheimen_Staatspolizeiamtes

[45] Man hat ihn offenbar befördert.

[46] Aus dem Persönlichen Stab RFSS, Mueller wird ihm öfter über den Weg gelaufen sein: https://portal.ehri-project.eu/units/de-002429-ns_19

[47] https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Rode

[48] Im kleinsten Kreise. Mueller muss sehr „dicke“ gewesen mit dem Himmler gewesen sein, anders sind solche Einladungen nicht erklärlich.

[49] Chef des SS-Personalhauptamtes seit 1942

[50] https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Baum_(SS-Mitglied) der Panzerfahrer ….

[51] SS-Obergruppenführer Demelhuber fungierte als Befehlshaber der Waffen-SS in den Niederlanden, SS-Standartenführer Ax war der Chef seines Stabes (Uhl, a.a.O. 939) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Maria_Demelhuber. Hier sieht man ihn „mit Hund“. Nach dem Kriege führt seine Spur nach Schleswig-Holstein und zur HIAG. Mueller könnte seine Hilfe in Anspruch genommen haben. Möglicherweise war Mueller selbst Mitglied in der HIAG (was zu prüfen wäre).

[52] „Der RF SS erließ einen Organisationsbefehl für das Diensthunde- und Brieftaubenwesen. Er unterstellte sich diesen Bereich „unmittelbar“ und beauftragte Franz Mueller-Darß, mit dem er mehrmals die Notwendigkeit der Neuordnung der Rekrutierung und Ausbildung von Diensthunden erörtert hatte, mit der Leitung.“ (Uhl, Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945, a.a.O. S. 939)

[53] Spezialist für „Partisanenbekämpfung“

[54] Verantwortlich für die Ermordung von mehr als 100.000 Menschen, u.a. in Riga. 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet : https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Jeckeln

[55] Offenbar erneut befördert.

[56] Arbeitet nach dem Krieg beim „Evangelischen Hilfswerk“ bei Eugen Gerstenmaier. In diesem Netzwerk waren etliche Altnazis versteckt. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Hauck

[57] Vermutlich dieser promovierte Jurist aus Österreich: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Gro%C3%9F#:~:text=Kurt%20Gro%C3%9F%20(*%205.,der%20Waffen%2DSS%20und%20Unternehmensberater.

[58] https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Ostendorff . 1945 in Folge einer Brandgranate im Lazarett an Gasbrand gestorben.

[59] Das letzte gemeinsame Essen vor dem Ende des Krieges.

[60] Generalleutnant Walther Wenck, „Hitlers letzte Hoffnung“; Chef der Operationsgruppe des Generalstabes des Heeres, sollte das Unternehmen „Sonnenwende“ koordinieren. (Uhl, a.a.O. 1030) https://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Wenck in seiner 12. Armee dienten Hans-Dietrich Genscher und Dieter Hildebrandt. Wenck gelang ein Rückzug nach Westen bis Tangermünde an der Elbe. Im Rathaus von Stendal kapitulierte seine 12. Armee.

Fundsache: der Dienstkalender Heinrich Himmlers (1943-1945) und der „Hundemüller“.

Fundsache: der Dienstkalender Heinrich Himmlers (1943-1945) und der „Hundemüller“.

Es war eine Sensation, als man die verloren geglaubten Blätter mit dem Dienstkalender Heinrich Himmlers für die Jahre 1943 – 1945 im Jahre 2013 in Podolsk in der Nähe von Moskau in einem russischen Archivbestand fand.
Nun (2020) sind sie ganz frisch in einer sorgfältig edierten wissenschaftlich kommentierten Ausgabe bei piper erschienen und stehen der Forschung als erstklassige Quelle zur Verfügung.

Die Jahre 1943 – 1945 sind für unseren Zusammenhang der Erforschung der NS-Geschichte auf dem Darss insofern von Bedeutung, als der Forstmeister und spätere SS-Generalmajor der Waffen-SS, Franz Mueller-Darss in jenen Jahren hauptamtlich im Persönlichen Stab des Reichsführers SS, Heinrich Himmler arbeitete. Er war zuständig für das „Hundewesen“ in Polizei, Wehrmacht und SS.

Himmlers Dienstkalender gibt uns nun exakte Auskunft darüber, mit wem Mueller-Darss im Kontakt war, wann er sich mit Himmler und den anderen Ganoven traf und manchmal wurde sogar vermerkt, worüber gesprochen wurde.

Beispielsweise Sonntag, 19. September 1943. Feldkommandostelle Hochwald.
14.00 Uhr Mittagessen mit SS-Obergruppenführer Berger, SS-Obergruppenführer Krüger, SS-Brigadeführer Glücks, SS-Standartenführer Mueller, SS-Standartenführer Rode, SS-Hauptsturmführer Cantow
17.10 Uhr SS-Brigadeführer Glücks, SS Standartenführer Mueller
20.10 Uhr Abendessen mit SS-Obergruppenführer von dem Bach, SS-Obergruppenführer Berger, SS-Obergruppenführer Krüger, SS-Standartenführer Rode, SS-Standartenführer Mueller, SS-Standartenführer Lammerding. (zitiert nach: Matthias Uhl u.a. „Die Organisation des Terrors. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945“ Piper 2020, S. 452)

Beim Gespräch um 17.10 Uhr mit Glücks und Mueller ging es um den vermehrten Einsatz von Hunden bei der Bewachung der Konzentrationslager.

Wir sehen an diesem einen Tag: Mueller gehörte zum engsten Kreis um Himmler, er gehörte zur „Tafelrunde“ und traf sich an Tagen wie diesem gleich mehrfach mit dem Reichsführer SS.

Ich werde mir diese wertvolle mehr als 1000-seitige Quelle, die mir seit gestern zur Verfügung steht, nun genau auf die Kontakte von Mueller-Darss durchschauen und auch seine „Tischgenossen“ genauer in den Blick nehmen, damit deutlicher wird, in was für einem SS-Netzwerk der Hundemüller aus Born a. Darß gearbeitet hat. Was wir jetzt bereits sehen können: Mueller-Darss war keineswegs ein „irgendwer“ im Kreise des Reichsführers SS, sondern gehörte zum inneren Zirkel.

Unterschiede beim Umgang mit der NS-Zeit

Unterschiede beim Umgang mit der NS-Zeit

Es gibt Unterschiede beim öffentlichen Umgang mit der NS-Zeit. Manche Städte und Dörfer kümmern sich aktiv darum, historische Erkenntnis vor Ort so umzusetzen und öffentlich zu machen, dass sich auch Ortsfremde schnell in die Geschichte des Ortes einfinden und erfahren können, was im Ort vor sich gegangen ist. Prora ist so ein Ort.
Ribnitz-Damgarten ist ein eben solcher Ort. Auch hier kümmert man sich aktiv um die Erforschung der Ortsgeschichte und lässt auch keine Epoche aus, wie in anderen Orten.
Heute hatte ich Gelegenheit, mit dem stellvertretenden Leiter der Lokalredaktion Ribnitz-Damgarten der Ostsee-Zeitung zu sprechen. Und ich fand einen promovierten Historiker vor mir, der sich kontinuierlich und sorgfältig um Recherche und Aufarbeitung der Ortsgeschichte kümmert. Gemeinsam mit anderen tut er das. Da geht es um die frühe Vergangenheit von Ribnitz und Damgarten ebenso, wie um die Zeit zwischen 1933 und 45; die Zeit unmittelbar nach dem Krieg, geprägt von Flüchtlingen und Besatzungszeit ebenso, wie die Zeit der frühen DDR. Die DDR-Zeit ebenso wie die nun mittlerweile schon wieder 30 Jahre gesamtdeutscher Entwicklung. Die Redaktion hält bei all diesen Themen einen sehr engen Kontakt zur Bevölkerung, nimmt Anregungen auf, folgt verschütteten Spuren. Es ist eine gute Gemeinsamkeit geworden zwischen Arbeit in der Redaktion und Leserschaft.
Dr. Edwin Sternkiker zeigte sich als bestens informierter, gründlich arbeitender Journalist, der sich einer sorgfältigen Geschichtsschreibung verpflichtet weiß. Diese Begegnung war für mich wie eine erfrischende Wohltat. Es ist nicht selbstverständlich, dass Zeitungen auf diese Art ihre Verantwortung wahrnehmen, aber es ist erwähnenswert.

Leben in zwei Systemen. Ein Versuch. I


Eine Freundin hat mich ermutigt, mit diesem Experiment zu beginnen. „Du hast dreißig Jahre in der Diktatur gelebt, bist von ihr geprägt worden. Du hast lange vor dem Fall der Mauer und besonders in den Jahren der Wende für die Demokratie gekämpft, warst danach in politischen Spitzenämtern engagiert, kennst den Westen nun auch dreißig Jahre – so einen Einblick haben wenige. Schreibe darüber!“ hat sie gemeint.
Ich war unsicher, ob das sinnvoll sein könnte.
Es gibt ein paar Millionen Menschen, die auch in beiden System gelebt haben. In der Diktatur und seit 1990 im wieder größer gewordenen Deutschland. Was also könnte ich beisteuern, was nicht auch andere erzählen können?
Ok, nicht jeder hat den Westen so erfahren wie ich, der als Ostler bis so ziemlich ganz nach „oben“ kam, politisch gesehen. So sehr viele waren und sind das ja nicht. Und, bezogen auf den Osten – auch da gehörte ich zur einer verschwindend geringen Minderheit. Insofern könnte es schon ein unterscheidbarer Beitrag werden.

Vielleicht kann aber ein solches Experiment zusätzlich auch eine Einladung an andere sein, die jeweils „eigene Geschichte“ zu erzählen. Und das wäre viel.

Zunächst ein Doppeltes:
In der Diktatur (schon die Wortwahl zeigt dem Leser, aus welcher „Ecke“ ich komme) gehörte ich nicht zu den Privilegierten und gehörte doch zu ihnen.
Zu den politisch Privilegierten gehörte ich ganz sicher nicht. Ich war, wie meine beiden Brüder, nie Mitglied bei den Pionieren, war nicht in der FDJ, war nicht bei der Armee, hab mich nie an Wahlen beteiligt, die ja keine waren. Das hatte Konsequenzen, wir durften ein staatliche Abitur machen, durften nicht studieren, was wir wollten, obwohl wir zu den Klassenbesten gehörten.
Wir gehörten nicht „zum System“. Wir waren „Kirchenleute“, stammten aus einem Pfarrhaushalt in dem ein klares „Die da draußen“ und „wir hier drinnen“ galt. „Die da draußen“ – das war „der Staat“, vor allem der atheistische Staat, der die Kirche bekämpfte mit allen Möglichkeiten, die er hatte.
Meine Eltern waren ganz bewusst nicht „in den Westen gegangen“, als das noch einfach möglich war, vor dem Bau der Mauer 1961 also. Nein, sie blieben „im roten Osten“, weil sie hier ihre Lebensaufgabe sahen: Christ sein in unchristlichem Umfeld.
Das hat mich natürlich geprägt.
Ich war während der Diktatur, wie meine Brüder, politisch extremer Außenseiter, ich galt als „bürgerlich“, später, so sagt es die Stasi-Akte, galt ich gar als „Staatsfeind“, aber dazu kommen wir noch.
Ich gehörte nicht zu den Privilegierten und war doch sehr privilegiert: wir lernten nämlich von klein auf, was wirkliche Freiheit bedeutet. Eine Freiheit nämlich, die es auch hinter Mauern geben kann und die sehr viel mehr ist als Wahl- oder Reisefreiheit oder die Freiheit, zu kaufen, was das Portmonee erlaubt.
Es ist die Freiheit zum eigenen Weg, zum eigenen Denken und zur eigenen Überzeugung auch zu stehen. Davon wird zu reden sein.

Jetzt, dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer, nach dem politischen und wirtschaftlichen Tornado, der über das Land fegte, jetzt frage ich mich manchmal: was ist eigentlich aus denen geworden, die damals politisch Privilegierte waren? Es waren ja nicht alles „Scharfmacher“, die meisten waren Mitläufer.
Nicht wenige von ihnen haben mittlerweile eine ganz ordentliche Rente – nicht wenige Stasiopfer beispielsweise bekommen dagegen extrem wenig. Da ist es also ungerecht zugegangen. Ich komme darauf später in einem anderen Beitrag zurück.
Dann gibt es welche, die schwammen damals „oben“ und schwimmen wieder „oben“. Opportunisten. Die gehen immer nach den Mehrheiten, suchen den eigenen Vorteil und fertig ist die Weltanschauung. Die gibt’s überall, in Ost wie West.
Nicht wenige der „Bürgerrechtler“, wie man uns später bezeichnete haben sich mittlerweile enttäuscht zurückgezogen, äußern sich kaum noch öffentlich, stecken nicht selten in Erinnerungen fest. Auch davon wird zu erzählen sein.
Mir ging es anders.
Davon will ich nach und nach erzählen. Anhand von konkreten Themen und Erlebnissen. So mancher Vergleich wird dabei zu Tage treten, denn es ist ja mehr als verstehbar, dass einer wie ich, der beide Systeme gründlich kennt, auch vergleicht, sich erinnert, Schlüsse zieht, Einordnungen versucht. Es wird dabei konsequent persönlich zugehen. Denn ich kann nicht für andere sprechen. Bei einem solchen „Experiment“ schon gar nicht.

Also, ich glaube, ich nehme die Anregung der Freundin auf, will mich einlassen auf dieses Experiment, obwohl ich nicht weiß, wo es mich hinführen wird.
Wenn es gut geht, entsteht ein Gespräch.
Nicht nur eines unter denen, die auch in der Diktatur gelebt haben, sondern auch eines mit denen, die nicht wissen, was eine Diktatur ist.
Vielleicht entsteht so nach und nach ein Beitrag zum besseren wechselseitigen Verständnis. Vielleicht entsteht auf diese Weise eine Art Brücke, über die man gehen kann.  Meine Freundin, die viel gesehen hat von der Welt, sagt: es mangelt an solchen Brücken.
Vielleicht hat sie ja Recht.  Dann lasst uns also Brücken bauen und beginnen.
Die Texte werden nach und nach entstehen, ich habe im Moment noch gar keine klaren Vorstellungen, wie sich das ungeheuer viele Erinnerungsmaterial einigermaßen sortieren läßt. Wer Interesse hat, abonniert die Sache einfach und kann sich entsprechend auf dem Laufenden halten, wenn er mag.
Wenn durch dieses Experiment Begegnungen oder Gespräche möglich werden, dann ist es gut.

„Denn da ich’s wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine“. Etwas über Psalm 32 und die historische Recherche


Wenn man sich für exakte historische Forschung interessiert und sich anhand von Dokumenten beispielsweise mit dem „Dritten Reich“, also der Zeit zwischen 1933 und 45 beschäftigt, was ich mittlerweile seit über 30 Jahren tue, dann begegnet man immer wieder einem seltsamen Phänomen:
Wenn es konkret wird, dann war vor Ort alles irgendwie „anders“, dann waren die damals Lebenden nicht wirklich betroffen, beteiligt, benutzt, engagiert, wie auch immer. Es ist, als hätten die damals Lebenden irgendwie auf dem Mond gelebt, aber nicht unter den konkreten geschichtlichen Umständen, wie sie dokumentiert sind.
Mir ist noch eindrücklich in Erinnerung, als ich im Familienalbum ein Foto meines Vaters in HJ-Uniform fand. Mein politisch interessierter, kritischer Vater?
Ja. Da war das Foto.
Das war ein Schreck anfangs.
Dann kamen Fragen.
Dann war Gesprächsbedarf. Immer wieder. Ich wollte mehr wissen. Wollte Details erfahren. Wollte Alltagsgeschichten hören. Wollte verstehen.
Dieser Wunsch nach Klarheit hat nicht nachgelassen, ich bin dieser Spur später im Studium gefolgt, habe mein Staatsexamen über diese Zeit geschrieben, mit sehr vielen Zeitzeugen gesprochen und bin sehr oft immer wieder auf dieses seltsame Phänomen gestoßen: da gab man sich einerseits betroffen über all das „Schreckliche“, was damals passiert ist (und ja auch zu großen Teilen dokumentiert ist), hat sich auch tapfer davon distanziert, aber irgendwie hatte die Familie des Gesprächspartners selbst damit „nichts zu tun“.
Seltsam.
Es gibt auch andere Erfahrungen: da beginnen Menschen, nicht selten erst auf dem Sterbebett, endlich offen von dieser Zeit zu sprechen. Ich habe so manches Gespräch erlebt, wo es so verlief. Auch in der eigenen Verwandtschaft.
Die Mitscherlichs haben in ihrem wichtigen Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ auf zentrale seelische Vorgänge hingewiesen, die solchem Verhalten zugrunde liegen können. Und es ist beispielsweise anhand von Feldpostbriefen von Wehrmachtssoldaten auch dokumentiert und analysiert worden, weshalb in diesen Briefen so oft Belangloses steht, obwohl man mitten in den konkreten Schrecken des Krieges gelebt hat.
Der für mich wichtigste Punkt ist: wer zu verharmlosen versucht, weil er immer noch nicht sehen will, was dokumentiert ist; wer glaubt, in seinem Ort, in seinem Dorf, in seiner Familie sei es irgendwie „anders“ gewesen, der gibt den Kräften Vorschub, die zerstörerisch wirken.
Psalm 32 hat völlig Recht: wenn jemand etwas „verschweigen“ will, weil er zum Beispiel einfach nicht fassen kann, dass seine eigenen Vorfahren involviert waren – was nicht unbedingt bedeutet, dass sie „Täter“ waren! – , der hilft nicht zu einem wirklich aufrechten Gang, sondern der verstärkt Ungutes. Es ist belegt und auch umfänglich beschrieben worden, dass Menschen daran körperlich und seelisch krank werden können. Es ist mittlerweile sogar in umfangreichen Studien untersucht worden, dass die seelischen Folgen des Verschweigens dessen, was da zwischen 33 und 45 war, bis in die dritte und sogar vierte Generation (!) nachwirken. (Eindrücklich beschrieben im Buch „Wir Kinder der Kriegskinder“).
Therapeuten und Seelsorger wissen, dass gerade das Aussprechen der „unangenehmen“ Dinge, derer, die man „nicht sehen will“ befreiende Wirkung haben kann und hat.
Gründliche historische Recherche kann deshalb einen wichtigen Beitrag leisten, dass Menschen wieder frei durchatmen können, wenn sie Familien die Gelegenheit gibt, anhand der Dokumente offen zu sprechen.
Die in den Sprüchen Salomonis weitergegebene Weisheit ist eben zutreffend: ‚“Wer seine Missetat leugnet, dem wird’s nicht gelingen. Wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen.“ (Sprüche 28,13)
Ich verstehe meine Aufgabe als Theologe und Seelsorger deshalb im Zusammenhang meiner Recherchearbeiten auch in diesem Sinne: anhand der Dokumente Menschen zu helfen, offen zu sprechen. Damit „zur Sprache kommt“, was sonst unverarbeitet irgendwo im Dunkeln der Seele sein Unwesen treibt.
Das ist, wie jeder Praktiker weiß, mitunter unangenehm, nicht selten auch schmerzlich. Das weiß ich wohl.
Aber zur seelischen Gesundheit gehört es eben auch, wenn man sich mit der eigenen Familien- oder Dorfgeschichte beschäftigt, dass eine Loslösung von dieser Zeit in Wahrheit erst dann gelingen kann, wenn man wirklich wahrnimmt, was war. Möglichst exakt belegt an Dokumenten. Wenn das gelingt, dann kann eine wirkliche innere Ablösung von der Generation der Großeltern beispielsweise gelingen. Eine solche Ablösung bedeutet nicht, dass man nun alles gut findet, was damals geschehen ist. Und es bedeutet auch nicht, dass man nun alles schlecht findet, was die Vorfahren so getan haben.
Sondern es bedeutet: ich kann meine Vorfahren auch achten, wenn ich um ihre Verfehlungen weiß und sie anerkenne.
Dann werde ich frei, ganz in der Gegenwart zu leben und heute Verantwortung zu übernehmen.
Im Alten Testament ist ein jüdisches Sprichwort überliefert, das lautet: „Von den Trauben, die die Väter aßen, werden den Söhnen die Zähne stumpf“ (z.B. bei Hesekiel 18,2)
So ist die oft zu beobachtende Erfahrung, die man auch heute immer wieder machen kann.
Der Text geht allerdings weiter. Da steht nämlich: „So soll es unter euch nicht sein.“
Jede Generation trägt Verantwortung für die Zeit, in der sie lebt.
Dass wir frei werden zu dieser Verantwortung für die Gegenwart, daran liegt mir.