noch etwas zur Erklärung….warum ich die LYRIS Gruppe unterstütze


Es geht für mich um viel mehr, als nur darum, einer Gruppe bislang in Deutschland unbekannter Künstler zu helfen.
Ich spüre, daß da mehr ist.

Worte fallen ein. „Wiedergutmachung“ zum Beispiel. Aber es ist ein ungeeignetes Wort, weil das gar nicht geht. Man kann nicht etwas „wieder gut machen“. Schön gar nicht das Schicksal fremder Menschen.
Die Autoren der LYRIS-Gruppe in Jerusalem mussten als Kinder ins Ungewisse. Ins Exil. Auf der Flucht vor den Nazis. Ihre Familien haben sie verloren.
Aber seit über dreißig Jahren treffen sie sich – um sich Texte vorzulesen, die sie in deutscher Sprache schreiben.

Unverstandene im eigenen Land.
Da geht ein Riß durch die Biografien: selbstverständlich sprechen sie mittlerweile die Sprache Israels, selbstverständlich sprechen etliche auch englisch oder französisch.
Aber ihr Innerstes, das, was sie wirklich im Tiefsten bewegt – drücken sie in deutscher Sprache aus, in der „Sprache der Mörder“.

Was haben diese Gedichte mit mir zu tun?
Weshalb spüre ich, daß ich etwas tun muss und tun kann für jene Künstler da im fernen Jerusalem? Weshalb versuche ich zu helfen, daß ihre Texte nun auch in Deutschland bekannt werden?

Weil da ein altes Thema liegt.
Schon seit etlichen Jahrzehnten beschäftigt mich die dunkle Zeit. Als die Deutschen über die Welt herfielen in ihrem braunen Wahn.
Schon als Student hat mich das Thema gepackt. Von den Deutschen. Und der Schuld.
Und es hat mich seither niemehr losgelassen.
Ich bin der Spur gefolgt in der Examensarbeit über die Kirche im Dritten Reich; ich bin ihr weiter gefolgt, an die Hand genommen von Johannes Bobrowski.
Viele Begegnungen in Israel und Deutschland, in den USA und anderswo haben mich immer erneut auf die Spur gebracht.

Mich, der Enkel sein könnte jener Menschen, die ins Ungewisse mussten.
Sie waren Kinder damals.

Heute nun, im Jahre 2010 begegnen mir ihre Texte. Eine Freundin hat sie mir auf die Türschwelle gelegt.
Gedichte sind es.
In Deutsch geschrieben.
Naturgedichte ebenso, wie wunderschöne Gedichte über die Beziehung zwischen Menschen.
Der Versuch, Erlebtes zu verstehen.

Ich, der ich Enkel sein könnte, kann nicht viel tun.
Denn Geschehenes kann man nicht rückgängig machen.
Aber: etwas kann ich tun.
Ich kann helfen, daß diese Texte nun auch in Deutschland bekannt werden.
Ich kann helfen, daß eine Gruppe von Autoren in Deutschland bekannt wird, die ganz im Stillen über lange Jahrzehnte in Jerusalem lebend, festgehalten hat an der deutschen Sprache – trotz des Vergangenen.
Es geht darum etwas mitzuteilen: ihr dort, im fernen Jerusalem; ihr Dichter und Maler, Grafiker und Bildhauer, die ihr euch in der kleinen LYRIS-Gruppe zusammengeschlossen habt: wir sehen euch.
Wir nehmen Euch und Euer Schicksal wahr.

Wir wollen einen kleinen Beitrag leisten, daß Ihr nicht in Vergessenheit geratet.

Deshalb.
Nehmt es als kleines Zeichen der Verbundenheit an.
Darum kann ich bitten.

Die Texte der LYRIS-Gruppe sind im kleinen Berliner Verlag http://rainstein.de erschienen. Man kann sie dort bestellen.
Und man kann durch das Posten dieses links helfen, daß die Autoren der LYRIS-Gruppe in Deutschland bekannter werden.
Viel ist es nicht, was wir tun können.
Aber dies können wir tun.

Die Spur führt zu Paul Celan – die Gruppe LYRIS in Jerusalem.


Sie sind mittlerweile hochbetagt. Und treffen sich regelmäßig. Seit über dreißig Jahren. Lesen sich aus ihren Texten vor. Sprechen darüber. Kritisieren Form und Stil. Vergewissern sich.
Autoren der Gruppe LYRIS.
In Jerusalem.
Sie sind Maler, Grafiker, Bildhauer – und Dichter.
Der Autor Manfred Winkler, (Preis des Ministerpräsidenten für Lyrik); Jahrgang 1922; die Malerin Ivonne Livay (geboren 1942 in Zürich), Magali Zibaso, 1939 geboren und andere.
Die Berliner Verlegerin Dörthe Kähler, mit der ich seit längerem befreundet bin, hat es nun riskiert und – mit finanzieller Hilfe eines Freundes – drei Gedichtbändchen herausgebracht, die in ihrem kleinen Verlag RAINSTEIN erschienen sind. (http://www.rainstein.de).
Es ist eine kleine Sensation.
Denn eigentlich haben die Autoren der LYRIS-Gruppe ihre Texte für sich geschrieben. In ihrer Muttersprache deutsch. Obwohl sie in Israel leben.

Nun aber finden sie Anerkennung – in Deutschland.

Meine Frau und ich hatten Dörthe Kähler eingeladen, aus diesen Bändchen vorzulesen und uns die Arbeit der LYRIS-Gruppe näher zu bringen. Gestern Abend las sie nun im privaten Kreis.
Und es war ein bewegender Abend.
Denn, die da saßen, könnten die Kinder oder gar Enkel der Autoren sein. Vom Alter her.
Deutsche im Alter zwischen vierzig und sechzig lasen und hörten Texte von Menschen, die in Deutschland, in der Schweiz, in der Bukowina und anderswo geboren wurden; deren Familien häufig ganz und gar dem Holocaust zum Opfer fielen. Texte von Überlebenden. In der „Sprache der Mörder“ geschrieben – in deutsch.

Die Spur führt zu Paul Celan, denn es gibt langjährige persönliche Beziehungen von Mitgliedern der LYRIS-Gruppe zu diesem großartigen Dichter.

Die Texte, zum Teil illustriert mit Grafiken und Malereien der LYRIS-Mitglieder, sind nicht nur anrührend, weil sie von denen stammen, die eigentlich allen Grund haben könnten, nie wieder deutsch zu sprechen.
Sie sind anrührend – weil es sehr gute und sehr schöne Texte sind.

Von Ivonne Livay gibt es das Bändchen „Rostige Zeiten“. Von Magali Zibaso „Augen“, von Eva Avi-Jonah „Brennpunkt“.
Erhältlich im Internet auf der Verlagsseite http://www.rainstein.de.

„Warum hast Du diese Bändchen herausgebracht?“ frage ich die befreundete Verlegerin.
„Ich konnte nicht anders. Es ist ein Stück Anerkennung. Ein Zeichen der Verbundenheit. Vielleicht können wir durch die Herausgabe dieser Texte den Autoren mitteilen: wir sehen Euch. Wir lesen Eure Texte. Wir hören von Eurem Schicksal.“

Dörthe Kähler hätte mit den eigenen Mitteln diese Publikation nicht machen können. Ein Freund hat geholfen. Deshalb geht der Dank auch an Manfred von Baum.

Wenn diese drei Bändchen mit Lyrik nun in Deutschland Leser und Verbreitung finden, dann ist es vielleicht auch ein Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen, die überlebt haben.
Viele sind es nicht mehr.

Sie sind hochbetagt mittlerweile.
Und treffen sich noch regelmäßig.
Um sich ihre Texte vorzulesen, darüber zu sprechen.
Sie wußten von dieser kleinen Veranstaltung in Berlin.
Sie wußten, daß da aus ihren Texten gelesen werden würde.

Nun können Sie über etwas Neues und Aufregendes miteinander sprechen: das Erscheinen ihrer Texte in Deutschland.
Wir stehen im Kontakt mit der Gruppe LYRIS.
Und wir wissen, daß die Publikation zu großer Freude geführt hat. Bei ihnen und in ihren Familien.

Ich wünschte mir, daß diese drei schmalen Bändchen gut aufgenommen werden in Deutschland.