Die Spur führt zu Paul Celan – die Gruppe LYRIS in Jerusalem.


Sie sind mittlerweile hochbetagt. Und treffen sich regelmäßig. Seit über dreißig Jahren. Lesen sich aus ihren Texten vor. Sprechen darüber. Kritisieren Form und Stil. Vergewissern sich.
Autoren der Gruppe LYRIS.
In Jerusalem.
Sie sind Maler, Grafiker, Bildhauer – und Dichter.
Der Autor Manfred Winkler, (Preis des Ministerpräsidenten für Lyrik); Jahrgang 1922; die Malerin Ivonne Livay (geboren 1942 in Zürich), Magali Zibaso, 1939 geboren und andere.
Die Berliner Verlegerin Dörthe Kähler, mit der ich seit längerem befreundet bin, hat es nun riskiert und – mit finanzieller Hilfe eines Freundes – drei Gedichtbändchen herausgebracht, die in ihrem kleinen Verlag RAINSTEIN erschienen sind. (http://www.rainstein.de).
Es ist eine kleine Sensation.
Denn eigentlich haben die Autoren der LYRIS-Gruppe ihre Texte für sich geschrieben. In ihrer Muttersprache deutsch. Obwohl sie in Israel leben.

Nun aber finden sie Anerkennung – in Deutschland.

Meine Frau und ich hatten Dörthe Kähler eingeladen, aus diesen Bändchen vorzulesen und uns die Arbeit der LYRIS-Gruppe näher zu bringen. Gestern Abend las sie nun im privaten Kreis.
Und es war ein bewegender Abend.
Denn, die da saßen, könnten die Kinder oder gar Enkel der Autoren sein. Vom Alter her.
Deutsche im Alter zwischen vierzig und sechzig lasen und hörten Texte von Menschen, die in Deutschland, in der Schweiz, in der Bukowina und anderswo geboren wurden; deren Familien häufig ganz und gar dem Holocaust zum Opfer fielen. Texte von Überlebenden. In der „Sprache der Mörder“ geschrieben – in deutsch.

Die Spur führt zu Paul Celan, denn es gibt langjährige persönliche Beziehungen von Mitgliedern der LYRIS-Gruppe zu diesem großartigen Dichter.

Die Texte, zum Teil illustriert mit Grafiken und Malereien der LYRIS-Mitglieder, sind nicht nur anrührend, weil sie von denen stammen, die eigentlich allen Grund haben könnten, nie wieder deutsch zu sprechen.
Sie sind anrührend – weil es sehr gute und sehr schöne Texte sind.

Von Ivonne Livay gibt es das Bändchen „Rostige Zeiten“. Von Magali Zibaso „Augen“, von Eva Avi-Jonah „Brennpunkt“.
Erhältlich im Internet auf der Verlagsseite http://www.rainstein.de.

„Warum hast Du diese Bändchen herausgebracht?“ frage ich die befreundete Verlegerin.
„Ich konnte nicht anders. Es ist ein Stück Anerkennung. Ein Zeichen der Verbundenheit. Vielleicht können wir durch die Herausgabe dieser Texte den Autoren mitteilen: wir sehen Euch. Wir lesen Eure Texte. Wir hören von Eurem Schicksal.“

Dörthe Kähler hätte mit den eigenen Mitteln diese Publikation nicht machen können. Ein Freund hat geholfen. Deshalb geht der Dank auch an Manfred von Baum.

Wenn diese drei Bändchen mit Lyrik nun in Deutschland Leser und Verbreitung finden, dann ist es vielleicht auch ein Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen, die überlebt haben.
Viele sind es nicht mehr.

Sie sind hochbetagt mittlerweile.
Und treffen sich noch regelmäßig.
Um sich ihre Texte vorzulesen, darüber zu sprechen.
Sie wußten von dieser kleinen Veranstaltung in Berlin.
Sie wußten, daß da aus ihren Texten gelesen werden würde.

Nun können Sie über etwas Neues und Aufregendes miteinander sprechen: das Erscheinen ihrer Texte in Deutschland.
Wir stehen im Kontakt mit der Gruppe LYRIS.
Und wir wissen, daß die Publikation zu großer Freude geführt hat. Bei ihnen und in ihren Familien.

Ich wünschte mir, daß diese drei schmalen Bändchen gut aufgenommen werden in Deutschland.

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