U.K: VENRO ist der Zusammenschluss von 120 zivilen Organisationen, die in anderen, meist deutlich ärmeren Ländern Aufbauarbeit leisten.
Wie ist Ihre Erfahrung über die Medienresonanz Ihrer Arbeit?
U.P.: Generell ist es für entwicklungspolitische Themen nicht einfach, mediale Aufmerksamkeit zu erwecken. Dies gilt insbesondere in schwierigen Zeiten wie der Wirtschafts-und Finanzkrise. Die Forderung etwa nach mehr Geld zur Unterstützung armer Menschen im Süden trifft in der Öffentlichkeit eher auf wenig Verständnis. Insofern bildet Afghanistan eine Ausnahme – gerade im letzten Jahr gehörte es zu den Topthemen in den Medien. VENROs Kritik an der Vermischung der zivilen und militärischen Hilfe fand große Aufmerksamkeit.
Positiv hat sich auch der Regierungswechsel ausgewirkt: Bundesminister Niebel hat der EZ medialen Auftrieb beschert- davon hat auch VENRO profitiert.
U.K.: In der Öffentlichkeit wird über den Beginn des Abzugs deutscher Soldaten aus Afghanistan diskutiert. Die NATO wird im März entscheiden, nachdem die USA (Beginn des Abzugs Juli 2011) und Deutschland (möglichst Beginn Herbst 2011) votiert haben. Dennoch steht das Konzept der „verbundenen Sicherheit“ auf der Tagesordnung.
Wie beurteilt VENRO das Bemühen des BMZ, Hilfen nur an solche Organisationen zu geben, die zur Kooperation mit dem Militär bereit sind?
U.P.: VENRO sieht diese Bedingungen, die an eine Förderung gestellt werden, sehr kritisch und hat das auch öffentlich gesagt. Unsere Organisationen orientieren sich an dem Bedarf der Bevölkerung und geeigneten zivilgesellschaftlichen Partnern, aber nicht daran, wo die Bundeswehr stationiert ist, oder in welcher Provinz die Bundesregierung gerne Sicherheit herstellen möchte. Außerdem beobachten wir in Afghanistan, dass eine Instrumentalisierung von ziviler Hilfe durch das Militär genau das Gegenteil von Sicherheit bewirkt: Helfer und Zivilbevölkerung geraten leicht ins Visier von Aufständischen, wenn Hilfsorganisationen als Handlanger der internationalen Streitmacht erscheinen. Einige VENRO-Mitglieder arbeiten schon seit den 1980 oder 1990er Jahren in Afghanistan- und werden voraussichtlich auch noch dort sein, wenn die Bundeswehr längst abgezogen ist. In jedem Fall machen wir unsere Arbeit transparent, informieren das BMZ und stimmen uns mit anderen nichtstaatlichen und staatlichen Gebern ab.
U.K.: Was ist aus Ihrer Erfahrung derzeit das Wichtigste in Afghanistan?
U.P.: Für uns ist wichtig, das Vertrauen der Menschen vor Ort nicht zu verlieren. Gerade für junge Menschen müssen Angebote für Arbeitsplätze und Einkommen entstehen. Bisher erreichte Fortschritte bei Menschenrechten, Frauenrechten oder Zugang zur Bildung dürfen bei politischen Verhandlungen mit aufständischen Kräften nicht geopfert werden. Bislang fehlen überzeugende Konzepte, wie die mit der afghanischen Regierung vereinbarten Aufbauziele über 2014 hinaus erreicht und langfristig abgesichert werden sollen.
U.K.: Wäre aus Ihrer Sicht ein deutliches ziviles Mandat im Beschluss des Bundestages zur Verlängerung des ISAF-Mandates erforderlich gewesen?
U.P.: Dies wäre ein eher symbolischer Akt, um die zivile Seite aufzuwerten. Wichtiger ist, dass unabhängig vom militärischen Engagement breit über die besten Ansätze zum Aufbau von Institutionen, Verantwortung und Kontrolle und soziale Verbesserungen für Bevölkerung diskutiert wird. Entsprechende Bundestagbeschlüsse würden wir natürlich begrüßen.
Die Bundesregierung könnte auch den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat nutzen, eine Initiative für ein neues ISAF-Mandat zu ergreifen. Dies sollte klar an dem Schutz von Zivilbevölkerung orientiert sein. Generell sollte die UN eine aktivere Rolle bei der Suche nach einer politischen Lösung und eines umfassenden Friedensprozess einnehmen.
U.K.: Wie kann man die Arbeit von VENRO und seinen 120 Mitgliedsorganisationen nach Ihrer Einschätzung stärken?
U.P.: In Afghanistan arbeiten nur 10 deutsche VENRO-Mitglieder. Helfen würde uns, wenn Mittel langfristig und nach entwicklungspolitischen Qualitätskriterien zur Verfügung stünden. Die Stimmen der organisierten Zivilgesellschaft sollten stärker politisch unterstützt werden, z.B. bei Anhörungen im Bundestag. Afghanische zivilgesellschaftliche Partner müssten in die Vorbereitung der geplanten Bonner Afghanistan-Konferenz Ende 2011 aktiv eingebunden werden und dort im Unterschied zu den vielen Vorgängerveranstaltungen mitbestimmen können.
Ulrich Post ist Vorsitzender des Verbandes Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).
Ein Gedanke zu “Zivile Alternativen zum Krieg – Interview mit Ulrich Post (VENRO)”