„Selbsternannte Umweltschützer“. Etwas von der Sprache

„Selbsternannte Umweltschützer“. Etwas von der Sprache

Es handelt sich um ein Schimpfwort. So jedenfalls ist es gedacht.
„Selbsternannt“ ist jemand, der kein Mandat hat.
Das ist jemand, der nicht befugt ist; einer, der sich etwas anmaßt.
Ein „selbsternannter Umweltschützer“ ist also jemand, der sich anmaßt, die Umwelt zu schützen.
Das ist einer, der nicht befugt ist, die Umwelt zu schützen.
Das ist einer, der kein Mandat hat, die Umwelt zu schützen.

Das ist der Sinn der abfällig gemeinten Rede vom „selbsternannten Umweltschützer“.
Diese Rede wird von Menschen vorgetragen, denen unbequem ist, was diese „selbsternannten Umweltschützer“ vortragen.
Es dient der eigenen Abwehr.

Wenn diese „selbsternannten Umweltschützer“ zum Beispiel verlangen – und sie verlangen es weltweit, sie verlangen es in den Kirchen und in den Parteien, sie verlangen es in Parlamenten und außerhalb von Parlamenten, sie verlangen es auf Straßen und Plätzen dieser Welt – wenn sie also verlangen: „hört mit der Verstromung von Braunkohle endlich auf! Braunkohle ist die fossile Energiequelle mit den meisten CO2-Emissionen und deshalb besonders schädlich für unser Klima!“
Dann ärgert solche Rede selbstverständlich jemanden, der zum Beispiel mit der Braunkohle sein Geld verdient.

Es handelt sich also um einen Konflikt. Es handelt sich um gegensätzliche Interessen.
Der eine will in Ruhe sein Geld verdienen.
Der andere will, dass die Naturzerstörung weniger wird.

Der eine weist darauf hin, dass die Nutzung der fossilen Energieträger in den zurückliegenden 200 Jahren einerseits gesellschaftlichen Reichtum erzeugt, andererseits aber auch die Stabilität des Klimas zerstört hat – was katastrophale Folgen vor allem für die Menschen hat und haben wird.
Der andere erkennt, dass er auf verlorenem Posten steht, wenn er weiter an der Kohleverstromung festhält und er geht zum Angriff über:
ihr Umweltschützer, ihr seid ja nur „selbsternannt“. Ihr habt kein Mandat. Ihr dürft das gar nicht tun, was ihr tut. So geht seine Rede.

Das ist eine sinnlose Rede. Denn natürlich hat jeder, der sich für den Schutz der Umwelt einsetzt ein Mandat.
Und das ergibt sich zunächst aus seinem Gewissen.

„Wir dürfen unser Gewissen nicht länger betrügen, wenn es um Entscheidungen über die Umwelt geht“ sagt die Enzyklika „Laudato Si“ deshalb völlig zu Recht.

Ein zweites tritt hinzu: Wer sich den biblischen Texten verpflichtet weiß – und das sind weit über eine Milliarde Menschen auf der Welt – , der kennt einen der ältesten Texte unserer Tradition. Der handelt vom Menschen. Vom Menschen wird gesagt, er sei auf dieser Welt „wie in einen Garten gesetzt“. Und seine Aufgabe in diesem Garten bestehe darin, „ihn zu pflegen und zu bewahren.“ (Genesis 2).

Daraus ergibt sich ein zwingendes Mandat.
Uns gehört diese Erde nicht.
Aber sie ist uns anvertraut.
Damit wir sie pflegen und bewahren.

Und zwar für diejenigen, die nach uns kommen. Und das ist der dritte Bezug, der zum Auftrag führt, sich um den Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens zu kümmern. Es geht um das Recht der Kinder und Enkel.
Wir haben kein Recht, die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Enkel zu zerstören. Dafür hat niemand ein Mandat.

Deshalb muss es ein schnelles Ende haben mit der energetischen Nutzung fossilen Energieträger, zu allererst der Braunkohle.

Denn diejenigen, die das Klima weiter zerstören, die haben dafür nun wirklich kein Mandat.

Dekarbonisierung. Klingt gut. Ist verdammt schwer


Schellnhuber„Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“.
So tönt es aus Bayern vom G7-Gipfel.
Was ist davon zu halten?
Zunächst: da haben sich nur 7 getroffen. Ohne Russland, ohne China, ohne Indien, ohne Brasilien.
Sie können also nicht für „die Weltwirtschaft“ sprechen, sondern bestenfalls für ihre eigenen Volkswirtschaften.
Ok. Das wäre geklärt.
Weiter: was bedeutet (eine Nummer kleiner) „Dekarbonisierung der Volkswirtschaft“?
Es bedeutet den kompletten Verzicht auf den Einsatz von fossilen Energien. Und zwar für die „Volkswirtschaft“, also für alle Bereiche: Bei der Stromerzeugung, im Verkehr, bei der Heizung, in der Chemischen Industrie.
Wenn man das wirklich will, dann bedeutet das:
1. keine Erkundung neuer Lagerstätten
denn: die Erkundung neuer Lagerstätten hat ja zum Ziel den Verbrauch des Erkundeten. Den jedoch will man ja nun nicht mehr. Sind die Regierungen der G 7 dazu wirklich bereit und auch in der Lage, das politisch durchzusetzen?
2. De-Invest: man muss dann noch in fossile Energien investiertes Geld abziehen. Und in Erneuerbare bzw. Energieeffizienz investieren.
3. keine neuen Kohle- und Gaskraftwerke
4. eine wirkliche Beschleunigung in der Bestromung auch des Individualverkehrs (der öffentliche Nahverkehr ist ja weitgehend schon mit Strom versorgt, es geht also vor allem um den Individualverkehr). Dafür müssen die Systemkosten dramatisch gesenkt werden. Und: der Strom muss aus Erneuerbaren Energien stammen.
Völlig unklar ist, wie schwere LKW, große Frachter und vor allem die Luftfahrt „decarbonisiert“ mit Treibstoffen versorgt werden können. Denn selbst der Gewinn von bio-fuels aus Meeresalgen, wie sie EADS seit längerem testet, stößt unter anderem an Kapazitätsgrenzen, während der Luftverkehr weiter wächst.
5. Eine Systemrevolution in der Chemischen Industrie. Denn die hängt an fossilen Energien wie der Junkie an der Nadel. Es hat immer schon Versuche gegeben, Erdöl und Erdgas als Basis für chemische Industrie zu substituieren. Das jedoch ist über Anfänge nie hinaus gekommen, auch, weil die Preise für fossile Energieträger zu niedrig waren. Wer eine „Dekarbonisierung der Volkswirtschaft“ vollmundig verspricht, noch dazu „bis zum Ende des Jahrhunders“ – das sind nur noch 85 Jahre! der muss BASF & Co mal in Ruhe erläutern, wie er sich das eigentlich vorstellt.

Was also ist von dem „Beschluss der G-7“ im Kern zu halten?
Die Richtung ist richtig.
Aber der Teufel steckt im Detail.
Es ist ganz offensichtlich der Versuch, sich als „modern“ hinzustellen. Sicher auch der Versuch, auf den Weltklimagipfel im Dezember des Jahres Einfluss zu nehmen und „mit gutem Beispiel“ voran zu gehen. Das ist richtig und sinnvoll, wenn man denn wirklich ernsthaft das „2-Grad-Ziel“ erreichen will.
Nur: wer sich die Details anschaut, der kann sehr schnell erkennen, wie vollmundig dieses „Versprechen“ daher kommt. Die tatsächlichen gegenwärtigen Trends laufen in die entgegengesetzte Richtung. Wer eine Dekarbonisierung wirklich will, der muss jetzt eine Vollbremsung organisieren!
Denn von einer „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft“ kann man gegenwärtig jedenfalls überhaupt nicht sprechen.
Denn nach wie vor werden neue Lagerstätten fossiler Energieträger erkundet, jede Woche gehen überall auf der Welt neue Kohlekraftwerke ans Netz, die Gas- und Ölverbräuche steigen. Insbesondere der Individualverkehr wächst ungebrochen. Und die Chemische Industrie tastet niemand an.

Politik muss Ziele formulieren. Ok.
Das Ziel ist richtig.
Aber: Politik muss auch sagen, wie man diese Ziele erreichen will.
Davon ist allerdings nichts zu lesen.
Wer eine Dekarbonisierung wirklich „in diesem Jahrhundert“ erreichen will, der muss sich nun wirklich mal auf die Socken machen. Denn die Einführung neuer Technologien, neuer Treibstoffe, dezentraler Energieversorgungssysteme, die Umstellung der Chemischen Industrie – all das benötigt Zeit. Man kann ja nicht einfach „einen Schalter umlegen“.
Deshalb hat Fritz Vorholz (ZEIT) sehr Recht:
Man wird an den konkreten Entscheidungen ab dem heutigen Tage (9.6.2015) sehr genau ablesen können, ob der Beschluss der G-7 ernst gemeint ist oder nur eine politische Sprechblase war. Viele heiße Luft eben.

Blick nach Europa. Etwas vom Tellerrand


Nationale Regierungen und Parlamente verlieren zunehmend an politischem Gewicht. Die Bedeutung des Europäischen Parlaments und der Kommission dagegen wächst. Das ist ein schon länger zu beobachtender Trend innerhalb des europäischen Einigungsprozesses.
Deshalb ist es sinnvoll, nicht nur nationale Politiken im Blick zu haben (Regierungsbildungen beispielsweise), sondern aufmerksam zu verfolgen, was sich in den großen europäischen Programmen tut.
77 Milliarden Euro gibt Europa für sein neues Forschungsrahmenprogramm  „Horizont 2020“ aus.
1,6 Milliarden kommen für EURATOM hinzu.
Die Forschungsrahmenprogramme sind deshalb von großer Bedeutung, weil über sie künftige industrielle Entwicklungen angestoßen werden können. Wer sich also in etwa ein Bild machen will, wie die industriellen Themen und Strukturen der kommenden Jahrzehnte aussehen werden, tut gut daran, sich die Forschungsrahmenprogramme anzuschauen.
Wer sich die Programmstruktur von „Horizont 2020“ anschaut, wird erkennen, wie sich neue Themen (demografischer Wandel zum Beispiel) neben sehr alten Themen (Atomforschung) finden.
Auf zwei besonders sensible Themenbereiche will ich aufmerksam machen: Energieforschung und Sicherheitsforschung.
Es zeigt sich, dass die Energieforschung nach wie vor von der Atomforschung dominiert ist (insbesondere greift die Fusionsforschung den Löwenanteil, denn sie profitiert über die in EURATOM bereitgestellten Mittel zusätzlich von den Mitteln beispielsweise der Materialforschung). Die energiepolitische Perspektive der Fusionsforschung ist jedoch seit Jahren hoch umstritten, weil sie 1. bislang keine wirklich brauchbaren Ergebnisse geliefert hat (2 Sekunden Brenndauer des Plasmas im britischen Experiment JET) und weil sie 2. ihr Versprechen, ein Kraftwerk zu liefern, nicht einlösen konnte (nach über 50 Jahren Forschung). Sollte jemals ein solches Kraftwerk (ITER ist ja auch nur ein Experiment!) zur Verfügung stehen, wäre es so exorbitant teuer, dass es für die Megacities dieser Erde schlicht unbezahlbar sein wird, denn die größten Städte stehen in den eher ärmeren Ländern.
Der zweite sensible Bereich ist die „Sicherheitsforschung“, weil bislang immer sorgsam darauf geachtet wurde, dass die Forschungsprogramme genügend unscharf formuliert wurden. Es ist nicht wirklich trennscharf erkennbar, was davon in die militärische Forschung gehen soll, wie viele Mittel den Sicherheitsdiensten zugute kommen und wie man „Sicherheit“ präzise definiert. Die Sicherheitsforschung dient auch der „Terrorabwehr“, wird also beispielsweise genutzt, um neue Programme, die eben diesem Ziel „dienen“ sollen, zu entwickeln.
Mit anderen Worten: der europäische Steuerzahler zahlt über Horizont 2020 auch (mindestens in Anteilen) die Erforschung eben jener Systeme, die später gegen ihn eingesetzt werden.
Das gilt solange, wie nicht wirklich glasklar und trennscharf zwischen militärisch/innenpolitisch (Geheimdienste) und zivil unterschieden wird.
Die dual use Problematik wird von der Forschung bislang mit dem Hinweis vom Tisch gewischt, Forschung müsse prinzipiell ergebnisoffen verlaufen. Man könnte eben zu Beginn einer Forschung nicht sagen, ob sich das Ergebnis militärisch oder zivil nutzen lasse.
Allerdings kann das Parlament Rechenschaft darüber verlangen, in welche Bereiche dieses Themas die Gelder vor allem fließen und wer davon hauptsächlich profitiert.