Dekarbonisierung. Klingt gut. Ist verdammt schwer


Schellnhuber„Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“.
So tönt es aus Bayern vom G7-Gipfel.
Was ist davon zu halten?
Zunächst: da haben sich nur 7 getroffen. Ohne Russland, ohne China, ohne Indien, ohne Brasilien.
Sie können also nicht für „die Weltwirtschaft“ sprechen, sondern bestenfalls für ihre eigenen Volkswirtschaften.
Ok. Das wäre geklärt.
Weiter: was bedeutet (eine Nummer kleiner) „Dekarbonisierung der Volkswirtschaft“?
Es bedeutet den kompletten Verzicht auf den Einsatz von fossilen Energien. Und zwar für die „Volkswirtschaft“, also für alle Bereiche: Bei der Stromerzeugung, im Verkehr, bei der Heizung, in der Chemischen Industrie.
Wenn man das wirklich will, dann bedeutet das:
1. keine Erkundung neuer Lagerstätten
denn: die Erkundung neuer Lagerstätten hat ja zum Ziel den Verbrauch des Erkundeten. Den jedoch will man ja nun nicht mehr. Sind die Regierungen der G 7 dazu wirklich bereit und auch in der Lage, das politisch durchzusetzen?
2. De-Invest: man muss dann noch in fossile Energien investiertes Geld abziehen. Und in Erneuerbare bzw. Energieeffizienz investieren.
3. keine neuen Kohle- und Gaskraftwerke
4. eine wirkliche Beschleunigung in der Bestromung auch des Individualverkehrs (der öffentliche Nahverkehr ist ja weitgehend schon mit Strom versorgt, es geht also vor allem um den Individualverkehr). Dafür müssen die Systemkosten dramatisch gesenkt werden. Und: der Strom muss aus Erneuerbaren Energien stammen.
Völlig unklar ist, wie schwere LKW, große Frachter und vor allem die Luftfahrt „decarbonisiert“ mit Treibstoffen versorgt werden können. Denn selbst der Gewinn von bio-fuels aus Meeresalgen, wie sie EADS seit längerem testet, stößt unter anderem an Kapazitätsgrenzen, während der Luftverkehr weiter wächst.
5. Eine Systemrevolution in der Chemischen Industrie. Denn die hängt an fossilen Energien wie der Junkie an der Nadel. Es hat immer schon Versuche gegeben, Erdöl und Erdgas als Basis für chemische Industrie zu substituieren. Das jedoch ist über Anfänge nie hinaus gekommen, auch, weil die Preise für fossile Energieträger zu niedrig waren. Wer eine „Dekarbonisierung der Volkswirtschaft“ vollmundig verspricht, noch dazu „bis zum Ende des Jahrhunders“ – das sind nur noch 85 Jahre! der muss BASF & Co mal in Ruhe erläutern, wie er sich das eigentlich vorstellt.

Was also ist von dem „Beschluss der G-7“ im Kern zu halten?
Die Richtung ist richtig.
Aber der Teufel steckt im Detail.
Es ist ganz offensichtlich der Versuch, sich als „modern“ hinzustellen. Sicher auch der Versuch, auf den Weltklimagipfel im Dezember des Jahres Einfluss zu nehmen und „mit gutem Beispiel“ voran zu gehen. Das ist richtig und sinnvoll, wenn man denn wirklich ernsthaft das „2-Grad-Ziel“ erreichen will.
Nur: wer sich die Details anschaut, der kann sehr schnell erkennen, wie vollmundig dieses „Versprechen“ daher kommt. Die tatsächlichen gegenwärtigen Trends laufen in die entgegengesetzte Richtung. Wer eine Dekarbonisierung wirklich will, der muss jetzt eine Vollbremsung organisieren!
Denn von einer „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft“ kann man gegenwärtig jedenfalls überhaupt nicht sprechen.
Denn nach wie vor werden neue Lagerstätten fossiler Energieträger erkundet, jede Woche gehen überall auf der Welt neue Kohlekraftwerke ans Netz, die Gas- und Ölverbräuche steigen. Insbesondere der Individualverkehr wächst ungebrochen. Und die Chemische Industrie tastet niemand an.

Politik muss Ziele formulieren. Ok.
Das Ziel ist richtig.
Aber: Politik muss auch sagen, wie man diese Ziele erreichen will.
Davon ist allerdings nichts zu lesen.
Wer eine Dekarbonisierung wirklich „in diesem Jahrhundert“ erreichen will, der muss sich nun wirklich mal auf die Socken machen. Denn die Einführung neuer Technologien, neuer Treibstoffe, dezentraler Energieversorgungssysteme, die Umstellung der Chemischen Industrie – all das benötigt Zeit. Man kann ja nicht einfach „einen Schalter umlegen“.
Deshalb hat Fritz Vorholz (ZEIT) sehr Recht:
Man wird an den konkreten Entscheidungen ab dem heutigen Tage (9.6.2015) sehr genau ablesen können, ob der Beschluss der G-7 ernst gemeint ist oder nur eine politische Sprechblase war. Viele heiße Luft eben.

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