Wie die Propaganda der Neuen Rechten funktioniert


Die gegenwärtig hoch emotionalisiert geführte öffentliche Debatte um Flüchtlinge, um Menschen, die in Not zu uns kommen, nutzt die Neue Rechte, um mit Mitteln der Propaganda ihre Interessen durchzusetzen.
Weshalb es sinnvoll ist, sich die wichtigsten Regeln erfolgreicher Propaganda zu vergegenwärtigen, damit man sie entlarven kann.

  1. ständige Wiederholung falscher Behauptungen. („Wir sind überfordert“, „Das Boot ist voll“, „wir können nicht jedem helfen“). Exemplarisch die Behauptung: „Wir sind das Volk“, was keineswegs zutrifft, weil es sich bei der Neuen Rechten nur um einen geringen Teil der Bevölkerung von etwa 5-7% handelt.
  2. die unterschiedlichen Zielgruppen in der Bevölkerung werden mit unterschiedlichen Methoden angesprochen, wiederholen aber immer wieder die falschen Behauptungen.
  3. Ziel ist, das Gefühl der Massen anzusprechen. Dem dienen insbesondere Fotos, Plakate, Aufmärsche und Filme.  (in der Gegenwart multipliziert durch social media)
  4. Nicht das Argument steht im Vordergrund, sondern der Appell. Man will gar nicht mehr diskutieren, man will „durchsetzen“.
  5. Propaganda beschwört Katastrophen und macht den Menschen Angst. („Wenn die jetzt alle kommen!“; „In 30 Jahren ist die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands muslimisch“ etc. )
  6. Propaganda behauptet ein Versagen der demokratischen Parteien. („Merkel muss weg!“; „Das ganze System gehört abgeschafft“; „Die da oben wissen doch schon lange nicht mehr, was das Volk denkt“).
  7. Propaganda nutzt die modernste Kommunikationstechnik (heutzutage insbesondere social media; youtube-videos; clips, Handy-Fotos) (Während der NS-Zeit waren das der neue Tonfilm und das Radio)
  8. Propaganda stilisiert die eigene Seite gern als „normalen Deutschen„, während sie „die anderen“ zu Irren erklärt, die nicht verstünden „was die Stunde geschlagen hat“.
  9. Öffentliche Propaganda funktioniert nicht ohne Uniformen, Fahnen und Symbole (Exemplarisch sei an das in schwarz-rot-gold gefärbte Kruzifix bei Pegida-Demonstrationen in Dresden erinnert).
  10. dem „notleidenden Deutschen“ (hier fehlt nie der Hinweis auf Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslose) wird der „gierige Flüchtling“ gegenüber gestellt, der nur komme, um „das Sozialsystem zu missbrauchen“, der „mit teuren Taxis fährt“ und „teure Handys“ benutzt und mit „Markenklamotten“ ankommt.
  11. dem „christlichen Deutschen“ wird der „andersartige Asylant“ gegenübergestellt, der „das eigene Volk überschwemmt“ (an der Sprache wird deutlich, dass es bei Propaganda um Emotion, um Gefühl, nicht um das Argument geht).
  12. Die Verdrehung der tatsächlichen Kräfteverhältnisse ins Gegenteil.
    Beispiel: „Notwehr“. Das Novemberpogrom 1938 wurde zum Beispiel im „Stürmer“ als „Notwehr“ der „deutschen Volksgemeinschaft“ gegen den „übermächtigen Juden“ dargestellt.
    Wir erleben gegenwärtig, dass dieser Begriff der „Notwehr“ wieder – bezogen auf hilfsbedürftige Menschen – in die politische Sprache einzieht.
  13. Verwendung des Dokumentarfilms.
    Goebbels hat sehr darauf geachtet, dass Propaganda möglichst unauffällig geäußert wurde. „Gute Propaganda darf man nicht merken“. Deshalb hat er gezielt den als „neutral“ gesehenen Dokumentarfilm eingesetzt, um die Euthanasie vorzubereiten. (umfänglich analysiert in Moellers „Der Filmminister“). Ähnliche Funktion haben gegenwärtig via Handy aufgenommene und gepostete Ausschnitte von „Übergriffen“ im Verlauf von Demonstrationen oder Veranstaltungen. Die Funktion dieser „Dokumentationen“ ist simpel: „Da, nun könnt ihr ja selber sehen, dass wir Recht haben.“

 

Je simpler, je einfacher, je emotionaler eine propagandistische Attacke vorgetragen wird, je öfter sie wiederholt wird, um so wirksamer ist sie.

Etliche der hier vorgetragenen „Grundregeln funktionierender Propaganda“ findet man in dem Beitrag von „Lebendiges Museum online“ wieder, der die Regeln der Propaganda unter Joseph Goebbels thematisiert und den ich hier verlinkt habe.

Also: Augen auf beim Zeitungskauf!

„Wir sind Engel des Todes…..“ Nachdenken über ein Lied aus dem Internet


Dieses Lied kam heute über das Internet zu mir auf den Rechner.

 

 

Im Refrain heißt es:

„Wir sind Engel des Todes
direkt aus der Hölle
aufgetaucht aus dem (Nichts) (das Wort kann ich im Lied nicht genau verstehen)
dem Auftrag zu folgen
mit Waffen bestückt
begleitet von Kraft, Stolz und Ehre
Wir stürzen lachend ins Verderben
Wir sind Engel des Todes
direkt aus der Hölle
ausgebildet für den Kampf
motiviert für den Sieg
Wir regeln die Scheiße
das ist jetzt unser Krieg
bereit und entschlossen
den Terror auszumerzen
deutsche Fallschirmjäger
mit Leidenschaft im Herzen…“

Den weiteren Text erspare ich mir hier.
Dieses „Lied“ taucht wenige Tage vor einer Abstimmung im Deutschen Bundestag im Internet auf.
Bei dieser Abstimmung wird es um die Frage gehen, ob das Parlament das Mandat für die deutschen Soldaten in Afghanistan erneut verlängert.
Seit einiger Zeit ist – von hohen Offizieren öffentlich geäußert – klar, daß eine neue Großoffensive bevorsteht.
Die Frage ist also, ob das Parlament die Soldaten in diese Offensive schicken will.
Es sind in den vergangenen Wochen eine Menge Nebelkerzen ins Land geschossen worden, die den Eindruck erwecken sollen, „nur noch diese Schlacht“ sei zu bestehen, dann beginne der Abzug.
Interessanter weise haben sowohl die Kanzlerin als auch der Verteidigungsminister den Abzug mit der Formulierung „soweit die Sicherheitslage dies zulässt“ versehen.
Ein Beginn des Abzugs deutscher Soldaten ist also in weite Ferne gerückt, weil man sicher davon ausgehen kann, daß die Sicherheitslage sich nicht verbessert haben wird.
Das Internationale Rote Kreuz hatte schon vor Weihnachten in einer Aufsehen erregenden Pressekonferenz auf die tatsächliche dramatische Lage im Land aufmerksam gemacht.
Die Unsicherheit nimmt zu.
Die Gewalt wächst.
Der Krieg hat eben nicht zum gewünschten „Ergebnis“ geführt.
Hohe Militärs, auch Politiker sagen seit Längerem öffentlich: dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.
Es geht darum, einen vertretbaren Abzug zu organisieren.

Doch davon will zu Guttenberg nichts hören.
Sein vielfach kommentierter PR-Besuch in Begleitung seiner Gattin nebst einem „embedded journalist“ kurz vor Weihnachten hatte ja schon das überdeutliche Ziel, an der „Heimatfront“ „gute Stimmung“ zu machen.
Die Soldaten bräuchten „mehr Anerkennung und Rückhalt in der Bevölkerung.“

Das hier zitierte „Lied“ verfolgt ein ähnliches Ziel.
Es geht darum, die „wahren Männer“ in ihrem „schweren Kampf“ dazustellen und zu unterstützen.

Ein Lied, geeignet für die „Heimatfront“.
Es soll Instinkte ansprechen.
„Männlichkeit“.
„Wir regeln die Scheiße, das ist jetzt unser Krieg…..“
Mentale Aufrüstung vor der beabsichtigten Großoffensive.

Nun, das alles ist längst keine rhetorische Spielerei mehr, über die man diese oder jene Meinung haben könnte.
Es geht um die Frage, ob das deutsche Parlament deutsche Soldaten in diesen Krieg schickt oder nicht.
Spätestens seit dem September 2009, jenem fürchterlichen Angriff auf einen entführten Tanklastzug, von einem deutschen Offizier befohlen – , bei dem über 140 Zivilisten ums Leben kamen, ist allen wohl klar, worum es hier geht:

Soll die militärische „Logik“ führen oder die Politik?
Folgt man „militärischer Logik“, dann müssen „die Gegner“ „ausgemerzt“ werden, wie es in diesem abscheulichen Liede hier heißt.
Das Wort vom „ausmerzen“ hat eine fürchterliche Geschichte in Deutschland.

Ich poste dieses Lied weiter, weil ich um die Kraft des Internets weiß.
Dieses Lied darf nicht unkommentiert bleiben.

Wir dürfen denen nicht folgen, die mit Hilfe solcher – jugendgemäß „aufgemachten“ Lieder – zeitgemäß über das Internet unter die Leute gebracht, die Aufrüstung an der „Heimatfront“ betreiben.

Um diesem Treiben einen wirksamen Riegel vorzuschieben, gibt es nur eins:

Ihr Abgeordneten,
wenn sie Euch fragen,
ob ihr das Mandat erneut verlängern wollt.
Sagt Nein!

„ein solcher Film ist mehr wert als sechs Divisionen“ – etwas von Winston Churchill


Auf diesen Satz Churchills von 1942 über den Film „Mrs. Miniver“ stoße ich in dem ausgezeichnet gearbeiteten und sehr sorgfältig recherchierten Buch von Felix Moeller: „Der Filmminister. Goebbels und der Film in Dritten Reich“ (mit einem Vorwort von Volker Schlöndorff), bei Henschel Berlin 1998 erschienen.
Goebbels lobt diesen amerikanischen Film, denn er schildere ein Familienschicksal während des Krieges „in einer unerhört raffinierten und wirkungsvollen propagandistischen Tendenz“ ….Gegen die Deutschen fällt kein böses Wort, trotzdem ist die antideutsche Tendenz als vollendet anzusprechen. Ich werde diesen Film den deutschen Produktionschefs vorführen, um ihnen zu zeigen, wie es gemacht werden muss.“ (Moeller zitiert aus den Goebbels-Tagebüchern vom 8.7.1943; a.a.O. S. 289).
Ich habe mir dieses exzellente Buch aus meiner sehr umfänglichen Bibliothek zum Thema „Nationalsozialismus“ (seit meinem Studium begleitet mich dieses Thema) in den Winterkriegstagen des Jahres 2010 gegriffen, um mich zu belesen über die Absichten, Macharten und Ziele von Propaganda im Krieg.
Der äußere Anlass war eine als zivil daherkommende Inszenierung des deutschen Verteidigungsministers, der in Begleitung seiner Frau, die als „besorgte Mutter und Gattin“ zu den deutschen Soldaten in Afghanistan gereist war, vor der Kulisse der Armee einem wohl als „embedded journalist“ zu bezeichnenden Talk-Master ein umfängliches Interview „zur Lage“ gab.
Nicht zufällig kurz vor einer Regierungserklärung des Aussenministers zu Afghanistan, und nicht zufällig vor einer für den Januar anberaumten erneuten Entscheidung des Parlaments über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr.

Die Macht der Bilder.
Wir leben in Zeiten, in den der Wunsch des breiten Publikums nach einfachen Unterhaltungssujets übergroß ist.
Insbesondere die privaten Fernsehkanäle und ihr Kampf um die „Einschaltqouten“ legen mit ihrem Programm davon beredtes Zeugnis ab.
Aber nicht nur die „leichte Unterhaltung“ erreicht den Deutschen, sondern auch die „Talk-Show“.
In den letzten Jahren hat sich die politische Kommunikation wesentlich aus dem Parlament heraus in die Talk-Shows verlagert.
Formate wie „Anne Will“, „Maischberger“, „Johannes B. Kerner“ und andere bestimmen, wie die Deutschen über Politik denken.
Ich kenne Kanzler, die das sehr genau wussten.
Und sie beeinflussen auch das Parlament.

Wenn nun ein Verteidigungsminister einen solchen Talk-Master zu einem Frontbesuch mitnimmt, dann wohl aus Rücksicht auf die Bedeutung dieser Talk-Shows für das Denken der Menschen.
Es geht um Beeinflussung.
Es geht um Propaganda.
Im Kriegswinter 2010.
Der Verteidigungsminister selbst hat als einer der ersten deutschen Politiker das Wort „Krieg“ – anfänglich etwas schwankend mit „kriegsähnlichen Zuständen“ bezeichnet – eingeführt. Es ist deshalb die Wirkung der Bilder besonders aufmerksam zu bedenken.
Nichts ist dem Zufall überlassen.

Nun wussten bereits Churchill und Goebbels sehr genau um die Wirkung der Bilder.
Vordringliche, offensichtliche Propaganda galt ihnen als schädlich.
Vielmehr komme es darauf an, „daß der Zuschauer die Beeinflussung gar nicht merkt“ (Goebbels).
Die „indirekte Propaganda“ galt es auszufeilen. (Moeller, a.a.O. 282).

Über den Film „Zwei in einer großen Stadt“ – mein Vater hat das Lied oft am Klavier gespielt und von dem Film geschwärmt, den er als Dreizehn- oder Vierzehnjähriger im Kino sah –  äußert sich Goebbels:
„Das ist eine Propaganda, deren Triebkraft und Ursprung man nicht erkennt und die gerade deshalb umso wirkungsvoller sein wird.“ (Tagebuch vom 28.10.1941; bei Moeller a.a.O. S. 266).
Über etliche biografische Filme, die große Mediziner, Künstler, Wissenschaftler  zum Gegenstand hatten, urteilt der Propagandaminister: „Die mediale Nutzung und Ausgestaltung des „Führer“-Mythos verzichtete offiziell auf Parallelen zu Hitler, um das Publikum zu – viel wirksameren – eigenen Erkenntnissen zu animieren.“ (Moeller, a.a.O. S. 269).

Subtilität wirkt tiefer als offensichtliche Propaganda.
Das ist eine alte Erkenntnis.
Deshalb konnte Winston Churchill über den anti-deutschen Kriegsfilm „Mrs. Miniver“ sagen: „ein solcher Film ist mehr wert als sechs Divisionen“. (Moeller, a.a.O. S. 289).

Was hat das alles mit den Talk-Show-Meistern in Afghanistan zu tun?
Sehr viel.
Denn auch hier geht es um Subtilität.
Die Bilder sollen möglichst „zivil“ daherkommen.
Da sitzt der Talk-Master mit einem zivil gekleideten Verteidigungsminister wie in einem zivilen Studio – die Soldaten sind lediglich Staffage im Hintergrund – und „unterhält“ sich mit dem dem Minister „über Afghanistan“.
Die – ebenfalls zivil gekleidete – junge Ehefrau des Ministers ist wohlüberlegt mit in der Begleitung des Ministers.
Sie reist als „besorgte Mutter und Gattin“, wie man der Begleitpresse entnehmen kann.
Das „kommt gut an“ bei den Soldaten, ihren Familien und weit darüber hinaus.

Das ist Absicht.
Denn das Ziel der ganzen Inszenierung – und darum handelt es sich ja ganz offensichtlich – ist das Inland.
Die Bevölkerung in Deutschland. Die „Heimat-Front“, um ein altes Wort zu benützen.
Es geht darum, deren „Unterstützung für die Soldaten“ zu verbessern.
Denn: es ist bekannt. Die Deutschen stehen dem Afghanistan-Krieg zunehmend kritisch gegenüber.
Sie wollen mehrheitlich, daß damit so schnell wie möglich Schluss gemacht wird.

Das aber kann der Verteidigungsminister nicht gebrauchen.
Ihm liegt daran, daß das Mandat im Januar verlängert wird.
Dem dient auch die Regierungserklärung des Aussenministers vom Dezember 2010, wonach „mit dem Abzug 2011 begonnen“ werde.

Nichts ist damit klar.
Das Internationale Rote Kreuz hat gestern in einer überaus bemerkenswerten Pressekonferenz in Kabul auf die desaströse Lage im Land aufmerksam gemacht.
Die „New York Times“ berichtete noch gestern Nacht von diesem Ereignis, das deshalb so aussergewöhnlich ist, weil sich das Rote Kreuz sonst eher solcher Stellungnahmen enthält, um seine eigene Neutralität zu wahren.
Ein ehemaliger Focus-Journalist zitiert aus dieser Pressekonferenz in seinem Blog „Die Augen geradeaus“ vom gestrigen Tage:

„(Schon die Tatsache, dass das Internationale Rote Kreuz eine Pressekonferenz – in Kabul, T.W. – abhält, macht deutlich, wie sehr uns die Aussicht auf ein weiteres Jahr der Kämpfe mit dramatischen Konsequenzen für immer mehr Menschen nunmehr fast im ganzen Land bedrückt, sagt laut New York Times Reto Stocker, der Rotkreuz-Repräsentant in Afghanistan.)

In den vergangenen 30 Jahren, sagt Stocker, hatte das Rote Kreuz nie so wenig Zugang zu den entlegenen Gegenden Afghanistans – weil dort immer mehr gekämpft wird. Und das sind Regionen, in denen nicht nur das Rote Kreuz, sondern auch andere Hilfsorganisationen keinen Zugang mehr haben. Die Sicherheitslage sei so schlimm wie seit dem Sturz der Taliban vor neun Jahren nicht mehr, und nach allen anlegbaren Maßstäben – zivile Opfer, Flüchtlinge und Gesundheitsversorgung – habe sich die Situation verschlechtert. Gestiegen sei nur die Zahl der bewaffneten Akteure.

Zunehmend leidet die Zivilbevölkerung auch unter Sprengfallen, IEDs, die zwar gegen die internationalen Truppen gerichtet sind und sie auch gefährden – die Bevölkerung aber ist denen oft schutzlos preisgegeben. Genau so schutzlos stehen sie zwischen den (auch wenn der Begriff hier völkerrechtlich nicht korrekt sein mag) Kriegsparteien: Eine bewaffnete Gruppe verlangt vielleicht am Abend Verpflegung und Unterkunft, und am anderen Morgen müssen sich die Menschen rechtfertigen, warum sie dem Feind Unterschlupf gewährt haben, klagt Stocker.“

Es geht also offensichtlich bei der als „Fürsorge um die Soldaten“ inszenierten Reise des Bundesverteidigungsminister, und auch bei der Regierungserklärung des Bundesaussenministers mit seiner verharmlosenden Ankündigung, der Abzug deutscher Truppen „beginne 2011“ um etwas ganz anderes:

Es geht darum, den Deutschen beizubringen, daß der Krieg länger dauern wird.
Weshalb das Internationale Rote Kreuz

„die Aussicht auf ein weiteres Jahr der Kämpfe mit dramatischen Konsequenzen für immer mehr Menschen nunmehr fast im ganzen Land“ beklagt.

Die Chancen stehen gut, daß der Bundesverteidigungsminister sein Ziel erreicht: die „positiven Reaktionen der Truppe“ nach dem Besuch, die – BILD voran – gezielt nach Deutschland gesendet werden, werden ihre Wirkung in der Bevölkerung nicht verfehlen.
„Diese Talk-Show ist mehr wert als sechs Divisionen“ möchte man in Abwandlung des Churchill-Zitates sagen.
Diese inszenierte  „subtile Beeinflussung“ wird ihre Wirkung entfalten.
Der Protest gegen die „Kerner-Show“ wird sogar dazu führen, daß mehr Menschen diese inszenierte Sendung sehen werden. Denn die Aufregung darum war sehr groß.
Und, da der Deutsche solcherart Aufregung liebt – wird man einschalten und zuschauen.
Um sich hinterher – folgenlos – vielleicht darüber aufzuregen.

Deshalb richtet sich der Blick aufs Parlament.
Ich hoffe sehr, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dieses Spiel durchschauen.

Ich hoffe sehr, daß sie ihrer Verantwortung gerecht werden, und diesen Krieg so schnell wie möglich beenden.
Der Skandal ist weniger, daß der Verteidigungsminister mit seiner Frau und einem „embedded journalist“ in Afghanistan eine Inszenierung veranstaltet.
Der Skandal ist, daß da überhaupt deutsche Soldaten stehen.

„als Gattin und Mutter zu Weihnachten an der Front bei den Soldaten“ – eine Anmerkung


Was vollzieht sich in unserem Lande gerade?
Wir sehen einen jungen konservativen Minister (CSU) in Begleitung seiner Gattin bei deutschen Soldaten, die nach Ansicht des Ministers in Afghanistan „in kriegsähnlichen Zuständen“ stehen.
Es handelt sich also um einen Frontbesuch.
Zu Weihnachten.
Die Frau des Ministers begründet ihre Teilnahme an der Reise: sie wolle „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ sein.

Ich werde aufmerksam.
Diese Klänge kenne ich.
Von Goebbels.

Was Stephanie zu Guttenberg hier in die Mikrofone säuselt, soll freundlich klingen. So familiär irgendwie. Auch irgendwie harmlos. Nett eben.

Doch ich frage mich: was vollzieht sich da grade im Lande? Was schleicht sich da ein in die Spaßgesellschaft?
Was erlaubt sich der junge Minister da eigentlich, der im Moment von den Sympathien des Volkes getragen wird?
Abgeordnete, die im Januar zu entscheiden haben, können Kundus nicht besuchen, aber die „Gattin und Mutter“, die über keinerlei Mandat verfügt, darf?
Das ist kein Zufall.
Hier geht es um die richtigen Bilder.
Die einen „jungen aufstrebenden Politiker“ stärken sollen.

Daß ein „junger aufstrebender Politiker“ von den Sympathien des Volkes getragen wird, ist kein Zeichen von Qualität. Das eine lässt sich nicht aus dem andern ableiten.
Wir kennen aus unserer Geschichte zahlreiche Beispiele, bei denen „junge aufstrebende Politiker“ ebenso „von den Sympathien des Volkes“ getragen wurden. Nicht immer zum Wohle des Volkes.
Doch das merkte man erst später.

Dass die Frau des Ministers kein Mandat hat, ist hinlänglich diskutiert worden.
Was also tut sie an der Front?
Sie will „als Gattin und Mutter“ bei den Soldaten sein.
Sagt sie.

Man darf von ihr erwarten, daß sie überlegt, was sie sagt.
Denn schließlich ist die Reise gut vorbereitet worden. Insbesondere in Bezug auf die Presse.
Die Worte werden also gewogen.
Und die Wirkung der Worte kalkuliert.
Die Sprache der Bilder ebenso.
Nichts ist dem Zufall überlassen.

Es soll harmlos wirken. Irgendwie privat. Menschlich eben.
Die armen Jungs, die da zu Weihnachten ihren Dienst tun müssen!
Da passt es gut, wenn die „Gattin und Mutter“ mal nach den Jungs schaut, die da ihren Buckel hinhalten für die Freiheit des Volkes…..

Nun verhält es sich allerdings so, daß die Formulierung von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ eine Geschichte hat in Deutschland.
Eine sehr unrühmliche.
Denn die Nationalsozialisten verstanden es auf perfide Weise, gerade in den Weihnachtstagen! die Rolle der Frau als „Gattin und Mutter“ anzusprechen und für ihre Propaganda zu missbrauchen.
Dicke kluge Bücher sind über dieses Thema geschrieben worden.
Die Frau als „Gattin und Mutter“ hatte eine zentrale Funktion in der Propaganda.
Und in der Propaganda kommt es auf die Wirkung der Bilder an. Und auf die Worte, die in der Zeitung stehen.
Am besten wirken bewegte Bilder: Film eben.
Das muss man bedenken.

Nun kann man Stephanie zu Guttenberg Ahnungslosigkeit und Harmlosigkeit unterstellen. So weit will ich nicht gehen.
Man kann die ganze Angelegenheit unter „coole Aktion“ verbuchen, wie es jemand auf facebook getan hat, der dem Minister politisch nahe steht.
Man kann alle diejenigen, die den Besuch kritisieren, als „Gutmenschen“ abtun, man kann sich gar am Protest aus der Opposition ergötzen und „Klasse! Coole Aktion!“ rufen und argumentieren „der Erfolg gibt dem Minister Recht“. Gemeint ist der mediale Erfolg.
Denn politisch ist gar nichts geklärt in Afghanistan.
Im Januar wird das Parlament erneut zu entscheiden haben.

Seien wir aber gutwillig.
Unterstellen wir Stephanie zu Guttenberg nicht, daß sie ahnungslos und unbedacht ist.
Nehmen wir an, sie sei eine kluge Frau, die sehr genau weiß, was sie sagt und was sie tut.

Dann muss man fragen: Was bedeuten ihre Worte?
Welche Funktion haben sie? Was ist ihre Botschaft?
Wie „klingen“ diese Worte in der Bevölkerung?

Wie klingt dieses „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es soll Gefühle ansprechen.
Ja klar, was sonst.
Instinkte.
Der Mütterlichkeit, der Besorgnis um die „Jungs“ im fernen Lande.

Eben jene mütterlichen Impulse wusste Propaganda schon immer und in allen Kriegen zu bedienen.
Da wurden Strümpfe gestrickt im Kriegswinter; da wurden „Pakete aus der Heimat“ gepackt zu Weihnachten; da wurde – in einer Ringschaltung bislang technisch einmalig und zur damaligen Zeit eine Sensation – zu Weihnachten 1940 vom Nordkap bis nach Afrika „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen – alles wohl kalkuliert und fein überlegt.
Wegen der Wirkung auf die Gefühle.

Was also soll die Rede von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es geht um weit mehr als eine harmlose, private Freundlichkeit.

Es geht um Politik.
Und es geht um die Sprache der Bilder.

Dieser Besuch soll die Stimmung in der Bevölkerung in Deutschland beeinflussen.
Die Kritik am Afghanistan-Einsatz soll gemindert werden. Schließlich hat das Parlament kurz nach den Feiertagen erneut abzustimmen über eine erneute Verlängerung des Mandats.
Der Zeitpunkt der Reise ist günstig gewählt.
Die Menschen sind ohnehin eher milde gestimmt zum Fest.

Daß diese Reise eine Mißachtung des Parlaments ist, ist hinlänglich diskutiert worden. Denn etliche Abgeordnete, die zu entscheiden haben, durften bislang nicht dorthin reisen.
Aber eine Frau ohne Mandat.
Weil ihr Mann das so entschieden hat.

Er ist frei, zu wählen, wer ihn begleiten soll.
Aber er hat die Wirkung zu bedenken.
Und er hat sie bedacht.

Die Teilnahme der jungen „Gattin und Mutter bei den Soldaten zu Weihnachten“ war sorgfältig kalkuliert.
Die Kritik der Opposition inklusive.
Worauf der konservative Minister abzielt, der im Moment von einer Welle der Sympathie im Volke getragen wird – glaubt man den Umfragen -: er will „das Volk“ wieder enger mit den Soldaten verbinden. Er will ihre Gefühle ansprechen. Er will „das Volk“ wieder mehr zum Unterstützer der Soldaten werden lassen – die Kritik am Afghanistan-Einsatz geht ihm schlicht zu weit.

Da passt der Besuch der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ perfekt.

Nur: es handelt sich um Propaganda.

Deshalb, Frau zu Guttenberg, daß Sie als Gattin zu Propagandazwecken ihren Gatten stützen wollen, kann ich verstehen.
Aber verrichten Sie bitte Ihre Propaganda nicht auf dem Rücken der Soldaten….

Tante Hildegard und der Talg-Meister


Tante Hildegard ist alt. Und sie ist frech. Ich sagte es schon.
„Na Jung, willste was zu trinken?“ begrüßt mich meine alte Tante Hildegard.
Ich bin mal wieder zu Besuch. So zu den Feiertagen.
„Ja, ’nen Kaffee würd‘ ich nehmen. Passend zum Tag gern einen mit Schuss…“ sag ich, und die Alte grient.
„Mit Schuss? Hab ich“ meint sie und gießt mir einen ein.
„Und? Wat is los in der Welt?“
„Och“ sag ich, „jetzt schreiben die Zeitungen, da sei ein Talk-Master nach Afghanistan gereist.“

„Wer?“ fragt Tante Hildegard.
„Ein Talk-Master“.
„Wie jetzt. Jetzt schicken sie schon Kerzenmacher dahin? Ist’s denn so dunkel da?
Früher, weißt du, da hatten wir diese Talg-Meister bei uns auf dem Dorfe. Die waren sehr geschickt. Im Kerzenmachen.
Ist wohl wegen der Adventszeit, daß sie den dahin schicken? Damit die auch ein paar Kerzen haben zum Fest?“

„Er reist mit dem Armeeminister. Und seiner Frau.“
„Wieso nehmen die einen Talg-Meister mit? Brauchen die mehr Licht am Fahrrad?“ frotzelt Tante Hildegard.

„Ich könnt mich schon wieder aufregen über sowas“ ärgere ich mich endlich.
„Da reist dieser geölte Minister mitten in der Adventszeit zur Truppe im fernen Afghanistan. Nimmt seine Frau und diesen Talg-Meister mit.
Und es ist jetzt schon klar, daß nix dabei herauskommen wird. Reine PR ist das Ganze.
Es soll so menschlich wirken, so volksnah, so persönlich. Und dabei ist das alles knallhart inszeniert.“

„Mach mal langsam, Jung“ sagt Tante Hildegard. „Aufregen lohnt nicht. Nimm mal lieber noch einen. Gern auch mit Schuss…“
„Die Leute sind ja nicht doof. Kannste glauben.
Schau mal, als ich noch ’ne junge Frau war, da habe ich das doch auch schon erlebt bei dem Adolf, dem Verrückten. Der hatte doch diesen Kino-Minister, wie hieß der doch gleich? Der mit dem Klumpfuss.
Joseph hieß der. —- Ja, Joseph. Aber nicht der von der Krippe, nee der nich.
Der Jöbbels Joseph. Der wusste schon jenau, wie dat is mit den Bildern und dem Kino. Wenn der Fernsehn jehabt hätt, ick sage dir, da wär’n noch mehr Leute auf ihn reinjefallen.
Als es ganz schwer wurde im Krieg, weißte Jung, als sie bei Stalingrad die Schlacht schon verloren hatten – da haben sie zu Hause solche Filme gezeigt. Solche heiteren.
„Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ haben sie in diesen Filmen gesungen – und da war schon längst alles verloren.“

„Meinst du, Tante Hildegard?“
„Meinst du, die Sache da in Afghanistan ist auch so verloren?“

„Ja klar“ sagt Tante Hildegard bestimmt.
„Ick bin ja ne olle Frau, ick kann ja sagen, was ich denk. Klar ist das da verloren.
Rat mal, warum die da jetzt son Gewese drum machen! Grad weil das da verloren ist.
Da machen sie schöne Bilder für zu Hause. Is doch schließlich Weihnachten!
Deshalb nehmen sie diesen Talg-Meister mit. Kannste mir glauben.
Ich  bin ne olle Frau, ich weiß sowas.
Ich kann mich noch gut erinnern. An diese Kriegs-Weihnachten. Da hat dieser Jöbbels Joseph aus allen Ländern, wo die Soldaten standen, eine Rundfunksendung gemacht. Und denn haben sie sich gemeldet aus Norwegen und aus Russland, aus Frankreich und aus Italien, aus Nordafrika und von überall. Und denn haben sie alle zusammen jesungen „Stille Nacht, heilige Nacht“. Weiß ich noch janz jenau. Ick hör die Sendung heute noch in den Ohren klingen, wenn ich das Lied hör….“

Naja, bei Tante Hildegard weiß ich nie, ob’s ihre Weisheit ist oder vom Schnaps kommt.
Aber vielleicht hat sie ja recht.
Die kluge alte Tante, vielleicht nehmen sie ja deshalb diesen Talg-Meister mit. Weil die Sache verloren ist…..