„als Gattin und Mutter zu Weihnachten an der Front bei den Soldaten“ – eine Anmerkung


Was vollzieht sich in unserem Lande gerade?
Wir sehen einen jungen konservativen Minister (CSU) in Begleitung seiner Gattin bei deutschen Soldaten, die nach Ansicht des Ministers in Afghanistan „in kriegsähnlichen Zuständen“ stehen.
Es handelt sich also um einen Frontbesuch.
Zu Weihnachten.
Die Frau des Ministers begründet ihre Teilnahme an der Reise: sie wolle „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ sein.

Ich werde aufmerksam.
Diese Klänge kenne ich.
Von Goebbels.

Was Stephanie zu Guttenberg hier in die Mikrofone säuselt, soll freundlich klingen. So familiär irgendwie. Auch irgendwie harmlos. Nett eben.

Doch ich frage mich: was vollzieht sich da grade im Lande? Was schleicht sich da ein in die Spaßgesellschaft?
Was erlaubt sich der junge Minister da eigentlich, der im Moment von den Sympathien des Volkes getragen wird?
Abgeordnete, die im Januar zu entscheiden haben, können Kundus nicht besuchen, aber die „Gattin und Mutter“, die über keinerlei Mandat verfügt, darf?
Das ist kein Zufall.
Hier geht es um die richtigen Bilder.
Die einen „jungen aufstrebenden Politiker“ stärken sollen.

Daß ein „junger aufstrebender Politiker“ von den Sympathien des Volkes getragen wird, ist kein Zeichen von Qualität. Das eine lässt sich nicht aus dem andern ableiten.
Wir kennen aus unserer Geschichte zahlreiche Beispiele, bei denen „junge aufstrebende Politiker“ ebenso „von den Sympathien des Volkes“ getragen wurden. Nicht immer zum Wohle des Volkes.
Doch das merkte man erst später.

Dass die Frau des Ministers kein Mandat hat, ist hinlänglich diskutiert worden.
Was also tut sie an der Front?
Sie will „als Gattin und Mutter“ bei den Soldaten sein.
Sagt sie.

Man darf von ihr erwarten, daß sie überlegt, was sie sagt.
Denn schließlich ist die Reise gut vorbereitet worden. Insbesondere in Bezug auf die Presse.
Die Worte werden also gewogen.
Und die Wirkung der Worte kalkuliert.
Die Sprache der Bilder ebenso.
Nichts ist dem Zufall überlassen.

Es soll harmlos wirken. Irgendwie privat. Menschlich eben.
Die armen Jungs, die da zu Weihnachten ihren Dienst tun müssen!
Da passt es gut, wenn die „Gattin und Mutter“ mal nach den Jungs schaut, die da ihren Buckel hinhalten für die Freiheit des Volkes…..

Nun verhält es sich allerdings so, daß die Formulierung von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ eine Geschichte hat in Deutschland.
Eine sehr unrühmliche.
Denn die Nationalsozialisten verstanden es auf perfide Weise, gerade in den Weihnachtstagen! die Rolle der Frau als „Gattin und Mutter“ anzusprechen und für ihre Propaganda zu missbrauchen.
Dicke kluge Bücher sind über dieses Thema geschrieben worden.
Die Frau als „Gattin und Mutter“ hatte eine zentrale Funktion in der Propaganda.
Und in der Propaganda kommt es auf die Wirkung der Bilder an. Und auf die Worte, die in der Zeitung stehen.
Am besten wirken bewegte Bilder: Film eben.
Das muss man bedenken.

Nun kann man Stephanie zu Guttenberg Ahnungslosigkeit und Harmlosigkeit unterstellen. So weit will ich nicht gehen.
Man kann die ganze Angelegenheit unter „coole Aktion“ verbuchen, wie es jemand auf facebook getan hat, der dem Minister politisch nahe steht.
Man kann alle diejenigen, die den Besuch kritisieren, als „Gutmenschen“ abtun, man kann sich gar am Protest aus der Opposition ergötzen und „Klasse! Coole Aktion!“ rufen und argumentieren „der Erfolg gibt dem Minister Recht“. Gemeint ist der mediale Erfolg.
Denn politisch ist gar nichts geklärt in Afghanistan.
Im Januar wird das Parlament erneut zu entscheiden haben.

Seien wir aber gutwillig.
Unterstellen wir Stephanie zu Guttenberg nicht, daß sie ahnungslos und unbedacht ist.
Nehmen wir an, sie sei eine kluge Frau, die sehr genau weiß, was sie sagt und was sie tut.

Dann muss man fragen: Was bedeuten ihre Worte?
Welche Funktion haben sie? Was ist ihre Botschaft?
Wie „klingen“ diese Worte in der Bevölkerung?

Wie klingt dieses „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es soll Gefühle ansprechen.
Ja klar, was sonst.
Instinkte.
Der Mütterlichkeit, der Besorgnis um die „Jungs“ im fernen Lande.

Eben jene mütterlichen Impulse wusste Propaganda schon immer und in allen Kriegen zu bedienen.
Da wurden Strümpfe gestrickt im Kriegswinter; da wurden „Pakete aus der Heimat“ gepackt zu Weihnachten; da wurde – in einer Ringschaltung bislang technisch einmalig und zur damaligen Zeit eine Sensation – zu Weihnachten 1940 vom Nordkap bis nach Afrika „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen – alles wohl kalkuliert und fein überlegt.
Wegen der Wirkung auf die Gefühle.

Was also soll die Rede von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es geht um weit mehr als eine harmlose, private Freundlichkeit.

Es geht um Politik.
Und es geht um die Sprache der Bilder.

Dieser Besuch soll die Stimmung in der Bevölkerung in Deutschland beeinflussen.
Die Kritik am Afghanistan-Einsatz soll gemindert werden. Schließlich hat das Parlament kurz nach den Feiertagen erneut abzustimmen über eine erneute Verlängerung des Mandats.
Der Zeitpunkt der Reise ist günstig gewählt.
Die Menschen sind ohnehin eher milde gestimmt zum Fest.

Daß diese Reise eine Mißachtung des Parlaments ist, ist hinlänglich diskutiert worden. Denn etliche Abgeordnete, die zu entscheiden haben, durften bislang nicht dorthin reisen.
Aber eine Frau ohne Mandat.
Weil ihr Mann das so entschieden hat.

Er ist frei, zu wählen, wer ihn begleiten soll.
Aber er hat die Wirkung zu bedenken.
Und er hat sie bedacht.

Die Teilnahme der jungen „Gattin und Mutter bei den Soldaten zu Weihnachten“ war sorgfältig kalkuliert.
Die Kritik der Opposition inklusive.
Worauf der konservative Minister abzielt, der im Moment von einer Welle der Sympathie im Volke getragen wird – glaubt man den Umfragen -: er will „das Volk“ wieder enger mit den Soldaten verbinden. Er will ihre Gefühle ansprechen. Er will „das Volk“ wieder mehr zum Unterstützer der Soldaten werden lassen – die Kritik am Afghanistan-Einsatz geht ihm schlicht zu weit.

Da passt der Besuch der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ perfekt.

Nur: es handelt sich um Propaganda.

Deshalb, Frau zu Guttenberg, daß Sie als Gattin zu Propagandazwecken ihren Gatten stützen wollen, kann ich verstehen.
Aber verrichten Sie bitte Ihre Propaganda nicht auf dem Rücken der Soldaten….

11 Gedanken zu “„als Gattin und Mutter zu Weihnachten an der Front bei den Soldaten“ – eine Anmerkung

  1. Sehr guter Artikel, dankeschön. Verdeckt wird damit außerdem die Frage, warum die Soldaten da eigentlich ihren Kopf hinhalten, und vor allem: für wen. Und wer sie da hingeschickt hat. Nämlich genau der Gatte der „Gattin und Mutter“ mitsamt seiner Regierung.

    Gruß, Frosch

    1. ja, das ist richtig. zumindest zum Teil. Denn es war der Minister – in seiner Eigenschaft als Abgeordneter -, aber nicht nur er. Ich war an den Abstimmungen über die Mandate selbst beteiligt. Und ich finde, man darf nicht nur auf die Minister zeigen, sondern man muss auch an die Verantwortung des Parlaments insgesamt erinnern. Die haben uns getäuscht damals. Wir hatten die Meinung, man könne durch den – von den Amerikanern dringend verlangten – Einsatz des Militärs zu einer Befriedung kommen. Anfangs sah es auch danach aus. Die weiteren Entwicklungen jedoch, insbesondere der Angriff auf einen Tanklastwagen bei Kundus, den ein deutscher Offizier angeordnet hatte – übrigens gegen das Votum der Amerikaner – , hat die Situation dramatisch verändert. Denn es ist seither deutlich geworden, daß das Mandat solche „Fehlentscheidungen“, um es vielleicht zu harmlos zu sagen, eben nicht verhindern kann. Weil das Mandat solche Fehlentscheidungen aber nicht verhindern kann, deshalb müssen die Soldaten abgezogen werden. Ich bin da mittlerweile sehr entschieden. Um es mit Bertha von Suttner zu sagen: „Man kann Blut nicht mit Blut abwaschen“.

  2. Das Volk daheim milde stimmen.
    Den Müttern, die nicht nach Afghanistan reisen können ein „wir machen das schon mit deinem Jungen“ einhauchen: „Guck mal, mein Gatte ist auch hier und ich obhüte deine Söhne und deinen Gatten“. Eben als gehöre das wie selbstverständlich zum Leben.
    Und wer es dann noch immer nicht glaubt, dem wird zum Ministerliebgesicht noch ein allabendlich als etwas stubennahes Versöhngesicht präsentiert, etwas Kerniges halt. Und von zu Hause, mitten der trauten abendlichen Fernsehrunde entrissen mitten hinein in die Gefahr.
    Ja doch, sie opfern sich auf unsere Minister, deren Gattinnen, die Prominenten. Wie die Soldatinnen und Soldaten. Pflicht ist Pflicht. Dienst ist Dienst. Show ist Show.
    Fern der Heimat machen sie ihre Arbeit, macht ihr daheim eure, hütet Kinder und Haus. Bleibt voller Hoffnung milde gestimmt. Ihr dürft auch vor Rührung weinen angesichts der Bilder von Ministergattin und Deutschmutter, Kümmerminister und Kriegsgatte. Lasst euch gehen daheim. Gebt den Gefühlen freien Lauf. Nur nehmt es hin. Bleibt milde gestimmt.

    1. ja, ich glaube auch, die eigentlich Botschaft dieser Reise geht gar nicht an die Soldaten dort. Denn die haben regelmäßigen Kontakt nach Hause, per Telefon, mail, Video etc. pp. Die eigentliche Botschaft des Besuchs geht ins Inland. Und: da wird nichts dem Zufall überlassen. Das ist präzise inszeniert. Und die Wirkung wohl bedacht. Inklusive Protest der Opposition. Die ist aber ohnehin egal, dann die eigentliche „Zielgruppe“ ist die „Bevölkerung“. Es geht darum, eine Stimmung zu verändern. Da sollen die „zivilen Bilder“ helfen. „human touch“ nennt man das. Und: es wirkt.

  3. Um Übel an der Wurzel zu packen, sollte Deutschland zunächst einmal mit den völlig anachronistischen Adelsprädikaten als Namensbestandteil aufhören.

    Die Leute geilen sich doch nur dran auf, dass hier ein angeblich Blaublütiger auf dem Weg nach oben ist – und rollen ihm und seiner stockkonservativ-schein-heiligen Guttin dafür jeden roten Teppich aus.

    Buäh.

    Dabei stellt man, wenn man Herrn Guttenberg richtig zuhört, rasch fest, dass dieser ganze Namens-Schmonzes nicht dazu beigetragen hat, ihn mit besonderen intellektuellen Fähigkeiten auszustatten. Und dass einer, der in der Politik ganz oben mitmischen will, zumindest ganze Sätze fehlerfrei sprechen kann, sollte Grundausstattung sein, nicht das Deluxe-Paket. (Kann ja nicht jeder so eine intellektuelle Dauerpirouette wie Michael Glos oder Edmund Ä. Stoiber sein.)

    Weg also mit Adelsprädikaten als Namensbestandteil, aber auch weg mit Doktor-Titeln als Namensbestandteil! Das sind die Wurzeln der Zweiklassengesellschaft. Muss es denn noch bis 2019 dauern (100 Jahre nach Abschaffung des WR-Artikels 109)? Kirchliche Titel sind ebenfalls längst keine Namensbestandteile nach Namenrecht mehr. Ist es das, was mit der Säkularisierung gemeint wurde?

    1. ja, diese Dinge wirken sehr lange. Ich lese grad mit zunehmender Aufmerksamkeit die umfängliche uns sehr präzise Arbeit von Felix Moeller „Der Filmminister“ über die Propagandamaschine von Joseph Goebbels. Volker Schlöndorff hat darin darauf aufmerksam gemacht, daß die absichtlich „unpolitische“ Film gerade zentrales Anliegen der Nationalsozialisten war. Er zeigt weiter auf, wie sehr diese Bilder – insbesondere über die Rolle der Frau – noch heute nachwirken in den „unpolitischen“ Serien, die uns allabendlich auf diversehen Fernsehkanälen zu erreichen versuchen – sofern man zuschaut.
      Wenn der Minister nun – und wie er selbst sagt, befindet sich Deutschland zumindest in einem „kriegsähnlichen Zustand“ – in Zivilklamotten in Begleitung seiner „Gattin“ dorthin reist, dann bedient es eben jenes Klischee – man reist „zivil“, in „großer Fürsorge“ für „unsere Jungs“ etc. pp. Es ist die alte Masche. Sie hat eine große Wirkung.

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