Ich traue den Deutschen nicht wirklich – etwas über das Internet


Vielleicht bin ich ja geschädigt. Hab mich mein mein ganzes waches politisches Leben lang mit dem Nationalsozialismus, seinen Ursachen und Folgen auseinander gesetzt.  Ich hab meine Abschlussarbeit an der Universität darüber geschrieben, mit sehr vielen Zeitzeugen gesprochen, unzählige Studien und Bücher dazu gelesen und ausgewertet.
Vielleicht hör ich ja deshalb schon das Gras wachsen. Aber vielleicht ist das auch gut so.
Der Lügenbaron ist also zurückgetreten. Die Kanzlerin beschimpft nun also weiter die Wissenschaft, die den Baron im wesentlichen zu Fall gebracht hat und meint, sie müsse sich „von niemandem“ Recht und Anstand beibringen lassen. Das sagt etwas. Über sie.
Das Kabinett ist umgebildet. Die Sache scheint erledigt.
Und doch macht sich der Eindruck breit, daß die Bevölkerung „der Politik“ schon lange nicht mehr traut.
Im Internet hat sich in einer solchen instabilen Situation innerhalb von zwei Tagen eine „Bewegung“ etabliert.
„Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ heißt die eine Plattform, die andere „Wir wollen Guttenberg zurück“.
Zusammen haben sie etwa 700.000 „Fans“. Das sind nicht alles echte Fans, sehr viele davon sind schlicht gekauft. Dennoch: da ist eine „Masse“ in Bewegung. Canetti hat darüber geschrieben.
Da gibt es also Leute mit Geld, die die Seiten pushen.

Und ich beobachte, daß die Seiten wachsen. Wie die Lemminge tragen sich immer mehr Menschen dort als „Fans“ ein – die hohe Zahl führt zu medialem Echo in den Prinmedien. Der „stern“ hat berichtet, die taz und andere Zeitungen auch. Wir kennen das aus zurückliegenden Kampagnen im Internet: es gibt eine wechselseitige Verstärkung der online- und der print-Medien. Je höher die Zahl der „Fans“ ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß print und tv berichten. Und: sobald die berichten, steigt die Zahl der „Fans“.
Nun habe ich mir die Seiten einmal genauer angeschaut und finde, daß darauf rechtsradikale Propaganda getrieben wird. Da gibt es links, die heißen „Wir wollen Hitler wieder haben“. Da gibt es postins die heißen unter Bezug auf Guttenberg: „der begabteste Politiker seit Hitler ist zurückgetreten“ etc. pp.
Das ist nicht mehr lustig.
Wer sich in eine Debatte mit diesen „Fans“ begibt, wird aggressiv angegangen. Auf diesen Seiten geht es nicht um das Argumentieren. Deshalb ist der Versuch von Tissy Bruns im „Tagesspiegel“ zwar ehrenwert, aber vergeblich. Denn es geht gerade nicht um das Argument.
Es geht lediglich darum, eine möglichst große Masse zu erzeugen, um damit die mediale Aufmerksamkeit zu steigern.
Und es geht darum, auf diesen großen Seiten kostenlose Werbung für die Neue Rechte zu platzieren.
Das Internet wird zum Steigbügel für Nazis.

Nun versuchen zwar einige andere, eine eigene Gruppe „Wir sind gegen eine Rückkehr von Guttenberg“ zu etablieren. Das ist aller Ehren wert. Und es beginnt der „Kampf um Mehrheiten“.
Wer die meisten „Fans“ hat, so die Überlegung, der hat Recht.

Weit gefehlt.
Denn es geht der Neuen Rechten nicht um das Argument.
Es geht ihr um die Macht.
Die in der Bevölkerung tief verwurzelte Politikerverdrossenheit wird instrumentalisiert.
Gegen „die Politiker“ sind sie alle. Das ist mehrheitsfähig. Und auf dieses Holzpferd setzen die Rechten. Es ist ein Trojanisches Pferd.
Insofern hat Norbert Lammert Recht: das Verhalten von Guttenberg ist ein „Sargnagel für die Demokratie.“

Aus der Schweiz kommen besorgte Stimmen. Da werden Vergleiche angestellt zwischen dem Erstarken der Nazis mit Hitler und dem Rückhalt in der Bevölkerung, den zu Guttenberg hat.
Beides „verkrachte Intellektuelle“, der eine als „Weltkriegsgefreiter“ verhöhnt, der andere als „Betrüger“ entlarvt – und doch folgen ihnen die Massen.
Beide geübt im Verdrehen der Argumente: Schuld hat nicht der Täter, sondern der Ankläger.
Beide geübt im Umgang mit den Medien.
Denn: da gibt es mächtige Zeitungen und da gibt es Leute mit Geld, die sie stützen.
Man kauft sich das Volk. Man kauft „Fans“. Und erzeugt so mediale Aufmerksamkeit. Wir wissen aus den Anfängen der Naziherrschaft, daß die Verquickung von Medien, Geld und Beziehungen maßgeblich war für den Aufstieg des Verführers.
Die Deutschen haben „an ihn geglaubt„.
Wörtlich kann man in diesen Tagen Ähnliches über die deutsche Bevölkerung und zu Guttenberg lesen.

Manche sind der Ansicht, daß die beiden zitierten facebook-Seiten eigentlich eine bittere Satire seien.
Für mich ist das nicht so.
Ich halte diese Seiten für gefährlich. Und ich halte auch Guttenberg für politisch gefährlich, denn er ist in der Lage, die Bevölkerung zu verführen. Er ist ein Blender. Die Umfragen zeigen es.
Und ich traue diesen Deutschen nicht wirklich über den Weg.
Denn wir haben es nicht nur einmal erlebt, daß die Mehrheit den Verführern gefolgt ist – gegen jedes Argument.

Das Internet ist neutral.
Es gibt nur die Möglichkeit, daß sich Menschen miteinander verknüpfen. Aber durch diese Möglichkeit der blitzschnellen Verknüpfung  wird es zu einem politischen Instrument.
Nicht zuletzt der Aufstand der Akademiker (wann hat es das gegeben, daß innerhalb kürzester Zeit Tausende von Professoren öffentlich protestieren?), der mit Hilfe des Internets organisiert wurde, hat den Baron auf sein Schloß zurück geschickt.
Vorerst.
Denn heute schon sind die Stimmen unüberhörbar, die eine Wiederkehr wünschen.

Ich gehöre nicht zu ihnen.
Denn ich traue den Deutschen nicht wirklich.
Weil ich die Kraft des Internets kenne. Es ist ja gerade in diesen Tagen, an denen sich die „Internetgemeinde“ feiert, sie habe ganze Regierungen z.B. in Nordafrika gestürzt.
Wehe, wenn diese Macht den Falschen in die Hände fällt.

Nichts wäre mir lieber, als wenn ich mich irren würde.

Zur Verteidigung der guten Wissenschaft in Deutschland – eine Streitschrift


Lange Jahre war ich auf Bundesebene mitverantwortlich für die Wissenschaftspolitik in Deutschland. Als Abgeordneter der Deutschen Bundestages im Forschungsausschuss, als stellvertretender forschungspolitischer Sprecher und als Parlamentarischer Staatssekretär. Es ist an der Zeit, sich schützend vor die gute Wissenschaft in Deutschland zu stellen. Denn offensichtlich sind die derzeitige Forschungsministerin und auch die Kanzlerin dazu nicht bereit. Der Verbleib eines Betrügers im Amt eines Bundesministers schadet dem Wissenschaftsstandort Deutschland auf fundamentale Weise.

Solange die Kanzlerin einen Minister, der die Wissenschaft auf betrügerische Weise geschädigt und sich seinen Doktortitel durch Betrug erschleichen wollte, im Amt lässt, solange ist jedes Reden der Kanzlerin, Bildung und Wissenschaft seien der wichtigste Rohstoff für die Volkswirtschaft und entscheidender Standortfaktor nichts als leeres Gerede.

Denn hier geht es nicht um eine Bagatelle. Nicht derjenige, der den Betrug kritisiert, kriminalisiert das Verhalten des Ministers, sondern derjenige verhält sich schädlich, der durch Betrug versucht, sich akademische Titel zu erschleichen.

Was macht die Bundesforschungsministerin? Sie schweigt. Und sie vergeht sich damit an der guten Wissenschaft in Deutschland.
Was macht die Kanzlerin? Sie schweigt und lässt den Minister im Amt – ein Schlag gegen alle, die sich um gute Bildung und Wissenschaft in Deutschland bemühen. Ein Schlag ins Gesicht all derer, die durch ausgezeichnete Forschung und akkurate wissenschaftliche Leistungen den Wohlstand in unserem Industrieland sichern.
Denn, wenn der Betrüger im Amt bleibt, ist dem Betrug in Wissenschaft und Forschung Tor und Tür geöffnet. Dann ist künftig alles egal. Dann darf kopiert, abgeschrieben, betrogen werden, ohne daß es Folgen hätte.
Das darf nicht passieren!

Unser Industrieland braucht eine exzellente und nach strengen Kriterien arbeitende Wissenschaft die der Mensch die Luft zum Atmen.
Ich war etliche Zeit Senator der Fraunhofer-Gesellschaft.
Deshalb weiß ich, wie zentral wichtig die Qualitätssicherung in der Forschung ist. Der globale Wettbewerb ist mittlerweile so hart geworden, daß nur noch höchste Qualität in der Lage ist, denn Wettbewerb zu bestehen. Raubkopien, Plagiate, billige Nachahmung der internationalen Mitbewerber machen dem Wirtschaftsstandort Deutschland schwer zu schaffen.
Es gibt nur einen Weg, diesen Wettbewerb zu bestehen: höchste Qualität in Wissenschaft und Forschung.
Deshalb ist es richtig, wenn die Lehrer, Hochschullehrer und Professoren bei ihren Schülern und Studenten von der Schule an streng auf exaktes, strengen wissenschaftlichen Kriterien genügendes Arbeiten achten.
Deshalb ist es richtig, wenn schon von der Schule an die kleinsten Versuche, durch Betrug oder Abschreiben zu „Ergebnissen“ zu kommen, streng bestraft werden.
Denn: es geht um den Wirtschaftsstandort (!) Deutschland. Nur exaktes, strengen Kriterien genügendes wissenschaftliches Arbeiten ist in der Lage, den globalen Wettbewerb zu bestehen.
Das muss in allen Bereichen gelten: in der Schule, in der Fachhochschule, an der Universität, in der Forschung.

Wenn die Kanzlerin und ihre schweigende Forschungsministerin nun einen Minister im Amt lässt, der sich offensichtlich durch Fälschung und Betrug den akademischen Grad eines Doktors der Wissenschaften zu erschleichen versucht hat – dann ist künftig alles Kopieren, Abschreiben, Betrügen und Mogeln eine Bagatelle, dann kommt es künftig „nicht mehr so drauf an“.

Die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft in Deutschland ist gut. Und die deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben international einen guten Ruf. Einigen Universitäten gelingt es mittlerweile sogar, international im Wettbewerb mit den besten Universitäten der Welt zu konkurrieren. Das ist aber nur möglich, wenn auf höchste Standards geachtet wird.
Die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Gemeinschaft der Helmoltz-Zentren, die Institute der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, die Universitäten und Fachhochschulen – sie alle brauchen exaktes wissenschaftliches Arbeiten als entscheidendes Kriterium, um im internationalen Wettbewerb überhaupt bestehen zu können.
Wer schummelt, abschreibt, kopiert und sich Ergebnisse zu erschleichen versucht, wird nicht bestehen können gegen Yale und Oxford, gegen Oulu in Finnland und die starken Hochschulen in der Schweiz.

Deshalb geht es um keine Bagatelle.
Die Entwicklung des MP3-Standards durch ein Institut der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft ermöglicht einen Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro.
Es ist die Entwicklung eines Professors mit seinem Team.
Man kann an diesem Beispiel sehen, wie zentral wichtig gute Wissenschaft für den Wirtschaftsstandord Deutschland ist.
Wissenschaft und Forschung leisten einen entscheiden Beitrag zu unserem Wohlstand.

Deshalb ist Wissenschaft keine Bagatelle.

Die Kanzlerin ist aufgerufen, einen nachweislichen Betrüger aus höchsten politischen Ämtern zu entfernen. Denn er hat versucht, sich akademische Lorbeeren durch Betrug anzueignen.
Es genügt nicht, wenn der Titel aberkannt ist. Denn solange er im Amt bleibt, ist sein betrügerisches Verhalten weiter legitimiert.

Die Bundesforschungsministerin ist aufgerufen, sich entschieden, klar und unmißverständlich vor die gute Wissenschaft in Deutschland zu stellen.
Wenn sie weiter schweigt, schädigt sie den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland auf unverantwortliche Weise.

Frau Dr. Berlusconi.Etwas über das Verhältnis von Macht und Moral


Die Universität hat votiert: die Doktorwürde ist aberkannt. Was sagt die Kanzlerin? Sie sagt:
„Die Entscheidung der Uni Bayreuth liegt auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat. Sie macht daher Sinn“, so die Kanzlerin. Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister sei durch die Uni-Entscheidung daher in seinem Amt nicht geschwächt.
Ich zitiere aus der WELT.

Und halte inne.
Was bedeuten diese Worte? Sie bedeuten: Macht geht über Moral.
Denn es ist offensichtlich: die Kanzlerin hält an ihrem Minister fest, obwohl die Universität die erschlichene Doktorwürde zurückgezogen hat. Die Beweise waren erdrückend.
Sie hält aus Machtkalkül an ihm fest.
Künftig wird alles wurscht sein.
Künftig wird jeder tun und lassen können, was er will: lügen, betrügen, abschreiben, kopieren, verhamlosen, hochstapeln. Alles ist erlaubt.
Insbesondere, wenn man an der Macht ist.

Welcome in Berlusconi-Land.

Ulrich Deppendorf hat Recht: „Frau Dr. Merkel steuert einen gefährlichen Kurs“. So hat er es heute in „Deppendorfs-Woche“, nachhörbar in der ARD-Mediathek über ihren Kurs gesagt.
Nun geht es nicht mehr um einen süddeutschen Baron, der offensichtlichen Hochstapelei überführt.
Nun geht es um den Kurs der Kanzlerin.

Wohin führt sie dieses Land?

Sie führt es in moralische Niemandsland. Nun ist alles wurscht. Wenn der Bundesminister durch die Vorgänge um seine erschlichene Doktorarbeit „nicht im Amt beschädigt“ ist, dann ist alles völlig egal.
Dann kann jeder Bundesminister sein. Hauptsache, er dient ihrem Machterhalt.
Moral, Anstand, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit – alles in den Wind geredet.
Bürgerliche Werte – keinen Pfifferling mehr wert.
Denn alles hat sich der Macht zu beugen.

Man kann Frau Dr. Berlusconi dankbar sein für ihre Worte.
Wir wissen nun, woran wir mit ihr sind.

Stefan Zweig hat ein bemerkenswertes Buch zum Zusammenhang geschrieben: Castellio gegen Calvin. Oder ein Gewissen gegen die Gewalt.
Der scheinbar Unterlegene Castellio erweist sich gegen den mächtigen Calvin als der eigentliche Sieger.

Geist und Moral gegen Macht und Gewalt.
Das ist hier die Frage.

Und Frau Dr. Merkel hat sich offenbar entschieden: sie steht auf der Seite der Macht.
Und nicht auf der Seite der Moral.
Deshalb nenne ich sie nun Frau Dr. Berlusconi.

Mal nichts über Guttenberg – aber etwas über Projektionsflächen und Sehnsüchte


Etwa 650.000 mal hat Sarrazin sein vielgescholtenes Buch verkauft – und ist mehrfacher Millionär dadurch geworden. Die Menschen schimpfen – und lesen ihn.
Offensichtlich „funktioniert“ soetwas: ordentlich „gegen den Strich bürsten“ – und viele Menschen folgen.
Denn, „da traut sich mal einer öffentlich zu sagen, was viele denken“. Der Mann wird zum „Sprach-Rohr“, zur Projektionsfläche, zur Mattscheibe, auf der zu sehen ist, wie viele Menschen tatsächlich denken.
Sie gehen zu Tausenden in seine Lesungen.
Je mehr Skandal, um so besser für seine Verkaufszahlen.
Skandal garantiert Auflage.

900 Menschen klatschen in einem süddeutschen Bierzelt stehend Beifall, als ein Minister zugibt, betrogen und gelogen zu haben.
Er sagt das und greift an: „die Hauptstadtpresse“ habe eine Kampagne gegen ihn inszeniert. Aber: „Eine oberfränkische Wettertanne hauen solche Stürme nicht um“. So zitiert ihn die FAZ von heute.
Aus eigenem Unrecht wird „Angriff“ – es ist ein alter rhetorischer Kniff, der aber immer wieder funktioniert.
Offensichtlich hat der Betrüger viele Unterstützer im Land. Im „Spiegel“ und im „Stern“, in der „Frankfurter Rundschau“ und in anderen Zeitungen war davon heute zu lesen.
Da gibt es diesen Unterschied zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung.
„Eine oberfränkische Wettertanne hauen solche Stürme nicht um“.
Ha, damit hat er sie im Sack.
Die Leute im Saal.
Denn: wer sich selbst als hilflos, ohnmächtig, ausgeliefert erlebt – der braucht „eine oberfränkische Wettertanne“. Zum Anlehnen.
Der Untertan braucht den Anführer, auch wenn er ein Betrüger ist.
Er braucht ihn, selbst wenn er ihn mit Füßen tritt. Heinrich Mann hat im „Untertan“ eindrückliches literarisches Zeugnis davon gegeben.
Der Schwache braucht den, der sich als stark ausgibt. Als Projektionsfläche. Als Heimat seiner heimlichen Sehnsüchte.
Deshalb jubeln sie ihm zu, wenn er den Betrug und die Lüge als Kavaliersdelikt abtut und „die Hauptstadtpresse“ angreift.
Deshalb schreiben etliche heute in den Netzwerken, sie hätten „die Schnauze voll“ von der Diskussion um Guttenberg. Sie wollen „ihre Ruhe“ haben.
Und ihm weiter zujubeln.
Da bedient einer finsterstes provinzielles Vorurteil gegen „die Hauptstadtpresse“, man kennt „die“ ja, diese Journalisten – und bekommt stehenden Applaus.

Man kann das alles für eine Bagatelle halten. Den Sarrazin und den Minister.
Aber mich hat ein kleiner Text elektrisisiert, den ich heute morgen in einem facebook-threat fand:

da schreibt mir ein facebook-Freund: „wenn ich die Rede Guttenbergs betrachte, wird mir anders. Das möchte ich gerne erklären:
1. Er wird wohl den Rücktritt umschiffen oder nur kurze Zeit abtreten, geschenkt…
viel wichtiger:
2. Beim Blick in die Vergangenheit, mit seinem Frontauftritt mit Frau, den Vergleichen die sich angeboten haben, gestern das wenig verklausulierte Lob für Sarrazins Werk, Stahlhagel, Stahlhelm, der Auftritt in Kochs Brutkasten, Verachtung für die „Hauptstadtpresse“, Fußtritt für die seriöse Wissenschaft…jetzt zählen wir doch mal 1 und 1 zusammen:
Hier hatte gestern der Mann seinen Auftritt, der mit den Sarrazinthesen Wahlkampf machen wird – und damit Wahlen gewinnen kann und schlimmstenfalls auch wird.
Am Horizont steht die neue Konservative, bei der sich so Mancher die Merkel-CDU zurückwünschen wird.
Ganz fern ab dieser Dr.-Diskussion, hat diese Aktion ihm eine Freiheit gegeben, mit der er zu dem mutiert, vor dem alle im Zusammenhang mit den Umfragen zur Sarrazinschen Schrift Angst hatten.
Natürlich habe ich keine Glaskugel, aber ich möchte mich mal aus dem Fenster lehnen und sagen, das hat jemand nun sein wahres Gesicht gezeigt und was uns da erwartet ist mehr als beunruhigend….“

Ich hab meinem facebook-Freund geantwortet:
„na, das hat mich ja nun doch ziemlich elektrisiert, was du da schreibst. Das Zeug zum Verführer hat er, das haben wir ja gesehen. Und wir sehen auch, wie ihm die Leute nachlaufen.
Um die „neue Rechte“ mache ich mir auch Sorgen, zeigt sie sich doch nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, sogar in Skandinavien.
Inteloranz und Fremdenfeindlichkdeit sind ihre „Kennzeichen“, geschickte Nutzung der am meisten von der Bevölkerung konsumierten Medien (Talk-Shows und „Soldatenbilder“) ebenfalls.
„Sarrazin“ und seine vielen Millionen Leser sind ja ein Hinweis darauf.
Jung genug ist er, um „wiederzukehren“ nach einer gewissen Zeit.
Aber ich will den Glauben an den aufgeklärten, mündigen, weltoffenen und an anderen Kulturen interessierten Menschen nicht aufgeben…
Womöglich hast du Recht, man muss noch klarer sagen wofür man steht. Und sich unterhaken….“

Ich bin nachdenklich geworden.
Auch wenn jetzt viele „die Schnauze voll“ haben von dem „Sarrazin“ und dem „Minister“. Auch, wenn viele ihm heimlich zustimmen, wegen dieses „Kavaliersdeliktes“.
Vielleicht gerade deswegen…..
Der Untertan fängt an, mir unheimlich zu werden.

Geheime Kommandosache – das Parlament weiß nichts. Was weiß Guttenberg?


Selbst die Obleute der Fraktionen werden nicht über die KSK und die amerikanische Task Force 373 informiert. In der Bundestagszeitschrift „Das Parlament“ konnte man es lesen.
Die Abgeordneten dürfen sich nicht mal Aufzeichnungen machen, wenn sie „informiert“ werden. Sie werden offensichtlich sogar vom Minister verspottet.
Was hat es auf sich mit der deutschen Sondereinheit KSK und der amerikanischen Sondertruppe Task Force 373?
Wer die Task Force 373 ist, hatte der „Spiegel“ berichtet. Es ist eine Sondereinheit, die eingesetzt wird zum „gezielten Töten“ von „Taliban“. Man muß dazu wissen, daß Soldaten oft darüber klagen, daß sie „Taliban“ gar nicht von normalen „Zivilisten“ unterscheiden können. Es gibt zwar „Abschusslisten“, an denen offensichtlich auch deutsche Stellen beteiligt sind. Aber ein Abgeordneter, der genau herausfinden will, wie denn nun genau die Zusammenarbeit zwischen deutscher KSK und amerikanischer Task Force 373 im militärischen Alltag „funktioniert“, beißt auf Granit.
Das Parlament wird dumm gehalten.
Heute erschien ein Artikel in der „Welt“, wonach sogar der Chef der NATO im Jahr 2009 nicht „über die größte Militäraktion seit dem Vietnamkrieg“ informiert worden ist.
Eine geheime Kommandosache also.

Nun hat das Parlament die Fortsetzung des Afghanistankrieges beschlossen. (Ich verwende das Wort „Krieg“, weil es sogar von der Kanzlerin und dem Verteidigungsminister benutzt wird).
Aber das Parlament weiß ganz offensichtlich, weil nachlesbar, nicht, was da eigentlich wirklich vor sich geht.

Nun „arbeitet“ die amerikanische Task Force 373 nicht irgendwo, sondern im Norden Afghanistans. Also im Zuständigkeitsbereich der Deutschen.
Deshalb ist die Frage dringlich: Wie sieht die Zusammenarbeit von KSK und Task Force 373 im Alltag in Nordafghanistan tatsächlich aus?

Die fragenden Abgeordneten werden hingehalten.
Der Minister verspottet sie sogar.

Ich stelle deshalb hier die Frage: Was weiß Verteidigungsminister zu Guttenberg über eine Zusammenarbeit der deutschen KSK und der amerikanischen Task Force 373?

Es besteht Aufklärungsbedarf.
Denn heute sind schon wieder 3 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.
In Nordafghanistan.
Sie wurden von einem afghanischen Soldaten mitten im deutschen Camp erschossen…..

„als Gattin und Mutter zu Weihnachten an der Front bei den Soldaten“ – eine Anmerkung


Was vollzieht sich in unserem Lande gerade?
Wir sehen einen jungen konservativen Minister (CSU) in Begleitung seiner Gattin bei deutschen Soldaten, die nach Ansicht des Ministers in Afghanistan „in kriegsähnlichen Zuständen“ stehen.
Es handelt sich also um einen Frontbesuch.
Zu Weihnachten.
Die Frau des Ministers begründet ihre Teilnahme an der Reise: sie wolle „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ sein.

Ich werde aufmerksam.
Diese Klänge kenne ich.
Von Goebbels.

Was Stephanie zu Guttenberg hier in die Mikrofone säuselt, soll freundlich klingen. So familiär irgendwie. Auch irgendwie harmlos. Nett eben.

Doch ich frage mich: was vollzieht sich da grade im Lande? Was schleicht sich da ein in die Spaßgesellschaft?
Was erlaubt sich der junge Minister da eigentlich, der im Moment von den Sympathien des Volkes getragen wird?
Abgeordnete, die im Januar zu entscheiden haben, können Kundus nicht besuchen, aber die „Gattin und Mutter“, die über keinerlei Mandat verfügt, darf?
Das ist kein Zufall.
Hier geht es um die richtigen Bilder.
Die einen „jungen aufstrebenden Politiker“ stärken sollen.

Daß ein „junger aufstrebender Politiker“ von den Sympathien des Volkes getragen wird, ist kein Zeichen von Qualität. Das eine lässt sich nicht aus dem andern ableiten.
Wir kennen aus unserer Geschichte zahlreiche Beispiele, bei denen „junge aufstrebende Politiker“ ebenso „von den Sympathien des Volkes“ getragen wurden. Nicht immer zum Wohle des Volkes.
Doch das merkte man erst später.

Dass die Frau des Ministers kein Mandat hat, ist hinlänglich diskutiert worden.
Was also tut sie an der Front?
Sie will „als Gattin und Mutter“ bei den Soldaten sein.
Sagt sie.

Man darf von ihr erwarten, daß sie überlegt, was sie sagt.
Denn schließlich ist die Reise gut vorbereitet worden. Insbesondere in Bezug auf die Presse.
Die Worte werden also gewogen.
Und die Wirkung der Worte kalkuliert.
Die Sprache der Bilder ebenso.
Nichts ist dem Zufall überlassen.

Es soll harmlos wirken. Irgendwie privat. Menschlich eben.
Die armen Jungs, die da zu Weihnachten ihren Dienst tun müssen!
Da passt es gut, wenn die „Gattin und Mutter“ mal nach den Jungs schaut, die da ihren Buckel hinhalten für die Freiheit des Volkes…..

Nun verhält es sich allerdings so, daß die Formulierung von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ eine Geschichte hat in Deutschland.
Eine sehr unrühmliche.
Denn die Nationalsozialisten verstanden es auf perfide Weise, gerade in den Weihnachtstagen! die Rolle der Frau als „Gattin und Mutter“ anzusprechen und für ihre Propaganda zu missbrauchen.
Dicke kluge Bücher sind über dieses Thema geschrieben worden.
Die Frau als „Gattin und Mutter“ hatte eine zentrale Funktion in der Propaganda.
Und in der Propaganda kommt es auf die Wirkung der Bilder an. Und auf die Worte, die in der Zeitung stehen.
Am besten wirken bewegte Bilder: Film eben.
Das muss man bedenken.

Nun kann man Stephanie zu Guttenberg Ahnungslosigkeit und Harmlosigkeit unterstellen. So weit will ich nicht gehen.
Man kann die ganze Angelegenheit unter „coole Aktion“ verbuchen, wie es jemand auf facebook getan hat, der dem Minister politisch nahe steht.
Man kann alle diejenigen, die den Besuch kritisieren, als „Gutmenschen“ abtun, man kann sich gar am Protest aus der Opposition ergötzen und „Klasse! Coole Aktion!“ rufen und argumentieren „der Erfolg gibt dem Minister Recht“. Gemeint ist der mediale Erfolg.
Denn politisch ist gar nichts geklärt in Afghanistan.
Im Januar wird das Parlament erneut zu entscheiden haben.

Seien wir aber gutwillig.
Unterstellen wir Stephanie zu Guttenberg nicht, daß sie ahnungslos und unbedacht ist.
Nehmen wir an, sie sei eine kluge Frau, die sehr genau weiß, was sie sagt und was sie tut.

Dann muss man fragen: Was bedeuten ihre Worte?
Welche Funktion haben sie? Was ist ihre Botschaft?
Wie „klingen“ diese Worte in der Bevölkerung?

Wie klingt dieses „als Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es soll Gefühle ansprechen.
Ja klar, was sonst.
Instinkte.
Der Mütterlichkeit, der Besorgnis um die „Jungs“ im fernen Lande.

Eben jene mütterlichen Impulse wusste Propaganda schon immer und in allen Kriegen zu bedienen.
Da wurden Strümpfe gestrickt im Kriegswinter; da wurden „Pakete aus der Heimat“ gepackt zu Weihnachten; da wurde – in einer Ringschaltung bislang technisch einmalig und zur damaligen Zeit eine Sensation – zu Weihnachten 1940 vom Nordkap bis nach Afrika „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen – alles wohl kalkuliert und fein überlegt.
Wegen der Wirkung auf die Gefühle.

Was also soll die Rede von der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“?
Es geht um weit mehr als eine harmlose, private Freundlichkeit.

Es geht um Politik.
Und es geht um die Sprache der Bilder.

Dieser Besuch soll die Stimmung in der Bevölkerung in Deutschland beeinflussen.
Die Kritik am Afghanistan-Einsatz soll gemindert werden. Schließlich hat das Parlament kurz nach den Feiertagen erneut abzustimmen über eine erneute Verlängerung des Mandats.
Der Zeitpunkt der Reise ist günstig gewählt.
Die Menschen sind ohnehin eher milde gestimmt zum Fest.

Daß diese Reise eine Mißachtung des Parlaments ist, ist hinlänglich diskutiert worden. Denn etliche Abgeordnete, die zu entscheiden haben, durften bislang nicht dorthin reisen.
Aber eine Frau ohne Mandat.
Weil ihr Mann das so entschieden hat.

Er ist frei, zu wählen, wer ihn begleiten soll.
Aber er hat die Wirkung zu bedenken.
Und er hat sie bedacht.

Die Teilnahme der jungen „Gattin und Mutter bei den Soldaten zu Weihnachten“ war sorgfältig kalkuliert.
Die Kritik der Opposition inklusive.
Worauf der konservative Minister abzielt, der im Moment von einer Welle der Sympathie im Volke getragen wird – glaubt man den Umfragen -: er will „das Volk“ wieder enger mit den Soldaten verbinden. Er will ihre Gefühle ansprechen. Er will „das Volk“ wieder mehr zum Unterstützer der Soldaten werden lassen – die Kritik am Afghanistan-Einsatz geht ihm schlicht zu weit.

Da passt der Besuch der „Gattin und Mutter zu Weihnachten bei den Soldaten“ perfekt.

Nur: es handelt sich um Propaganda.

Deshalb, Frau zu Guttenberg, daß Sie als Gattin zu Propagandazwecken ihren Gatten stützen wollen, kann ich verstehen.
Aber verrichten Sie bitte Ihre Propaganda nicht auf dem Rücken der Soldaten….

Tante Hildegard und der Talg-Meister


Tante Hildegard ist alt. Und sie ist frech. Ich sagte es schon.
„Na Jung, willste was zu trinken?“ begrüßt mich meine alte Tante Hildegard.
Ich bin mal wieder zu Besuch. So zu den Feiertagen.
„Ja, ’nen Kaffee würd‘ ich nehmen. Passend zum Tag gern einen mit Schuss…“ sag ich, und die Alte grient.
„Mit Schuss? Hab ich“ meint sie und gießt mir einen ein.
„Und? Wat is los in der Welt?“
„Och“ sag ich, „jetzt schreiben die Zeitungen, da sei ein Talk-Master nach Afghanistan gereist.“

„Wer?“ fragt Tante Hildegard.
„Ein Talk-Master“.
„Wie jetzt. Jetzt schicken sie schon Kerzenmacher dahin? Ist’s denn so dunkel da?
Früher, weißt du, da hatten wir diese Talg-Meister bei uns auf dem Dorfe. Die waren sehr geschickt. Im Kerzenmachen.
Ist wohl wegen der Adventszeit, daß sie den dahin schicken? Damit die auch ein paar Kerzen haben zum Fest?“

„Er reist mit dem Armeeminister. Und seiner Frau.“
„Wieso nehmen die einen Talg-Meister mit? Brauchen die mehr Licht am Fahrrad?“ frotzelt Tante Hildegard.

„Ich könnt mich schon wieder aufregen über sowas“ ärgere ich mich endlich.
„Da reist dieser geölte Minister mitten in der Adventszeit zur Truppe im fernen Afghanistan. Nimmt seine Frau und diesen Talg-Meister mit.
Und es ist jetzt schon klar, daß nix dabei herauskommen wird. Reine PR ist das Ganze.
Es soll so menschlich wirken, so volksnah, so persönlich. Und dabei ist das alles knallhart inszeniert.“

„Mach mal langsam, Jung“ sagt Tante Hildegard. „Aufregen lohnt nicht. Nimm mal lieber noch einen. Gern auch mit Schuss…“
„Die Leute sind ja nicht doof. Kannste glauben.
Schau mal, als ich noch ’ne junge Frau war, da habe ich das doch auch schon erlebt bei dem Adolf, dem Verrückten. Der hatte doch diesen Kino-Minister, wie hieß der doch gleich? Der mit dem Klumpfuss.
Joseph hieß der. —- Ja, Joseph. Aber nicht der von der Krippe, nee der nich.
Der Jöbbels Joseph. Der wusste schon jenau, wie dat is mit den Bildern und dem Kino. Wenn der Fernsehn jehabt hätt, ick sage dir, da wär’n noch mehr Leute auf ihn reinjefallen.
Als es ganz schwer wurde im Krieg, weißte Jung, als sie bei Stalingrad die Schlacht schon verloren hatten – da haben sie zu Hause solche Filme gezeigt. Solche heiteren.
„Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ haben sie in diesen Filmen gesungen – und da war schon längst alles verloren.“

„Meinst du, Tante Hildegard?“
„Meinst du, die Sache da in Afghanistan ist auch so verloren?“

„Ja klar“ sagt Tante Hildegard bestimmt.
„Ick bin ja ne olle Frau, ick kann ja sagen, was ich denk. Klar ist das da verloren.
Rat mal, warum die da jetzt son Gewese drum machen! Grad weil das da verloren ist.
Da machen sie schöne Bilder für zu Hause. Is doch schließlich Weihnachten!
Deshalb nehmen sie diesen Talg-Meister mit. Kannste mir glauben.
Ich  bin ne olle Frau, ich weiß sowas.
Ich kann mich noch gut erinnern. An diese Kriegs-Weihnachten. Da hat dieser Jöbbels Joseph aus allen Ländern, wo die Soldaten standen, eine Rundfunksendung gemacht. Und denn haben sie sich gemeldet aus Norwegen und aus Russland, aus Frankreich und aus Italien, aus Nordafrika und von überall. Und denn haben sie alle zusammen jesungen „Stille Nacht, heilige Nacht“. Weiß ich noch janz jenau. Ick hör die Sendung heute noch in den Ohren klingen, wenn ich das Lied hör….“

Naja, bei Tante Hildegard weiß ich nie, ob’s ihre Weisheit ist oder vom Schnaps kommt.
Aber vielleicht hat sie ja recht.
Die kluge alte Tante, vielleicht nehmen sie ja deshalb diesen Talg-Meister mit. Weil die Sache verloren ist…..

Marsch, marsch! Jetzt gehts an die Substanz, Herr zu Guttenberg!


Der Verteidigungsminister findet, es sei legitim, wenn die Bundeswehr „die Handelswege absichert“.
Ist ja auch irgendwie einzusehen.
In einer Zeit, in der begehrte Rohstoffe für Elektoautos, Computer und andere begehrte Waren immer knapper werden; in Zeiten, in denen die deutsche Wirtschaft „ernste Probleme“ zu erkennen glaubt, angesichts der Rohstoffknappheit im vom Export abhängigen, rohstoffarmen Land – da meint der Verteidigungsminister, es sei legitim, wenn die Bundeswehr „die Sicherung der Handelswege“ übernähme.

Man achte auf den Zeitpunkt dieses Statements des Verteidigungsministers.

Selten hat einer so offen und klar gesagt, worum es ihm und einigen anderen geht.
Und selten war der Widerspruch im Land so gering.

Das, was Guttenberg vorträgt, ist Kolonialismus in reinster Form. Es geht im Kern um die Verteidigung wirtschaftlicher Interessen.
„Wir brauchen die Rohstoffe, die in euren Ländern liegen. Und wir werden mit der Armee dafür sorgen, daß diese Rohstoffe auch unser Land erreichen“.

Das ist im Kern der Hauptsatz, der sich hinter seinem rhetorischen Nebel verbirgt.

Und dagegen gilt es, Widerspruch anzumelden.

In einer Welt, in der die Abhängigkeit der Länder voneinander in atemberaubenden Tempo zunimmt, ist es nicht klug, einen derart kolonialen Ton anzuschlagen, wie es Herr zu Guttenberg tut. Es ist kurzsichtig, weil es Konflikte verschärft in einer Welt, die Befriedung der wachsenden Konfliktpotenziale braucht.
Aber es macht deutlich, wie da einige denken.
Sie denken: „Hauptsache wir! Und wenn wir dazu die Armee zu Hilfe nehmen müssen“.
Also: Marsch! Marsch!

Es geht um „Verteidigung deutscher Interessen“.
Das hat man schon oft gehört.
Das ist aber bislang niemals gut ausgegangen. Wenn sich die „Verteidigung deutscher Interessen“ mit dem Klang von Soldatenstiefeln auf den Straßen ferner Länder verbindet.

Guttenberg sagt, was er denkt. Aber er geht zu weit.
Es ist ihm anzurechnen, daß er sagt, was er denkt.

Klarheit ist manchmal hilfreich.
Man weiß, wo der Gegner steht.

Was ist, statt der militärischen Verteidigung deutscher Wirtschaftsinteressen, eine sinnvolle Zukunft?

„Schwerter zu Pflugscharen!“ (Micha 2).

Ich weiß, daß viele diesen alten Satz für eine Phantasterei halten.
Mir ist das nicht neu.
Deshalb irritiert es mich auch nicht mehr.

Wenn zu Guttenberg den Versuch unternimmt, die Sicherung wirtschaftlicher Interessen Deutschland mit militärischen Mitteln zu begründen.
Dann ist ihm zu widersprechen.

Laut. Und deutlich.

http://www.fr-online.de/politik/guttenberg-macht-den-koehler/-/1472596/4819482/-/index.html