Manche Menschen entdeckt man fast zu spät.
Warum habe ich Prof. Galtung nicht schon früher wirklich wahrgenommen? Nun, ich hatte von ihm gelesen, gewiß. Der Träger des Alternativen Nobelpreises und international anerkannte Friedensforscher war mir bei der einen oder anderen Lektüre durchaus schon mal „über den Weg gelaufen“, wie man so sagt. Aber wirklich befaßt habe ich mich mit ihm bislang nie. Das ist ein großes Versäumnis.
Gestern Nacht bin ich auf ihn gestoßen, bei der Recherche zu verlässlichn Quellen und Alternativen zum Afghanistan-Krieg.
Prof. Galtung hat schon im September 2001 (!) für Dialog mit den Taliban geworben, wie hier im „Spiegel“ dokumentiert ist.
Er sagte damals, unittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center:
„Fünf Dinge sind nötig.
Erstens: Denkpause. Zweitens: Dialog. Drittens: Versuche, zu verstehen, worum es geht. Viertens: Versöhnung. Und fünftens: die Konflikte lösen.
Dieses Schema muss punktuell angewandt werden bezüglich Afghanistan, Irak, Palästina/Israel und so weiter.
Konkret schlage ich vor, dass drei Leute wie zum Beispiel Jimmy Carter, Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk mit den Parteien reden, um die Spirale der Gewalt zu vermeiden.“
Man hat nicht auf ihn gehört.
Der Krieg geht nun ins zehnte Jahr, im März wird eine neue „Offensive“ der NATO-geführten ISAF-Truppen beginnen.
Und es zeigt sich immer klarer, daß es keine Alternative zum Dialog gibt, „denn auch der Extremist hat seine Gründe“….
Galtung wurde als Sohn eines Arztes 1930 in Norwegen geboren. Weil er nicht Soldat werden wollte, saß er im Gefängnis, denn es gab damals noch keinen Zivildienst.
Schon 1959 gründete der Mathematiker und Soziologe das erste Friedensforschungsinstitut.
Einer seiner zentralen Sätze: „Es gibt keine bösen Menschen. Es gibt aber böse Ideen. Eine böse Idee ist, daß es böse Menschen gibt.“
Nun begegnete mir gestern Abend das folgende Video von der University of San Diego, in dem Prof. Johan Galtung einen weit beachteten Vortrag hält zum Thema „Breaking the Cycle of Violent Conflict„.
Dieser Vortrag, der etwa 58 Minuten dauert, sei hier eingefügt. Nun weiß ich, dass die Menschen eher kurze Sachen mögen und lesen. Dennoch gebe ich dieses einstündige Video hier wieder, auf Hoffnung hin….
Für mich besonders eindrücklich an diesem Vortrag ist die Authentizität, die Echtheit des Vortragenden. Man spürt ihm ab, wie er Friedens-Arbeit versteht: konkret, phantasievoll, humorvoll, zielorientiert.
Besonders sympathisch finde ich den Hinweis, das Kreativität und Kultur zur Konfliktlösung dringend benötigt werden.
Im von Prof. Galtung gegründeten Network for Peace, Development and Environment TRANSCEND International gibt es deshalb neben dem Journalisten-Netzwerk und der Universität auch den link zum Thema „Kultur“. Man sieht ja am Afghanistan-Konflikt, wie zentral und wichtig gerade dieser Bereich ist.
Man kann das Lebenswerk eines Menschen nicht auf einer blog-Seite darstellen und würdigen.
Aber man kann mit einer blog-Seite auf ein solches Lebenswerk hinweisen.
Wir sind alle Lernende.
Und Prof. Galtung ist ganz gewiß einer der großen Lehrer, deren unsere Zeit so dringend bedarf.
danke für das Teilen der Worte!