Die Deutschen ziehen neuerdings wieder gerne in den Krieg.
Genauer: sie finden es gut, wenn andre das tun.
Deshalb schelten sie die Regierung wegen eines Abstimmungsverhaltens, sagen dann aber: man hätte zustimmen sollen, und man hätte dann ja noch mal und irgendwie reden können nicht wahr, dass das vielleicht und so weiter doch nicht so ganz gut sein könnte, nun den Worten auch Taten folgen zu lassen, nicht wahr und deshalb die eigenen Soldaten dann mal doch besser zu Hause blieben beziehungsweise in Afghanistan.
Oder so ähnlich.
Aber im Prinzip finden viele Deutsche den neuen Krieg gut.
Jedenfalls, wenn man der veröffentlichten Meinung glauben kann.
Glaubt man den Gazetten und liest man die darin veröffentlichten Artikel zum Thema, dann finden es sehr viele gut, wenn die NATO nun Bomben „gegen den Diktator wirft“.
In Afrika.
„Zum Schutz der Zivilbevölkerung“ versteht sich.
Man ruft – schön bequem vom Sofa aus – „Freiheit! Freiheit!“ und „die Demokratie muss siegen!“ und dann wendet man sich wieder anderen Dingen zu.
„Gib mal noch ne Pulle Bier. Wat kommt’n in‘ Fernsehn?“
Die abendliche Serie wartet.
„Bring ma noch’n paar Chips mit!“.
Wenn man nun aber, nur mit Worten ausgestattet, auf einen Skandal hinweist, an dem auch die Deutschen einen nicht unmaßgeblichen Anteil haben, ihrer Agrarsubventionen wegen und ihrer Bereitschaft, billig einzukaufen – dann wird es sofort ruhiger auf dem Sofa. Dass es da einen Zusammenhang geben könnte zwischen dem Einkauf im Supermarkt am Wochenende und den Flüchtlingenaus Afrika, nein soweit reicht es dann doch nicht auf dem Sofa.
Nimmt man das Wort „Lampedusa“ in den Mund, dann vermuten etliche einen neuen Brotaufstrich oder gar eine Südfrucht womöglich.
Dass es sich bei „Lampedusa“ jedoch um das sichtbare Zeichen europäischer Verlogenheit und Unmoral handelt, ersichtlich daran, wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht, das, nein, das ist dann doch zu unbequem nicht wahr, da wendet man sich dann doch lieber wieder der Fernsehserie zu.
Und den Kartoffelchips.
In Österreich liest man ja auch die Zeitung, nicht wahr. Ähnlich wie in Deutschland ist das da.
Man liest dort folgendes: da protestieren Flüchtlinge. Und sie rufen „Freiheit! Freiheit!“. Man liest weiterhin, die Zustände auf Lampedusa seien „menschenunwürdig„.
Daraufhin erhebt sich ein Sturm der Entrüstung in den Gazetten der europäischen Mitgliedsstaaten. Petitionen werden geschrieben. Die Leute gehen auf die Straße und verlangen von ihren Regierungen, dagegen einzuschreiten.
So träumte mir.
Es war ein schaler Traum.
Die Wahrheit ist: man schweigt.
Oder schreibt unter jenen Artikel aus der Zeitung merkwürdige Kommentare.
Die erzählen etwas von der Glaubwürdigkeit.
Guter Blog! Mir scheint, viele leben in einer virtuellen Welt, in der Leid und Elend sich nicht mehr mitteilen und in der „Empathie“ ein Fremdwort bleibt. Inhalte vermitteln sich nicht mehr über ihre Bedeutung, sondern über ihre affektive Konnotation… Diktator ist schlecht, also müssen „Bomben auf Diktator“ gut sein. Flüchtlinge sind gut, solange sie vom Südsudan in den Nordsudan unterwegs sind, sie sich schlecht, wenn sie vor den Toren Europas stehen. Menschlichkeit ist eine Funktion von Distanz, und je näher diejenigen kommen, mit denen man positiv konnotiert ist, desto geringer wird sie, die positive Konnotation.