Viele Gespräche liegen hinter mir. Mit vielen Menschen in den Orten des Darss habe ich inzwischen gesprochen und ihre Informationen dokumentiert.
Mich interessiert, was gewesen ist zwischen 1933 und 1945 in Prerow, Zingst, Barth, Bodstedt, Ribnitz, Ahrenshoop, Wustrow, Born, Wieck. Man erfährt nämlich so schrecklich wenig.
Ich hatte deshalb im vorigen Jahr damit begonnen, Informationen zusammenzutragen und hatte als einen ersten Beitrag das Büchlein über den Darss zwischen 1933 und 45 als „regionalgeschichtliche Studie“ veröffentlicht. Das Buch wird gelesen, wird weitergereicht und führt zu weiteren Gesprächen, das freut mich. Man hat mir auch versichert, man wolle nun „einen Historiker beauftragen, die Geschichte des „Borner Hofs“ und des Forsthauses gründlich aufzuarbeiten“, was ja so wirklich nötig nicht ist, weil die Dokumente ja vorliegen, und außerdem kann das dauern.
Wirklich vorangekommen sind wir also noch nicht. Nach wie vor zeigen die Homepages der Kommunen keinen Hinweis auf diese Zeit (Ausnahme: Wieck d. Darss und Barth). Es gibt also Widerstände.
Auf einen dieser „Widerstände“ will ich hier im Beitrag eingehen: man kann auf dem Darss den Einwand hören, die aktive Erinnerung an die NS-Zeit „störe den Tourismus“, die Urlauber wollten „in Ruhe gelassen werden“. So jedenfalls lautet die unbelegte Behauptung. Man befürchtet gar zum „Sammelbecken für Neonazis“ zu werden, wenn man sich den Jahren zwischen 1933 und 1945 auch öffentlich stellt und dokumentiert, was gewesen ist. Die Erfahrung der zahlreichen Gedenkstätten in Deutschland sagt allerdings etwas anderes.
Ich halte solche Einwände auch für vorgeschobene Argumente.
Denn es gibt zahlreiche Beispiele, in denen Städte die aktive Erinnerungsarbeit an die NS-Zeit sehr gut mit ihren Tourismuskonzepten verbinden. Weimar und Buchenwald sind so ein Beispiel.
Aber eben auch Prora auf Rügen.
Das dortige Dokumentationszentrum macht eine hervorragende Arbeit und, wie ich heute gefunden habe, wirbt sogar ein großer Tourismus-Anbieter auf der Insel Rügen dafür, das Dokumentationszentrum unbedingt aufzusuchen und sich mit der NS-Geschichte der NS-Urlauber-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) zu befassen, die ja auch auf dem Darss millionenfach Urlauber an die Ostseeküste befördert hat. Man hat verstanden, dass aktive Erinnerungsarbeit sogar eine Chance für den Tourismus bedeuten kann, denn Urlauber haben Zeit, sich einmal gründlicher auch mit historischen Zusammenhängen zu befassen. Und genau das tun sie: sie besuchen Museen, Kirchen, Gedenkstätten. Kulturtourismus ist ein großes Segment. Verbunden mit Bildungsarbeit kann so ein Tourismus einen wichtigen Beitrag zu einer guten Erinnerungskultur leisten. So sieht man es in Prora auf Rügen.
Das ist wirklich bemerkenswert, denn es liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Darss. Man kann sozusagen „hinüberschauen“ zur Insel Rügen. Und dort in Prora kann man sehen, wie gelingende Erinnerungskultur und Tourismus Hand in Hand gehen. Ich empfehle den Kommunalpolitikerinnen und -politikern auf dem Darss sehr, sich das Dokumentationszentrum in Prora anzuschauen, man kann dort sehen, wie es gelingen kann. Erinnerungskultur und Tourismus schließen sich nicht aus, wie behauptet wird; das Gegenteil trifft zu: sie unterstützen sich wechselseitig. Wenn man es richtig macht wie in Prora.
Ja, wir von Ostseeappartements Rügen haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass die Mehrzahl unserer Gäste dem Ort Prora nicht nur wegen seines Strandes äußerst zugetan begegnet, sondern sich durchaus für die mit dem KdF-Bad verbundene Historie interessiert. Und wir finden es richtig und wichtig, dass die nach der deutschen Wiedervereinigung dort entstandene Museumslandschaft erhalten bleibt. Deshalb greifen wir in unserem breit gefächerten RügenInsider-Blog eben auch solche Themen auf. https://www.ostseeappartements-ruegen.de/blog/
Lieber Herr Probst, danke für Ihre Arbeit. Hier auf dem Darss sind wir gerade dabei, Erinnerungsarbeit an die NS-Zeit zu beginnen. Viele Dokumente sind vorhanden, insbesondere zum „Borner Hof“ in Born, einem ehemaligen KZ-Außenlager der KZs in Ravensbrück und Neuengamme, auch zum „Forstmeister“ Franz Mueller-Darss, einem hohen SS-Mann aus dem Persönlichen Stab Himmlers, der die Bewachungshunde für die KZs ausgebildet hat – allerdings ist das alles nicht öffentlich. Man traut sich nicht. Deshalb finde ich Ihr Beispiel so gelungen. Sie zeigen, wie Erinnerungsarbeit und Tourismus Hand in Hand gehen können. Beste Grüße aus Perow!