Uwe-Carsten Heye schreibt im „Vorwärts“ u.a. über 20 Jahre DDR über das DDR-Bildungssystem:
„Bildungsfähigkeit – unabhängig von der Herkunft
Nur die „Stasi“ wird ewig leben, als Chiffre längst nicht nur für das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit. Wie ein großes schwarzes Loch schluckt sie dabei alles, was sich auch positiv mit der DDR verbinden ließe und zieht wie in einem gigantischen Mahlstrom alles herunter, was das Arbeiter- und Bauernparadies auch sein wollte: der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden. Und dazu gehörte unter anderem ein Bildungssystem, das jedem Schüler, jeder Schülerin selbstverständlich Bildungsfähigkeit zuerkannte – unabhängig von der Herkunft.“
Ich muß ihm durchaus sehr widersprechen.
Denn dieses Bildungssystem gewährte gerade nicht! unabhängig von der Herkunft „jedem Schüler, jeder Schülerin selbstverständlich Bildungsfähigkeit“.
Das DDR-Bildungssystem war zentraler Bestandteil der Diktatur.
Schon die Grundschüler sollten möglichst alle in die Pioniere, später in die FDJ.
Die Debatten um die Einführung der „vormilitärischen Ausbildung“ beschäftigten sehr viele Synoden. Hunderte von Eltern waren nicht bereit, ihre Kinder in diese Lager zu schicken. Und sie bekamen die Konsequenzen zu spüren: ihre Kinder durften kein Abitur machen. Ihnen war damit ein Hochschulstudium verwehrt.
Gerade die Eltern, die sich in christlichen Kirchen und Gemeinden engagagierten, wissen davon viele Strophen zu singen.
Es gibt kaum ein Thema, das in dieser gewaltigen Dimension die Synoden der Kirchen beschäftigt hat.
Immer wieder wurde es zum Thema, denn die Not in der Diktatur gerade in dieser Frage war sehr groß.
Wie kaum ein anderes Feld war das Bildungssystem der DDR gerade nicht vom Geist der Freiheit und Unabhängigkeit des Denkens geprägt.
Das Ziel des DDR-Bildungssystems bestand ja gerade darin, ordentliche „Staatsbürger“ im Sinne der SED zu erziehen – dies ist nachzulesen in den Dokumenten aller Parteitage der SED, die sich mit der Bildungsfrage beschäftigten.
Es ist eine üble Legende, wenn nun im „Vorwärts“ die These vorgetragen wird, das DDR-Bildungssystem habe es „jedem Schüler und jeder Schülerin unabhängig von der Herkunft“ ermöglicht, sich ausbilden zu lassen.
Ich gehöre zu denen, die trotz exzellenter schulischer Leistungen aus politischen Gründen – mein Vater war Pfarrer und wir drei Brüder waren selbstverständlich weder bei den Pionieren, noch in der FDJ, noch im Armeelager, noch bei der Armee – keine Zulassung zum staatlichen Abitur bekamen. Wir galten als „politisch unzuverlässig“.
Wir hatten zwei Möglichkeiten: wir konnten in den Westen gehen. Das hätte die SED gern gesehen, denn dann wäre sie uns los gewesen. Wir aber wollten bleiben.
Also blieb noch die Möglichkeit, an einer der drei kleinen Schulen in kirchlicher Trägerschaft (Naumburg, Potsdam-Hermannswerder, Moritzburg) ein Abitur zu erwerben (sehr solide mit Griechisch, Latein, Geschichte, Literatur, Kybernetik, Mathematik, Biologie und allem, was zu einem ordentlichen humanistischen Gymnasium gehört).
Dieses Abitur nun allerdings wurde von Margot Honecker nicht anerkannt.
Man konnte mit diesem Abitur Theologie studieren – an einer kirchlichen Hochschule selbstverständlich, oder an der Universität. Dann allerdings mit einer erneuten „Sonderreifeprüfung“.
Oder man konnte in den Westen gehen.
Doch dieser Weg schied für uns aus. Denn wir wollten bleiben.
Ich muss diesem Text von Uwe-Carsten Heye deshalb so vehement widersprechen, weil sich sonst falsche Legenden bilden.
Die Kanzlerin behauptet öffentlich unter Bezug auf ihre FDJ-Mitgliedschaft, es habe „keine andere Möglichkeit gegeben“, als Mitglied in der FDJ zu sein.
Dies ist ein Schlag ins Gesicht all der vielen hunderte von Kindern und Familien, die einen anderen Weg gegangen sind.
Meine Biografie ist nur eine von vielen hundert.
Es gab diese andere Möglichkeit.
Und sie erforderte einen hohen Preis.
Aber wir waren bereit, diesen Preis zu zahlen.
Wir haben uns nicht angepasst. Wir sind nicht mitmarschiert. Wir waren nicht Mitglied in den Pionieren, nicht in der FDJ, nicht im Armeelager, nicht bei der Armee.
Wir sind grade geblieben.
Trotz DDR-Bildungssystem…..
Vielleicht ist ja dies etwas, das man als „positive Errungenschaft“ des DDR-Bildungssystems nun 21 Jahre nach dem Fall der Mauer erinnern könnte…..
Sehr gute Kritik an Heye, der offenbar immer noch auf dem linken Auge blind ist (Wenn es um die Unterdrückung von Frauen in der islamischen Kultur geht, drückt er leider sogar beide Augen fest zu).
In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Altlinke bzw. Achtundsechziger, die sich heute noch weigern, Monika Manons „Flugasche“ oder „Stille Zeile sechs“ zu lesen. Alexander Kluge hat in Bezug auf die Linke einmal den Ausdruck „Die Rebellion des Willens gegen die Wahrnehmung“ geprägt. Uns ist es im Westen so gut gegangen, dass wir ganz bequem von den Segnungen des Sozialismus und von der klassenlosen Gesellschaft faseln konnten. Den Preis duften andere zahlen…
Uwe-Carsten Heye publiziert hier schwerwiegende Irrtümer. Da dieser Artikel in der Parteizeitung der SPD gedruckt wurde, kann man nur vermuten, dass hiermit wieder einmal den unverbesserlichen Linken aus der ehemaligen SED ein Weg über ihren ideologischen Diktaturfriedhof geharkt werden soll. Die Wahrheit ist, das das DDR-Bildungssystem ein Instrument des Klassenkampfes war. Schade!
zuerkannte. zuerkannte! Erst lesen, dann schreiben. 🙂 Die DDR erkannte jedem zu, daß er fähig ist, sich zu bilden.
Ich erkenne an, Du bist fähig, Dich zu bilden. Er, sie, es, sind fähig, sich zu bilden. Niemand wird von vornherein als ausgemachter und unabänderlicher Trottel festgelegt.
Das ist etwas völlig anderes, als, „das Bildungssystem der DDR gewährte jedem Zugang zu jeder Bildungseinrichtung unabhängig von Herkunft und Stellung.“ Hat er das in diesem Artikelabschnitt behauptet? Nein!
Das nur zur Richtigstellung.
Im Übrigen tut das auch das bundesdeutsche Bildungssystem. Es erkennt erst einmal jedem die Bildungsfähigkeit zu. Warum das Zuerkennen, jeder kann lernen, nun in der DDR etwas besonderes gewesen sein soll, weiß nur Herr Heye.
Dieser Widerspruch ist nicht nur wegen der Gerechtigkeit den vielen gegenüber, denen angemessene Qualifikation in der DDR verweigert wurde und die heute von kleinen Renten leben müssen notwendig,
sondern auch um den Lobhudlern der DDR Verhältnisse nicht noch die Deutungshoheit über die -von vielen erlittene -Geschichte zuzustehen.
Danke!