Der Große Dichter aus Afghanistan – Dshellaludin Rumi (1207-1273)


In der Nähe von Mazar-i-Sharif bin ich seiner Spur zum ersten Mal begegnet. Dshellaludin Rumi, wohl der größte Dichter und Poet der muslimischen Welt. In Balkh soll er zur Schule gegangen sein.
Er musste mit seinen Eltern auf die Flucht. Als Kind noch. In Konya in der heutigen Türkei hat sich die Familie niedergelassen. Mich berührt, daß die Kampfflugzeuge, die heute die westliche Allianz Richtung Afghanistan schickt, den umgekehrten Weg nehmen: sie starten in Konya und fliegen nach Kundus oder Mazar, in Rumis Heimat.
Es wäre gut, wenn das Bomben auf dies uralte Kulturland beendet würde.
Denn Afghanistan, besonders die Region um Kundus, Mazar-i-Sharif und Balkh haben der Welt sehr viel zu geben.
Zum Beispiel: die Erinnerung an Dshellaludin Rumi, den Gründer des Ordens der „Tanzenden Derwische“. In seinem „Diwan-i Schams-i Tabriz“ formuliert Rumi in frischer und bilderreicher Sprache seine Versuche, „durch Freundschaft und Liebe den unmittelbaren Weg zu Gott zu finden.“
Man hat ihn als den „Sänger der unendlichen Liebe“ bezeichnet. Zu Recht.
Wer beispielsweise das kleine Bändchen aus dem Manesse-Verlag Zürich „Dschalaluddin Rumi: Traumbild des Herzens. Hundert Vierzeiler“ zur Hand nimmt, wird es bestätigt finden.

Rumi wurde 1207 in Balkh, der „Bactria“ des Altertums, geboren. Seine Familie floh vor den Mongolen, die bald darauf Balkh wie zahllose andere blühende Städte Persiens dem Erdboden gleichmachten. 1228 erreichte die Familie Konya. 1231 starb der Vater und Rumi trat seine Nachfolge als Hofprediger der Seldschuken an. Die Begegnung mit dem Wanderderwisch Schamsuddin von Tabriz veränderte sein Leben. Die Ermordung des Freundes brachte Rumi in tiefe Verzweiflung. Die aber ließ die eigentliche schöpferische Energie in Rumi erst wirklich frei werden. Als Alterswerk entstand das große „Mathnawi“.

„Kein anderer mystischer persischer Dichter hat die ganze Fülle des Lebens so eingefangen und die bunte Vielfalt irdischer Vorgänge und Phänomene in ihrer verborgenen Symbolkraft so gleichsam entschleiert und poetisch fruchtbar gemacht wie Rumi“ schreibt Johann Christoph Bürgel in seiner Einleitung zum zitierten vorzüglichen Band aus der Manesse-Bücherei Zürich.
Es ist im Übrigen ein lohnendes Unterfangen, die Texte Rumis neben das Hohe Lied der Liebe aus unserer Tradition zu legen.
Man sieht, daß man beide Texte „auf zwei Ebenen lesen“ kann: auf einer sinnlich-erotischen und einer spirituellen.

Ich bin seit jenem Besuch im Norden Afghanistans Rumi auf der Spur.
Ich verdanke ihm die Wiederentdeckung der eigenen, abendländischen Kultur, bin durch ihn auf den Erfurter Meister Eckhart gestoßen, auf Theresa von Avila, Johannes vom Kreuz.
Es war ein folgen-reicher Besuch in jenem wunderschönen, uralten Kulturland.

Einen kleinen Text will ich hier einfügen, der die Verbindung aufzeigt, die wie ein geheimes Band zwischen den Religionen da ist, die sich heute, im Jahr 2011, gegenüber zu stehen scheinen.
Es gibt da dieses feine verbindende Band.
Das uns helfen könnte, Gemeinsames zu entdecken in der Kultur des Abend- und des Morgenlandes. Es wäre wichtig, dieses Verbindende zu entdecken.
Nicht nur aus politischen Gründen.

„Seit Du den Menschen schufest, wohnt ihm
durch Dich das Bild der Harfe inn‘.
Die Seele wird, indem sie betet,
vor Dir zu einer Sängerin.
Der Du verschenkst mit Deiner Lippen
Rubin unsterblichen Gewinn,
wirf von dem mächtigen Rubine
dem Sänger eine Gabe hin!“
(Dschalaluddin Rumi. Traumbild des Herzens. Manesse Bücherei Zürich, S. 84).

Solche Texte könnten auch von abendländischen Mystikern geschrieben worden sein.
Von Johannes vom Kreuz beispielsweise. Oder vom Amerikaner Thomas Merton. Wer seinen „Berg der sieben Stufen“ liest, wird es bestätigt finden.

Der „Kampf der Religionen“ ist kein Naturgesetz, wie uns einige weismachen wollen.
Denn: es gibt da dieses verbindende Band zwischen muslimischer Mystik (Sufismus) und christlicher Mystik (u.a. Meister Eckhart) und selbst buddhistischer Frömmigkeit im ZEN.
Kenner wie der UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld wussten um dieses verbindende Band.
Hammarskjöld hatte das Bild eines „tanzenden Derwischs“ in seinem Arbeitszimmer vor Augen und hat sich mit ZEN beschäftigt.
Es ist eine überaus lohnende Spur. Nicht nur aus politischen Gründen.

Wer sich vertieft mit dem großen Dichter Dshellaludin Rumi beschäftigen möchte, dem sei Prof. Annemarie Schimmel empfohlen.
Diese großartige Kennerin des Islam hat wie kaum ein anderer Forscher die Welt des Islam für das Abendland „erschlossen“.
Sie hat eine Tür aufgemacht.
Die Tür des besseren Verständnisses.
Aus der umfangreichen Literatur der Harvard-Professorin sei zum Thema Islam hier nur auf das Büchlein „Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik“. C.H.Beck, 2000 hingewiesen.

Ich wünschte mir sehr, daß unsere „moderne“ Kultur es fertig brächte, mit den Bomben auf Afghanistan aufzuhören.
Aus Konya sollten keine Kampfflugzeuge nach Afghanistan starten.
Wir sollten uns auf den Rück-Weg machen, auf den Weg, den Rumi einst als flüchtendes Kind gegangen ist.
Um eine uralte Kultur zu entdecken, zu der es ein verbindendes Band gibt.

Rumi könnte uns führen.

8 Gedanken zu “Der Große Dichter aus Afghanistan – Dshellaludin Rumi (1207-1273)

  1. Danke für den Hinweis auf Annemarie Schimmel. Ich habe – durch die Flüchtlinge – jetzt eine afghanische Familie bekommen und bin auf der Suche nach allem, was mich mit der Kultur des Landes mehr vertraut macht. Da die Familie meines „Sohnes“ aus Balkh stammt, bin ich natürlich auf Rumi gestoßen und habe auch schon einiges gelesen.
    Herzliche Grüße
    Anke

  2. lieber ulrich,

    nun möchte ich dir keine mühe machen, schalte bloß nicht alles frei… ich gebe es auf, auf den richtigen umbruch zu warten, vielleicht liegt’s an den >/<-zeichen…

    …mit HAUCH endet jedenfalls das erste zitat,
    mit WENN beginnt das zweite.

    tücken_der_technik_zum_trotz

    herzlichgrusz,
    hermann

  3. > Ist des Menschenlebens Schiff nicht so? Es taucht
    Aus dem ew’gen Meere, schwindet wie ein Hauch. Wenn der Mensch entschwände, wessen
    Schaden wär’s? – Dein, oder mein? <

    ( …mal sehen, ob rechner oder www wieder
    einen falschen umbruch fabrizieren… )

  4. Pardon.
    PS.

    Habe im eben genannten Band geblättert
    und diese Zeilen (aus verschiedenen Strophen)
    gefunden – mahnend, von IQBAL :

    > Ist des Menschenlebens Schiff nicht so? Es taucht
    Aus dem ew’gen Meere, schwindet wie ein Hauch. Wenn der Mensch entschwände, wessen
    Schaden wär’s? – Dein, oder mein? <

    Also: Achtsamkeit.
    Jeden Tag üben.
    Allen und allem gegenüber.

    Leicht gesagt.
    Die Tastatur ist geduldig, das Internet vergänglich.

    h.

  5. Lieber Ulrich,

    mit Dank für Deine Rumi-Zeilen
    möchte ich hier noch Deinen Schimmel-Hinweis ergänzen:

    Wer einführende gute Texte zwar schätzt,
    doch eher an der Lyrik interessiert ist,
    findet eine feine Auswahl in dem Buch

    NIMM EINE ROSE UND NENNE SIE LIEDER,
    Poesie der islamischen Völker,
    herausgegeben und übersetzt von Annemarie Schimmel,
    Insel Vlg. FfM 1995,
    insel taschenbuch 3045 (1.Aufl. 2004),
    ISBN 3-458-34745-3 .

    Rumi ist darin reichlich vertreten,
    doch reicht der Bogen vom Persischen
    über Urdu und Paschto bis hin zum Sindhi.

    Ein schönes Buch.
    Ein kurzer Gruß.

    hermann

    (twitter: @1_blick)

    1. danke auch für diesen Hinweis! die Kürze des Textes hat mich gezwungen, ein wenig auszuwählen. auch ihre Einführung in den Islam ist wunderbar. Sie war die einzige westeuropäische Frau, die eine Lehrerlaubnis an einer muslimischen Universität hatte. Was ja was über ihre Qualität sagt und ihr Verständnis von der Bruderreligion. Ich wünschte manchmal, daß die Bereitschaft zur Lektüre verbreiteter wär….Aber im Zeitalter von Dschungelcamp und anderen Errungenschaften ist’s der Mühsal der Wenigen wert, wenigstens auf diesem Wege etwas zum Verständnis der Kulturen beizutragen..
      herzliche grüße zurück. ulrich.

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