Etwas über Schlagworte


Sie sind, was sie sagen: Schläger.
Schlagworte schlagen oder erschlagen gar. Meist die Wahrheit.
Sie sind beliebt und vielfach im Gebrauch.
Je kürzer der Text wird, je enger der Raum zwischen den Worten im Kampf um das knappe Gut Aufmerksamkeit, je beliebter werden sie.
Komplizierteste Sachverhalte werden in der Hitze des Meinungsstreits im Kampf um Aufmerksamkeit eingeschmolzen zum Schlag-Wort.
Nach-Denken ermöglichen sie nicht mehr. Denn meist geht die Be-Sinnung verloren.
Es geht den Schlag-Worten und ihren Nutzern nur noch darum, Wirkung zu erzielen.
Wie in einem Box-Kampf.
Das Argument des andern soll möglichst schnell erschlagen werden.
Manche reihen sich gar zur Schlag-Zeile. Zeitungen leben davon.
Je „treffender“ eine Schlag-Zeile, umso größer die Chance, daß das Blatt gekauft wird. Am Kiosk. Und anderswo.

Politiker und Bosse, auch Schauspieler oder Sportler können gar „Schlag-Zeilen machen“. Ist zu lesen.
Wobei dies nur einen Teil der Wahrheit beschreibt, denn Schlag-Zeilen entstehen in Redaktionen oder privaten Computern. Zuvor jedoch in den Hirnen derer, die sie dann auf-schreiben.
Die Nutzung von Schlag-Worten sagt also etwas über den Nutzer. Und sein Denken.
Menschen regen sich gern über solche Schlag-Zeilen auf, die Politiker oder Wirtschaftsbosse oder andere Obrigkeiten betreffen.
Dann kaufen sie das Blatt.
Oder teilen es in einem Netzwerk.
Je größer die Aufregung, je besser der Umsatz.
Das ist beabsichtigt.

Es geht also ums Geld.
Ah ja.

Schlagworte eignen sich besonders für Titel-Seiten.
Titel-Seiten sind soetwas Ähnliches wie Titel-Kämpfe. Beim Boxkampf. Oder Ähnlichem.

Titel-Seiten entscheiden mit ihren Schlag-Worten, aufgereiht in Schlag-Zeilen, über den Verkaufs-Erfolg einer Zeitungsausgabe.
Es geht also erneut um Geld.
Was wir schon ahnten.

Die Bereitschaft zum differenzierten, genauen Argument nimmt mit der Häufigkeit der Nutzung von Schlagworten ab.
Das Denken wird ein-fach. Manchmal gar ein-fältig.
Man sieht es an den Kommentaren.

Schlag-Worte sind Zeichen einer immer mehr verarmenden Alltagssprache.
Sie sind Menetekel, An-Zeichen eines immer mehr verarmenden Denkens.
Sie sind die „Schrift an der Wand“, die das Un-Heil ankündigt. Vom König wird erzählt, er konnte diese Schrift nicht lesen, die da als Menetekel an der Wand stand.
Weshalb er nach einem Deuter rufen lies….

Hilfreiche Worte jedoch sind assoziativ, erzählen Geschichten, laden ein. Zunächst zum Zu-Hören, später zum Teilen der Gedanken, zum Dia-log.
Doch, solche hilfreichen Worte werden knapp in Zeiten, die von Schlag-Zeilen und Schlag-Worten bestimmt werden.

Dass Schlag-Worte die Gewalt unseres Alltags zur Sprache bringen, ist bekannt.
Sie zeigen uns die Gewalt in unserem Alltag. In Politik, Gesellschaft, Meinungsstreit.
So gesehen, halten sie uns einen Spiegel vor.
Nicht nur den gedruckten.
Die häufige Nutzung von Schlag-Worten in unserer Alltagssprache sagt uns etwas.
Über uns.
Und die Art, wie wir leben und miteinander umgehen.

Es ist also zu bedenken: Schlag-Worte haben eine Wirkung. Nicht nur beim „Gegner“, sondern auch beim „Schläger“:
Sie machen unser Leben gewalttätiger.
Denn Worte haben immer eine Wirkung auch auf den Sprechenden. Meist eine unbemerkte.
So, wie der geführte Schlag immer auch auf den Boxer zurückwirkt – er lernt im Training, jene Kraft abzufedern, die da vom Schlag auf ihn selbst zurückkommt – so wirkt das benutzte Wort auf den Nutzer zurück.
Es ist wichtig, dies wahrzunehmen.

Nun lässt sich zeigen, daß sich eine immer komplexer und komplizierter werdende Welt immer unzureichender in Schlag-Worten abbilden lässt.
Am Wort „Klima-Wandel“ lässt sich das studieren.
Spricht man es aus, spaltet man. In Menschen, die „an den Klimawandel glauben“ und jene, die dies nicht tun.
Das Schlag-Wort ist zum Spalt-Wort geworden.
Wenn es zutrifft, daß Wahrheit sinfonisch ist, also aus dem Zusammenklang von Teilwahrheiten besteht, dann kann man sehen, daß sich „die Wahrheit“ in Schlag-Worten nicht gut genug transportieren lässt.
Es gibt im ZEN den klugen Satz:
„Es gibt Deine Wahrheit. Und meine Wahrheit. Und DIE Wahrheit.“
Sinfonisch also.
Dazu sind Schlag-Worte jedoch nicht geeignet.
Bestenfalls zu einem Pauken-Schlag.
Diese Worte transportieren zu wenig Inhalt. Sie klingen nicht. Sie schlagen nur.
Damit die Kassen klingeln.
Es gibt mittlerweile Maschinen, die Texte nach Schlag-Worten durchsuchen.
Wenn man Texte schreibt, kann man sie gar „verschlagworten“, damit jene Maschinen den Text schneller finden.

Schlagworte enthalten vor allem eins: Wertung.
Sie tragen kein Argument, sondern eine Meinung.

Ein wirkliches Gespräch ist bei Be-nutzung von Schlag-Worten nicht möglich.
Schlagworte gehören zum Streit, nicht zum Gespräch.

Ich hab mir daher angewöhnt, mit einer Zeitung ein kranke Fliegen zu erschlagen.
Um sie zu erlösen.
Aber nur ausnahmsweise.

Mit Büchern geht das schlechter als mit Zeitungen.
Wieder was gelernt….

Ein Gedanke zu “Etwas über Schlagworte

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