Sie wolle etwas gegen den „Anwesenheitswahn“ tun, äußerte die Bundesministerin nun öffentlich. Sie meinte damit bestimmte Betriebe. Gesagt hat sie das aber nicht.
Nun ist es ein seit längerem zu beobachtender unguter Trend, dass die öffentlich geäußerte Sprache mehr als zu wünschen übrig lässt. Sie verkommt regelrecht.
Worthülsen, Nichtssagendes werden zum Standard. Das ist eine große Plage unserer Zeit.
Aus unklarem Denken folgt unklare Rede.
Solcherlei Reden sind weit entfernt vom eigentlich notwendigen geschliffenen Wort.
Als ich mir Ausschnitte der Regierungserklärung vom heutigen Tage ansah, wurde mir sehr schnell klar: so etwas werde ich mir künftig ersparen. Anwesenheit ist nicht mehr erforderlich. Denn es gibt keinen argumentativen Schlagabtausch mehr.
Im Parlament wird nur noch verkündet.
Dann ist Mittag.
Der „Anwesenheitswahn“ hat ein Ende. Das Parlament kann nach Hause gehen.
Es kommt nicht mehr drauf an.
Die Mehrheiten sind dermaßen verteilt, dass es nicht mehr erheblich ist, ob ein Abgeordneter da sitzt oder nicht.
Da zeichnet sich eine „bequeme Legislatur“ ab für den einen oder anderen Mandatsträger.
Weit entfernt sind die Zeiten, in denen es auf jede Stimme ankam.
Weit entfernt die Zeiten, in denen man mit Gruppenanträgen quer zu den Fraktionen noch etwas bewegen konnte.
Die präsidierende Kanzlerin hat nun eine dermaßen komfortable Mehrheit, dass ein Streit der Argumente zwischen Koalition und Opposition faktisch nicht mehr vorkommt.
Denn: das knappste Gut heutzutage ist Aufmerksamkeit.
Die kann die Opposition nur noch erreichen, wenn sie besonders plakativ vorträgt.
Deshalb wird auch sie sich vom geschliffenen Argument immer weiter entfernen.
Eine direkte Folge der neuen Mehrheitsverhältnisse.
Wie Mehltau breitet es sich aus.
Gehirnkleister.
„Es kommt nicht mehr drauf an, man hat ja ohnehin die Mehrheit“ – Anwesenheit nicht mehr erforderlich.
Man möchte sich zusammenrollen und die Bitte äußern: „In vier Jahren könnt ihr ja mal wieder anklopfen……“