KZ-Häftlinge in Born a. Darss. Das „Forstamt“ Born und der „Borner Hof“


Die Recherche ist mühsam, aber ich komme voran.
Was wissen wir mittlerweile (Recherchestand 28. 09. 2019)?
An zwei Orten mitten im kleinen Dörfchen Born waren KZ-Häftlinge untergebracht:
4 Frauen direkt auf dem Hof des Forstmeisters Franz Mueller-Darß (SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS)  zwischen Mai 1943 und April 1945. Heute ist in dem Gebäude das Forstmuseum untergebracht. Eine Erinnerungstafel findet sich nicht. Dass Mueller-Darß SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS war, erfährt man vor Ort ebenfalls nicht. Man nennt ihn nur den „Forstmeister“. 
Die 4 Frauen waren Zeuginnen Jehovas. Eine von ihnen hieß Meta Zils (Häftlingsnummer 442 KZ Ravensbrück). Deren Tochter Gerda Zils sagt später aus: „Das muss Ende 1936 gewesen sein. Vom Verhör in Zanow kehrte meine Mutter nicht wieder zurück….Der Zeitpunkt, als meine Mutter mit drei weiteren Glaubensschwestern …. als Außenkommando nach Born/Darß, zum Brigadeführer der SS Franz Mueller abkommandiert wurden, ist mir nicht bekannt. Die vier Schwestern mussten in ihren Sträflingskleidern hauptsächlich Wald- und Feldarbeit verrichten, ohne Bewachung (eine Flucht von der Halbinsel war faktisch nicht möglich). Untergebracht waren die vier Zeuginnen Jehovas in der Waschküche auf dem Gelände des SS-Brigadeführers, in der auch die Kartoffeln für die Schweine gekocht wurden, von denen sich die Schwestern hauptsächlich ernährten, wenn nicht Reste von der Küche übriggeblieben waren (beiliegen 2 Fotos, eins das Gebäude mit Waschküche, das zweite, das Gebäude, das der SS-Brigadeführer Mueller bewohnte und als Gästehaus von Naziführern, wie z.B. Hermann Göring, diente.) Meiner Schwester und mir, war es durch die Initiative eines im Nachbardorf Bliesenrathe (Bliesenrade, Wieck a.d. Darß) wohnenden mutigen Bewohners möglich, unsere Mutter zweimal heimlich bei Nacht zu besuchen. Kurz vor Kriegsende durften alle vier Frauen nach Hause gehen. Meine Mutter legte in ihrer Sträflingskleidung einen Fußmarsch von ca. 300 Kilometern zurück, bis sie meine Großeltern und uns Kinder in die Arme schließen konnte. Doch 1946 wurden wir aus der Heimat vertrieben.“
(zitiert nach Franz Wegener, Barth im Nationalsozialismus, 2016; S. 160f.;
vgl. auch: http://www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-lager-1/1933-1945-lager-d/dar-born-forstamt-born.html)

Der zweite Platz, ebenfalls mitten im Ort: der „Borner Hof„, eine große und bekannte Gaststätte, ehemals „Witt’s Hotel“. Heute ist dort außer der Feuerwehr die Orts-Bibliothek untergebracht und dort trifft sich u.a. der Seniorenklub des Dorfes.

Borner Hof „Wie es früher war“. Die KZ-Aussenstelle wird immer noch verschwiegen. Wir schreiben das Jahr 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier waren 1942/43 zunächst Frauen untergebracht, die zum Schilfschneiden eingesetzt wurden und auch in Zingst arbeiten mussten.

Ende 1943 treffen 120 Häftlinge in Born ein.
Im April 1945 waren im Borner Hof Männer untergebracht, die in einer Meilerei zu arbeiten hatten.
In der Nacht des 12. Oktober 1944 muss es einen Fluchtversuch gegeben haben, die Polizei Schwerin ermittelte. Offenbar sind bei diesem Fluchtversuch Menschen erschossen worden, die in der äußersten nordwestlichen Ecke des Friedhofs begraben wurden. Die Einheimischen nennen den Platz heute „das Russengrab“:

Das "Russengrab" in Born a. Darss. Hier ruhen KZ-Häftlinge
KZ-Häftlinge aus dem „Borner Hof“ sind ganz in der Ecke des Friedhofs von Born a. Darss bestattet. Die Geschichte vom „Borner Hof“ wird bis heute beschwiegen.

Am 12. 4. 1945 bei der Evakuierung treffen 35 Männer, die in der SS-Meilerei Born zu arbeiten hatten, im Außenlager Barth ein.

Das Lager im „Borner Hof“ wurde von 20 SS-Männern bewacht. Zuständig war Franz Mueller-Darß.  Die SS-Wache war im Obergeschoss des Hauses untergebracht. Die Häftlinge brachte man im Großen Saal in dreistöckigen Betten unter.

Dieser Große Saal hatte auch schon anderes gesehen, hier wurden die großen Feste, Hochzeiten und Bälle gefeiert. Nun waren hier in dreistöckigen „Betten“ 120 Männer untergebracht. Mitten im Ort.
Der Historiker Wolfgang Benz sagt völlig zu Recht: „Die Rede „wir haben nichts gewusst“ gilt nicht für die Außenlager. Dort war der direkte Kontakt mit der Zivilbevölkerung nicht zu verhindern – jeder konnte sehen, was im Ort mit den Häftlingen vor sich ging“.

Ich bin deshalb dafür, dass nun, im Jahre 2019, wenigstens eine Gedenktafel angebracht wird. Und zwar sowohl am heutigen Forst-Museum unter Bezug auf den SS-Mann Mueller-Darß und seine Vergangenheit, die eben weitaus mehr war als nur „Forstmeister“ gewesen zu sein und seine vier „persönlichen Häftlinge“ als auch am „Borner Hof“.
Am kommenden Montag werde ich mich mit dem Ortschronisten Holger Becker in Born treffen und hoffe, noch mehr über den „Borner Hof“ zu erfahren. Die Lokalhistorikerin Helga Radau, die sich um die Erforschung des KZs in Barth sehr verdient gemacht hat, hat mir schon mitgeteilt, daß im Vorpommerschen Landesarchiv Greifswald im Nachlaß des Lehrers Wilhelm Steinhauer das Ergebnis eines Schülerprojektes über den „Borner Hof“ einzusehen ist, das dieser engagierter Lehrer schon vor längerer Zeit mit seinen Schülern durchgeführt hat. So tastet man sich Schritt für Schritt näher heran an das, was damals „mitten unter uns“ geschehen ist.
Falls diese Zeilen jemand liest, der über weitere Informationen über den „Borner Hof“ zwischen 1933 und 45 verfügt, bin ich für eine Kontaktaufnahme dankbar.

Anmerkung: die fortlaufenden Rechercheergebnisse finden sich auch bei facebook unter https://www.facebook.com/DarssGeschichte/

2 Gedanken zu “KZ-Häftlinge in Born a. Darss. Das „Forstamt“ Born und der „Borner Hof“

  1. Das sind sehr interessante Recherchen, die mich nun veranlasst haben, nach KZ-Außenstellen im Herkunftsort meiner Familie zu suchen. Ich weiß aus Nebensätzen, dass Kriegsgefangene dort zu Arbeitseinsätzen gezwungen wurden, und dass es strenge Auflagen der Nazis gab, wie man diese Männer zu behandeln hatte, und dass die Einhaltung streng kontrolliert wurde.

    Darß wurde auch als Außenstelle des KZ Neuengamme geführt: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussenlagerliste/darss-wieck/

    1. das freut mich. Was sich nach meiner jahrelangen Erfahrung auch sehr lohnt: mit den Leuten sprechen und ein kleines Diktiergerät auf den Kaffeetisch legen. Die Generation der Kriegskinder, die nun stirbt, hat ein großes Bedürfnis, „endlich zu erzählen“. Man erfährt auf diese Weise Dinge, die in keinem Geschichtsbuch stehen.

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