Alternativen zum Krieg (3) – Interview mit Dr. Rupert Neudeck


UK: Herr Dr. Neudeck, Sie kennen Afghanistan seit langen Jahren. Seit wann genau?

RN: Ich war 1986 das erste Mal in Afghanistan, damals notgedrungen von Peshawar und den tribal areas in Pakistan illegal in das Nachbarland hineingekommen. 1987 wurden wir auf dem Weg in die Provinz Wardak von der Roten Armee entdeckt und wir mussten Hals über Kopf in Richtung Pakistan Grenze fliegen, was uns geglückt ist. Seite dem Oktober 2001 bin ich von Tadschikistan in den Provinzen Talhar und Kunduz tätig gewesen, in einer Zeit, da der Wiederaufbau-Enthusiasmus der Afghanen jede Frage einer militärischen Begleitung ganz obsolet werden ließ.

UK: Sie haben sowohl mit der CAP ANAMUR als auch mit den GRÜNHELMEN im Lande geholfen. Was waren die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
RN: Wir haben als Cap Anamur schon im Juni 2002 eine erste Klinik in der Provinz Takhar aufgebaut und etliche Schulen. Auch in der Provinz Kunduz waren wir tätig. Im Herbst 2003 haben die Grünhelme in der westafghanischen Provinz Herat Schulen in dem Distrikt Golram und in dem Distrikt Karoq aufgebaut, alle in den Dörfern, keine Schule in der Hauptstadt Herat. In den beiden Distrikten haben wir 30 Schulen aufgebaut und eine Entbindungsklinik und planen jetzt die 31. und 32. Schule.

UK: Die GRÜNHELME sind als „zivile Antwort auf den 11. September“ gegründet worden.
Bei den GRÜNHELMEN arbeiten Muslime und Christen gemeinsam „mit Menschen guten Willens“, um in konkreten Projekten der
Wiederaufbauarbeit einen Beitrag zum Frieden im Lande zu leisten.
Welche Erfahrungen haben sie im Lande gemacht?
Wie ist die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung?

RN: Das ist die wichtigste Frage, und unsere westlichen Länder haben noch lange nicht verstanden, dass dieses das wichtige Fundament der Zusammenarbeit ist:
Der Respekt und die Anerkennung einer anderen Lebenskultur. Wir meinen wie in kolonialen Zeiten tiefinnerlich noch diese Stämme und Völker leiten und bestimmen und dafür sorgen zu können, dass sie in unsere Richtung marschieren.
Die Arbeit in Afghanistan setzt aber voraus, dass nicht wir die wichtigen Partner sind, sondern die, die bisher ohne den großen westlichen Wohlstand auskommen mussten.
Wir haben immer Kontakt zu den Dorfbevölkerungen.
Wir beginnen mit den Dorfältesten beim Tee die Bedingungen für eine Schule zu besprechen. So habe ich mit unserem Cheftechniker Thomas Just das in der letzten Januar Woche in dem ort Tschischme Noghre und in dem Ort Sagheriha gemacht. Wir brauchen die Gewissheit, dass in dem Ort genügend Lehrer sind, dass die Schule und die Lehrer vom Staat nach Fertigstellung bezahlt werden. Und wir brauchen für unsere zwei Bauarbeiter-Grünhelme eine Unterkunft, kostenlos in dem Dorf in einem Lehmhaus.
Gläubig zu sein, das heißt ein Christ, Protestant oder Katholik zu sein ist für die Muslime in den Ortschaften meistens ein Vorteil. Denn sie verstehen immer: wir glauben an den einen Gott.

UK: Wenn Sie sich das veröffentliche Bild über Afghanistan in deutschen Medien anschauen: was fehlt?

RN: Es fehlt, man kann darüber lachen: Afghanistan und die Afghanen.
Unser Bild von Afghanistan beschränkt sich auf Hochsicherheitstrakte in dem Afghanistan, das wir ‚unseres’ nennen.
Nach Herat darf z.B. kein Funktionsträger des Bundestages und schon gar nicht ein Staatsminister, denn Deutsche dürfen sich und sollen sich nur in dem Afghanistan aufhalten, das das Mandatsgebiet der Bundeswehr ist. Dorthin fliegen mit der Bundeswehr-Airlines auch 98 Prozent aller deutschen Journalisten, die für den Flug und das Programm, das ihnen von der Bundeswehr gemacht wird, nicht zahlen müssen.
Ich fürchte, die Mitbürger in Deutschland sind grässlich fehlinformiert über dieses wunderbare und stolze Land.

UK: Der Deutsche Bundestag hat am 28. Januar 2011 das ISAF-Mandat erneut um ein Jahr verlängert.
Wäre eine Mandatierung zugunsten eines zivilen Aufbaus hilfreich gewesen?

RN: Es ist jetzt nach so vielen Jahren teuerstem Militär-Aufbau nur für unsere Soldaten (ein Afghane hat in einer deutschen Kaserne nichts zu suchen) sehr viel schwerer geworden, das militärische Glacis abzubauen. Aber es wird nur so gehen. Die Unsicherheiten sind gewachsen, es gibt ganze Distrikte auch in der Provinz Herat, in denen kriminelle Banden, Opiumbanden herrschen, oder auch Taliban oder Leute der alten Hezbi Islami.
Sie werden aber nicht bekämpft von den Soldaten der ISAF.
Das zivile Wiederaufbau-Mandat müsste damit beginnen, dass wieder deutsche Konsulate außerhalb der Militärbereiche der Bundeswehr aufgebaut würden.
Dazu müsste die Wirtschaft mit den Afghanen wieder gestärkt werden, denn schon heute befinden sich 2 Mio junger Afghanen wegen der Arbeit wieder illegal im Iran.

UK: Was ist aus Ihrer Sicht in Afghanistan im Moment besonders dringlich?

RN: Alle Maßnahmen, in denen die Wirtschaft gestärkt wird, wären sehr dringlich. In dem Distrikt Karoq haben die Taliban nichts zu suchen, die Dörfer haben alle etwas nach dem Taliban Sturz bekommen, Mobiltelefone, eine große Tarmac-Strasse, Schulen, eine Klinik.
Das bringt mehr zum Aufbau des Landes als alle teuren ISAF Einheiten, die von Europa aus aus der Luft versorgt werden.

UK: Wie können die Grünhelme konkret unterstützt werden?

RN: Eine Schule in Afghanistan kostet uns Grünhelme 40.000 Euro.
Eine Klinik 48.000 Euro.
Wir haben sieben Schulen aufgebaut, die von Schulen hier in Deutschland finanziert wurden: Buchen/Odenwald, Troisdorf 21 Schulen, Kassel Waldorf-Schule, Alfeld Gymnasium, Edith Stein Gymnasium Erfurt, Voerde KAB,  Thomas D (Phantastische Vier), Gemeinde Bad Vilbel.
Wir brauchend das Geld auf das Konto:

Konto Nr. 1070000 bei der
GLS eG  BLZ 430 609 67

Nachtrag: Dr. Rupert Neudeck kam grad wieder aus Afghanistan zurück. Die Schulen Nr. 31 und 32 sind in Vorbereitung….

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