„Die Organisation Gehlen war doch eine Veranstaltung der CIA“ sagt mir der Historiker, mit dem ich mich getroffen habe. „Also ist es sinnvoll, in den Akten der CIA nachzuschauen, wenn man jemanden sucht, der für OG gearbeitet hat“. Und diese Akten sind öffentlich? „Die können Sie ganz bequem von zu Hause aus recherchieren“. Und tatsächlich, eine Akte zu Franz Mueller-Darss findet sich, und zwar im reading room (Lesesaal) der CIA im Internet.
Weshalb sind diese Akten öffentlich? „Das kam durch den Fall Klaus Barbie“, lerne ich im Gespräch. „Es kam heraus, dass der SS-Mann Klaus Barbie (GESTAPO-Chef in Frankreich) nach dem Krieg für die CIA gearbeitet hatte. Und als das in Amerika bekannt wurde, gab es mächtige Unruhe, die schließlich politisch dazu führte, dass alle Akten der NS-Kollaborateure, die nach dem Kriege mit der CIA zusammengearbeitet haben, öffentlich gemacht wurden“.

Die Akte stammt vom 1. Januar 1953. Seine Geburtsdaten identifizieren ihn eindeutig als den Gesuchten Franz Mueller-Darss. Wir finden einen Sohn aus erster Ehe mit Ilona Linde , geboren am 2. November 1922 in Berlin, Nicolassee, Hans-Wilhelm Linde. Auf Seite 2 der Akte erfahren wir noch mehr: alle dort aufgeführten Daten identifizieren ihn eindeutig als den SS-Generalmajor Franz Mueller-Darss, den „Hundemüller“ aus dem Persönlichen Stab RFSS.

Wenn man die Seite 2 von oben her liest, erfährt man außer dem schon bekannten Lebenslauf von Mueller-Darss, dass seine ehemalige Frau von einem Herrn Dr. Linde „wiedergeheiratet“ wurde, dem Chef von „Lindes Eismaschinen“. (Anm: gemeint ist Dr. Friedrich Linde, der im Alter von 65 Jahren Ilona Linde geheiratet hat (1935). Der wiederum hat ihren Sohn, den Hans-Wilhelm adoptiert. Hans-Wilhelm Linde, ehemals Mueller wiederum wurde „als Kurier rekrutiert“ und als „Deckadresse“, Kürzel: V 21 406, hat also ebenfalls für den CIA gearbeitet.
Wir erfahren weiterhin, dass Mueller-Darss „gegenwärtig in Holzhausen als Holz-Verkäufer lebt“. Ausserdem ist er „Berater für Schädlingsbekämpfung“ (Anmerkung: damit kannten die Nazis sich ja aus, das in Auschwitz verwendete Cyklon B war ja bekanntlich ein Schädlingsbekämpfungsmittel). Außerdem hat er ein Buch geschrieben „Kein Ort zu bleiben“. Er sei ein freier Schriftsteller und arbeite an einem Buch über die Forstwirtschaft. Er sei 1939 in die NSDAP eingetreten (was ganz offensichtlich falsch ist; Mueller war schon 1933 in der NSDAP), sei aber inzwischen entnazifiziert worden (Anmerkung: wie das gelaufen sein soll, wüsste ich gerne) und spräche Englisch und Französisch.
Dann erfahren wir, dass Mueller-Darss von einem „V-1701“ rekrutiert worden sei, einem „persönlichen Freund und entfernten Verwandten (Cousin)“. Sein Auto sei angemeldet in „Hamburg Fallingbuettel“ (muss Hamburg-Fallingbostel heißen) und als Postadresse verwende man „Kaffeeversand KOMM WIEDER“ in Salzhausen„. Schließlich erfahren wir noch seine Decknamen: „Mettke Fritz“; „Dr. Fritz“; „Fritz Bohm“ oder „Bartels“.
Mit dieser Akte befinden wir uns mitten im Kalten Krieg. Die ehemaligen Alliierten gegen Hitlers „Drittes Reich“ sind inzwischen Gegner. Und der amerikanische Geheimdienst scheut sich nicht, hochrangige ehemalige Nazis in Dienst zu nehmen, um „gegen den Kommunismus“ zu spionieren. Glücklicherweise sind diese Akten nun seit 1998 öffentlich.