Die Kinder sind bei mir in der Leseförderung, weil sie „Probleme“ haben, flüssig zu lesen und auch zu verstehen, was sie da gerade – manchmal mühsam – zusammengestoppelt vorgelesen haben. Lesen ist anstrengend für Kinder, der Vorgang, vom abstrakten Zeichen über den gelesenen Laut auch noch zu einem Sinn für das Ganze zu finden, ist sehr kompliziert und fordert das Kind enorm. Das ändert sich erst, wenn die Kinder ungefähr so schnell lesen können, wie sie sprechen. Kein Wunder also, wenn sich da der eine oder andere „Widerstand“ einstellt – das Kind „will nicht“. Die Gründe dafür sind vielfältig, häufig ist es Überforderung – das Kind soll etwas, das es noch nicht kann. Der erste Satz, den ich den Kindern einpräge, ist also: „sag nicht: ich kann nicht“. „Sag besser: ich kann noch nicht.“

Wenn es Widerstände gibt, brauchen wir Brücken, Hilfsmittel, kleine Kniffe. Wir versuchen nun, die kindliche Phantasie zu Hilfe zu nehmen, denn sie ist eine starke Ressource.
Die Idee ist simpel: Wir schreiben das Alphabet senkrecht auf ein Blatt Papier. Rechts daneben schreibt das Kind (in der Regel trainiere ich einzeln mit einem Kind) die Worte, die ihm zum jeweiligen Anfangsbuchstaben „einfallen“: Apfel bei A, auch Affe, etc. pp. Diese „Einfallsphase“ kann schon mal recht heiter sein, beim Schreiben dann wirds zwar gleich wieder mühsamer. Aber die Sache geht ja weiter.

Denn nun kann sich das Kind zum gefundenen Wort eine Geschichte ausdenken. Es kann eine völlig frei phantasierte Geschichte sein. Was zählt, sind die spontanen Einfälle. Das kann losgehen mit dem Buchstaben A und dem Satz „Eines Tages ging der Apfel in den Wald.“ Was auch immer.

Solche Kurzgeschichten nehme ich während der Stunde auf Tonband auf und schreibe sie zu Hause fix als Text auf – Lesestoff für die nächste Stunde. Das Kind liest dann seine eigene Geschichte. Wenn es will, kanns zur Entspannung auch danach die Geschichte malen.

Man kann später, wenn man will und wenn die Sache funktioniert – ich werde davon berichten -, die phantasierten Kurztexte zusammenfassen und ein „Mein Alphabet-Geschichten-Buch“ draus machen. Eltern und Großeltern freuen sich über so etwas und das Kind hat etwas sehr Persönliches, auf das es durchaus „stolz“ sein kann – ein Ergebnis der eigenen Bemühungen und der eigenen Phantasie.
Wir wollen es versuchen. Die Kinder haben Lust dazu, ich auch, Zeit kann ich dafür auch zur Verfügung stellen (Abtippen der aufgenommenen Geschichten). Ich bin neugierig, wie die Sache geht. Mein Ziel dabei: den Kindern ein Erfolgserlebnis zu verschaffen, etwas, auf das sie stolz sein können, denn da liegt der Hase zunächst im besagten Pfeffer: die Kinder trauen sich (noch) nichts zu, deshalb haben sie eine riesige Angst vor Fehlern, haben Angst vor dem Lesen und Schreiben. Angst aber ist ein schlechter Ratgeber. So ein kleines eigenes Geschichten-Buch könnte vielleicht ein wenig Abhilfe schaffen. Einen Versuch ist es wert.

Ein Gedanke zu “Lesen lernen (8). Vielleicht machen wir ja ein Buch zusammen?

Hinterlasse einen Kommentar