Kirchengeschichte ist Teil der allgemeinen Geschichtsschreibung. Will man die Geschichte eines ehemaligen Dorfes im ehemaligen Landkreis Barnim in den Jahren zwischen 1933 und 1934 erkunden, muss man sich mit den Ereignissen in der evangelischen Kirchgemeinde befassen, denn sie waren wesentlicher Teil der Ereignisse im Dorf. Die Kirchgemeinde hatte in jenen Jahren immer noch großen Einfluss und es war nicht unerheblich für das gesamte Dorf Hohenschönhausen (seit 1920 Teil Berlins), wie der Pastor und der Gemeindekirchenrat dachten und sich verhielten.
Umgekehrt ist die Darstellung der Verhältnisse in der evangelischen Kirchgemeinde auch Spiegelbild der allgemeinen Verhältnisse im ehemaligen barnimschen Dorf Hohenschönhausen, das 1933 seit 13 Jahren zu Berlin gehörte.
Wesentlich waren in den zu beschreibenden Jahren zwei Pastoren:
Dr. Julius Kurth und Pfarrer Albrecht Neuberg.
Julius Kurth (von 1910 bis 1935 Pastor in Hohenschönhausen) gehörte seit 1933 zu den „Deutschen Christen“, Albrecht Neuberg (1936 – 1945 Pastor in Hohenschönhausen) galt im Urteil von Gemeindegliedern, mit denen ich Anfang der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts sprechen konnte, zu den „scharfen NS-Unterstützern.“ Wir werden uns im Folgenden mit beiden Pastoren, aber auch mit dem Gemeindekirchenrat und den kirchlichen Gruppen innerhalb der Gemeinde beschäftigen und versuchen, möglichst exakte Dokumente beizufügen. Wichtigste Quelle sind bislang die Unterlagen über die Kirchgemeinde im Zentralarchiv der Landeskirche und im Lichtenberger Stadtmuseum.
Beginnen wir mit den Pastoren und ihren Porträts. Beide sind in der Sakristei der Tabor-Kirche aufbewahrt.

Dr. Julius Kurth war ein national gesinnter, konservativ eingestellter Privatgelehrter, der sich mit Fragen antiker Kunst bestens auskannte und dazu auch publiziert hat. Grosse-Leege hatte ihn – in seiner Eigenschaft als Patron der Kirchgemeinde – noch berufen.

Kurth ging mit einem Riesenkrach aus der Gemeinde Hohenschönhausen in Pension. Lange Jahre schon gab es Intrigen gegen ihn, er hat das Konsistorium – also seine vorgesetzte kirchenleitende Behörde – mehrfach schriftlich „um Schutz“ gebeten. In seinen letzten Berufs-Jahren 1933 – 1935 waren es vor allem Nationalsozialisten im Gemeindekirchenrat, die ihn „weghaben“ wollten, obwohl er zu den „Deutschen Christen“ gehörte, der hitlertreuen Mehrheit der Berliner Pastoren also. Allen voran ein Dr. Bork, der damals im Rathaus Hohenschönhausen wohnte. Aber auch der Ortsgruppenchef der NSDAP, Vahlberg, war Mitglied im Gemeindekirchenrat und arbeitete gegen Dr. Kurth. Wir werden dem im Einzelnen noch nachgehen.
Zum Gemeindekirchenrat lässt sich sagen: er war schon im Sommer 1933 zu 100% deutsch-christlich, also „hitlertreu“. Allerdings muss man auch da genauer hinschauen. Das werden wir anhand der Dokumente tun.
Der Ortsteil Berlins, um den es geht, war allgemein-politisch eher links: Kommunisten und Sozialdemokraten stellten bis 1933 die Mehrheiten. Das änderte sich allerdings mit der „Machtergreifung“ schlagartig. Ähnlich wie im „roten Wedding“ wurde, was ehemals „rot“ war, überraschend schnell „braun“. Die Rolle der Kirche dabei war nicht unerheblich. Denn man sprach im Dorf über das Verhalten, die Veröffentlichungen und auch die Predigten des Pastors und die Ereignisse im Gemeindekirchenrat.
Das oben als Header eingefügte Titelbild stammt aus dem Jahre 1944. Ich habe es dem Band „1945. Nun hat der Krieg ein Ende. Erinnerungen aus Hohenschönhausen“, zusammengestellt und eingeleitet von Thomas Friedrich und Monika Hansch, herausgegeben vom Museum Hohenschönhausen 1995, auf Seite 145 entnommen.
Die nächsten Texte zum Thema werden unter der Kategorie „Hohenschönhausen zwischen 1933 und 1945“ zu finden sein. Zeitgleich lege ich die Beiträge auf der dafür eingerichteten facebook-Projektseite ab.

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